Celander [i. e. Gressel, Johann Georg]: Verliebte-Galante/ Sinn-Vermischte und Grab-Gedichte. Hamburg u. a., 1716.Verliebte und galante Gedichte. Beweist mir/ ob ich euch durch Schmeichelung verführe?Die Warheit stimmet mir in meinen Reden bey. Legt doch das Zürnen ab! und gönnet mir das Rühmen! Die Warheit redet hier/ die nicht zu tadeln ist/ Einander suche die mit Loben zu beblümen/ Die den geschmückten Weg der Laster auserkießt. Eur Wesen ist galant, ihr spielt mit Lieblichkeiten Die Augen lassen sich wie holde Sonnen sehn/ Wer wil den schönen Schmuck/ der euch beziert ausbreiten? Wer nennet nicht die Pracht der schönen Glieder schön? Die Venus hat den Sitz der holden Anmuhts-Mienen/ Auf den erhabnen Platz des Angesichts gestellt/ Die Schönheit muß daselbst als eine Sclavin dienen/ Helenens Ruhm vor euch wie schlechtes Glas zerfällt. Die holden Gratien, und ander schöne Nymphen, Die legen sich beschämt zu euren Füssen hin/ Jhr könnt das schöne Bild aus Griechenland beschimpffen/ Das sich aus Hochmuht macht zu einer Pracht-Göttin. Apelles fand bey ihr recht ungemeine Strahlen/ (e) Es fiel ihm allzuschwehr der schönen Augen-Schein/ Drauf ließ sie sich die Sonn zu ihren Füssen mahlen Und diese Schrifft: Nur ich muß angebehtet seyn. Seyd ihr nun nicht so schön/ die Demuht ist doch grösser/ Es prange Griechenland mit Apollonien, Bescheidenheit macht euch und eure Schönheit besser/ Sie setzt euch in die Zahl der holden Gratien. (e) Apollonia eine schöne Lacedemonerin, welche den Apelles, weil er den Glantz ihrer Augen nicht vertragen kunte/ seinen Pinsul etliche mahl niederzulegen bewog/ ließ sich die Sonne unter ihre Füsse gemahlet auf einen Altar stellen/ mit diesen Worten: Jch bin das Bild so unter allen Göttern am meisten soll angebehtet werden. An die allzuverliebten Mädgens. Oeffnet nicht zu früh den Laden/ Wo eur bestes Gütgen liegt/ Was euch sonst so sehr vergnügt Dürffte euch am meisten schaden. Seht
Verliebte und galante Gedichte. Beweiſt mir/ ob ich euch durch Schmeichelung verfuͤhre?Die Warheit ſtimmet mir in meinen Reden bey. Legt doch das Zuͤrnen ab! und goͤnnet mir das Ruͤhmen! Die Warheit redet hier/ die nicht zu tadeln iſt/ Einander ſuche die mit Loben zu bebluͤmen/ Die den geſchmuͤckten Weg der Laſter auserkießt. Eur Weſen iſt galant, ihr ſpielt mit Lieblichkeiten Die Augen laſſen ſich wie holde Sonnen ſehn/ Wer wil den ſchoͤnen Schmuck/ der euch beziert ausbreiten? Wer nennet nicht die Pracht der ſchoͤnen Glieder ſchoͤn? Die Venus hat den Sitz der holden Anmuhts-Mienen/ Auf den erhabnen Platz des Angeſichts geſtellt/ Die Schoͤnheit muß daſelbſt als eine Sclavin dienen/ Helenens Ruhm vor euch wie ſchlechtes Glas zerfaͤllt. Die holden Gratien, und ander ſchoͤne Nymphen, Die legen ſich beſchaͤmt zu euren Fuͤſſen hin/ Jhr koͤnnt das ſchoͤne Bild aus Griechenland beſchimpffen/ Das ſich aus Hochmuht macht zu einer Pracht-Goͤttin. Apelles fand bey ihr recht ungemeine Strahlen/ (e) Es fiel ihm allzuſchwehr der ſchoͤnen Augen-Schein/ Drauf ließ ſie ſich die Sonn zu ihren Fuͤſſen mahlen Und dieſe Schrifft: Nur ich muß angebehtet ſeyn. Seyd ihr nun nicht ſo ſchoͤn/ die Demuht iſt doch groͤſſer/ Es prange Griechenland mit Apollonien, Beſcheidenheit macht euch und eure Schoͤnheit beſſer/ Sie ſetzt euch in die Zahl der holden Gratien. (e) Apollonia eine ſchoͤne Lacedemonerin, welche den Apelles, weil er den Glantz ihrer Augen nicht vertragen kunte/ ſeinen Pinſul etliche mahl niederzulegen bewog/ ließ ſich die Sonne unter ihre Fuͤſſe gemahlet auf einen Altar ſtellen/ mit dieſen Worten: Jch bin das Bild ſo unter allen Goͤttern am meiſten ſoll angebehtet werden. An die allzuverliebten Maͤdgens. Oeffnet nicht zu fruͤh den Laden/ Wo eur beſtes Guͤtgen liegt/ Was euch ſonſt ſo ſehr vergnuͤgt Duͤrffte euch am meiſten ſchaden. Seht
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Verliebte und galante Gedichte.
