Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Viertes Vierteljahr.Die russische Hungersnot und das intenuUio.lato Mfswclk Die russische Hungersnot und das internationale Hilfswerk von einem Neutralen wischen den kaukasischen Bergen, dem Kaspischen und dem Schwarzen Der äußere Grund der Hungerkatastrophe ist eine Mißernte, von der die Als die ersten Hilferufe aus Sowjetrußland durch die Welt gingen, setzten Die Hilfsaktion des Deutschen Roten Kreuzes hat ihre Tätigkeit im Hunger- Die russische Hungersnot und das intenuUio.lato Mfswclk Die russische Hungersnot und das internationale Hilfswerk von einem Neutralen wischen den kaukasischen Bergen, dem Kaspischen und dem Schwarzen Der äußere Grund der Hungerkatastrophe ist eine Mißernte, von der die Als die ersten Hilferufe aus Sowjetrußland durch die Welt gingen, setzten Die Hilfsaktion des Deutschen Roten Kreuzes hat ihre Tätigkeit im Hunger- <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0309" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/339858"/> <fw type="header" place="top"> Die russische Hungersnot und das intenuUio.lato Mfswclk</fw><lb/> </div> <div n="1"> <head> Die russische Hungersnot<lb/> und das internationale Hilfswerk<lb/><note type="byline"> von einem Neutralen</note></head><lb/> <p xml:id="ID_1248"> wischen den kaukasischen Bergen, dem Kaspischen und dem Schwarzen<lb/> Meer und der Wolga, ans einem Gebiet von annähernd 700 000<lb/> Quadratkilometern, einem Gebiet, das etwa dreimal so groß ist als<lb/> das Deutsche Reich, wütet seit Wochen eine Hungersnot, wie sie<lb/> die Welt in einem solchen Umfange wohl kaum jemals erlebt hat.<lb/> Dreißig Millionen Menschen, Russen, Deutsche, Tartaren hungern, sie ernähren<lb/> sich notdürftig von Gräsern und Baumrinden, sie fallen massenweise der Hunger¬<lb/> cholera und anderen Seuchen zum Opfer oder sie verkommen in furchtbarsten Elend.</p><lb/> <p xml:id="ID_1249"> Der äußere Grund der Hungerkatastrophe ist eine Mißernte, von der die<lb/> einst getreidereichsten Gebiete Rußlands betroffen worden sind. Während diese<lb/> vor der Revolution etwa eine Milliarde Pud Getreide zu liefern pflegten, beträgt<lb/> in diesem Jahr die Ernte knapp 150 Millionen Pud. Sie reichen kaum zur<lb/> Bestellung der Acker für das nächste Jahr. Die Mißernte bildet jedoch nur den<lb/> äußeren Grund des Hungerelends, seine wirklichen Ursachen liegen tiefer. Die<lb/> Hungerkatastrophe an der Wolga ist das Ergebnis der wahnwitzigen Mißwirtschaft,<lb/> in die die kommunistische Regierung das Land in den vier Jahren ihres Bestehens<lb/> gestürzt hat. Mißernten waren auch im alten Rußland nichts Seltenes, aber es<lb/> gab bei der Größe des Landes doch wenigstens die Möglichkeit, die fehlenden<lb/> Mengen durch Zuführen aus anderen Gegenden zu decken. Heute fehlen dazu<lb/> alle Voraussetzungen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1250"> Als die ersten Hilferufe aus Sowjetrußland durch die Welt gingen, setzten<lb/> überall Hilfsaktionen ein. Ihre wichtigsten sind, abgesehen von den vielen<lb/> kleineren Organisationen der Arbeiterschaft in den verschiedenen Ländern und den<lb/> Spenden einzelner Staaten das rein sanitäre Hilfswerk des Deutschen Roten<lb/> Kreuzes, die „American Relief Association", die Hilfsaktion des Internationale»<lb/> Roten Kreuzes und das sogenannte internationale, in Wirklichkeit interalliierte<lb/> Hilfswerk des Obersten Rates. Alle diese Hilfsorganisationen stützten sich im<lb/> allgemeinen auf das Allrussische Hilfskomitee, das am 23. Juli in einer Art<lb/> Panikstimmung der Regierungskreise mit deren Einverständnis auf Veranlassung<lb/> bürgerlicher Kreise gebildet worden war. Es bestand aus Mitgliedern aller<lb/> Parteirichtungen und hatte das Recht. Abordnungen ins Ausland zu entsenden.