Beweiſt mir/ ob ich euch durch Schmeichelung verfuͤhre?
Die Warheit ſtimmet mir in meinen Reden bey.
Legt doch das Zuͤrnen ab! und goͤnnet mir das Ruͤhmen!
Die Warheit redet hier/ die nicht zu tadeln iſt/
Einander ſuche die mit Loben zu bebluͤmen/
Die den geſchmuͤckten Weg der Laſter auserkießt.
Eur Weſen iſt galant, ihr ſpielt mit Lieblichkeiten
Die Augen laſſen ſich wie holde Sonnen ſehn/
Wer wil den ſchoͤnen Schmuck/ der euch beziert ausbreiten?
Wer nennet nicht die Pracht der ſchoͤnen Glieder ſchoͤn?
Die Venus hat den Sitz der holden Anmuhts-Mienen/
Auf den erhabnen Platz des Angeſichts geſtellt/
Die Schoͤnheit muß daſelbſt als eine Sclavin dienen/
Helenens Ruhm vor euch wie ſchlechtes Glas zerfaͤllt.
Die holden Gratien, und ander ſchoͤne Nymphen,
Die legen ſich beſchaͤmt zu euren Fuͤſſen hin/
Jhr koͤnnt das ſchoͤne Bild aus Griechenland beſchimpffen/
Das ſich aus Hochmuht macht zu einer Pracht-Goͤttin.
Apelles fand bey ihr recht ungemeine Strahlen/
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Es fiel ihm allzuſchwehr der ſchoͤnen Augen-Schein/
Drauf ließ ſie ſich die Sonn zu ihren Fuͤſſen mahlen
Und dieſe Schrifft: Nur ich muß angebehtet ſeyn.
Seyd ihr nun nicht ſo ſchoͤn/ die Demuht iſt doch groͤſſer/
Es prange Griechenland mit Apollonien,
Beſcheidenheit macht euch und eure Schoͤnheit beſſer/
Sie ſetzt euch in die Zahl der holden Gratien.
⁽e⁾ Apollonia eine ſchoͤne Lacedemonerin, welche den Apelles,
weil er den Glantz ihrer Augen nicht vertragen kunte/ ſeinen
Pinſul etliche mahl niederzulegen bewog/ ließ ſich die Sonne
unter ihre Fuͤſſe gemahlet auf einen Altar ſtellen/ mit dieſen
Worten: Jch bin das Bild ſo unter allen Goͤttern am meiſten
ſoll angebehtet werden.
An die allzuverliebten Maͤdgens.
Oeffnet nicht zu fruͤh den Laden/
Wo eur beſtes Guͤtgen liegt/
Was euch ſonſt ſo ſehr vergnuͤgt
Duͤrffte euch am meiſten ſchaden.
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Zitationshilfe: | Celander [i. e. Gressel, Johann Georg]: Verliebte-Galante/ Sinn-Vermischte und Grab-Gedichte. Hamburg u. a., 1716, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gressel_grabgedichte_1716/108>, abgerufen am 22.07.2024. |