</p><lb/> <p xml:id="ID_1251" next="#ID_1252"> Die Hilfsaktion des Deutschen Roten Kreuzes hat ihre Tätigkeit im Hunger-<lb/> gebiet bereits aufgenommen. Sie beschränkt sich nur auf die Bekämpfung von<lb/> Seuchen. Eine finanzielle Hilfeleistung oder Unterstützung mit Lebensmitteln und<lb/> Textilien kommt deutscherseits nicht in Frage. Ärztlicher Leiter der Expedition<lb/> ist der bekannte Hamburger Hygieniker Professor Dr. Musters. Als Operations¬<lb/> basis dient der Expedition das deutsche Sanitätsschiff „Triton" in Petersburg,<lb/> dos die Expedition dorthin gebracht hat und nach den neuesten wissenschaftlichen<lb/> Erfahrungen ausgerüstet ist. Wie sich die Arbeit der Expedition im Innern<lb/> Rußlands gestalten wird, bleibt örtlichen Erfahrungen vorbehalten. Autos und</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0309]
Die russische Hungersnot und das intenuUio.lato Mfswclk
Die russische Hungersnot
und das internationale Hilfswerk
von einem Neutralen
wischen den kaukasischen Bergen, dem Kaspischen und dem Schwarzen
Meer und der Wolga, ans einem Gebiet von annähernd 700 000
Quadratkilometern, einem Gebiet, das etwa dreimal so groß ist als
das Deutsche Reich, wütet seit Wochen eine Hungersnot, wie sie
die Welt in einem solchen Umfange wohl kaum jemals erlebt hat.
Dreißig Millionen Menschen, Russen, Deutsche, Tartaren hungern, sie ernähren
sich notdürftig von Gräsern und Baumrinden, sie fallen massenweise der Hunger¬
cholera und anderen Seuchen zum Opfer oder sie verkommen in furchtbarsten Elend.
Der äußere Grund der Hungerkatastrophe ist eine Mißernte, von der die
einst getreidereichsten Gebiete Rußlands betroffen worden sind. Während diese
vor der Revolution etwa eine Milliarde Pud Getreide zu liefern pflegten, beträgt
in diesem Jahr die Ernte knapp 150 Millionen Pud. Sie reichen kaum zur
Bestellung der Acker für das nächste Jahr. Die Mißernte bildet jedoch nur den
äußeren Grund des Hungerelends, seine wirklichen Ursachen liegen tiefer. Die
Hungerkatastrophe an der Wolga ist das Ergebnis der wahnwitzigen Mißwirtschaft,
in die die kommunistische Regierung das Land in den vier Jahren ihres Bestehens
gestürzt hat. Mißernten waren auch im alten Rußland nichts Seltenes, aber es
gab bei der Größe des Landes doch wenigstens die Möglichkeit, die fehlenden
Mengen durch Zuführen aus anderen Gegenden zu decken. Heute fehlen dazu
alle Voraussetzungen.
Als die ersten Hilferufe aus Sowjetrußland durch die Welt gingen, setzten
überall Hilfsaktionen ein. Ihre wichtigsten sind, abgesehen von den vielen
kleineren Organisationen der Arbeiterschaft in den verschiedenen Ländern und den
Spenden einzelner Staaten das rein sanitäre Hilfswerk des Deutschen Roten
Kreuzes, die „American Relief Association", die Hilfsaktion des Internationale»
Roten Kreuzes und das sogenannte internationale, in Wirklichkeit interalliierte
Hilfswerk des Obersten Rates. Alle diese Hilfsorganisationen stützten sich im
allgemeinen auf das Allrussische Hilfskomitee, das am 23. Juli in einer Art
Panikstimmung der Regierungskreise mit deren Einverständnis auf Veranlassung
bürgerlicher Kreise gebildet worden war. Es bestand aus Mitgliedern aller
Parteirichtungen und hatte das Recht. Abordnungen ins Ausland zu entsenden.
Die Hilfsaktion des Deutschen Roten Kreuzes hat ihre Tätigkeit im Hunger-
gebiet bereits aufgenommen. Sie beschränkt sich nur auf die Bekämpfung von
Seuchen. Eine finanzielle Hilfeleistung oder Unterstützung mit Lebensmitteln und
Textilien kommt deutscherseits nicht in Frage. Ärztlicher Leiter der Expedition
ist der bekannte Hamburger Hygieniker Professor Dr. Musters. Als Operations¬
basis dient der Expedition das deutsche Sanitätsschiff „Triton" in Petersburg,
dos die Expedition dorthin gebracht hat und nach den neuesten wissenschaftlichen
Erfahrungen ausgerüstet ist. Wie sich die Arbeit der Expedition im Innern
Rußlands gestalten wird, bleibt örtlichen Erfahrungen vorbehalten. Autos und
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