Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Viertes Vierteljahr.Der gesunde Menschenverstand des Angelsachsen wird sich um so nüchterner Die. berufene Stelle, Deutschland so sprechen zu lassen, ist das Auswärtige Der gesunde Menschenverstand des Angelsachsen wird sich um so nüchterner Die. berufene Stelle, Deutschland so sprechen zu lassen, ist das Auswärtige <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0304" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/339853"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_1231"> Der gesunde Menschenverstand des Angelsachsen wird sich um so nüchterner<lb/> zur Sache äußern, je gründlicher es uns gelingt, 'seine idealistische Seele am<lb/> .Kriegsansgang zu desinteressieren. Mit der Propaganda für unsere Rehabili¬<lb/> tierung wenden wir uns an das gesamte Angelsachsentum. Bei der Beweisfüh¬<lb/> rung, daß es dem Interesse des Feindes entspricht, baldigst Schluß zu machen,<lb/> müssen wir zwischen Engländern und Amerikanern und bei jedem Volke zwischen<lb/> den verschiedenen Parteien differenzieren. In England lassen wir den „Junker"<lb/> links liegen und halten uns an „Bürger" und „Arbeiter". Jenen können wir<lb/> z. B. rin der wirtschaftlichen Umgarnung Englands durch die Union ängstigen<lb/> und diesem durch Propagierung unserer sozialen Errungenschaften beikommen.<lb/> Dem amerikanischen Imperialisten läßt sich beweisen, daß er seine Kriegsziele schon<lb/> erreicht und an einem englischen Sieg über Deutschland kein Interesse hat. Bei<lb/> unseren Bemühungen um den Angelsachsen ist zu bedenken, daß ihm nur selbst¬<lb/> bewußtes, unabhängiges Auftreten imponiert. Wir dürfen ihm also nicht nach¬<lb/> laufen, wenn er uns kommen soll. Friedcnsbedürftigkeit an den Tag zu legen,<lb/> wäre pire qu'un crime. 'Es würde den Kieg verlängern. Wir müssen vielmehr<lb/> dem Feind die Initiative zu Friedensverhandlungen zuschieben. Bei unserer Reha-<lb/> bilitiernng beherzige man: qui s'excuse s'ACLUSö. Es trifft aber auf den ver¬<lb/> leumdeten Kavalier, der eine ehrengerichtliche Untersuchung gegen sich beantragt,<lb/> nicht zu. Im Bluff können wir es mit dem Angelsachsen nicht aufnehmen und<lb/> tun deshalb gut, auf jede Übertreibung zu verzichten. Die Wahrheit ist eine bessere<lb/> Waffe wie die Lüge und leichter zu handhaben. Sie genügt eines vollständig.<lb/> Das wird auch der Zentleirmn im Angelsachsen zugeben, sobald wir seiner hab¬<lb/> haft werden. Je weniger Tendenz und Polemik, desto besser. Ich denke mir, daß<lb/> Deutschland im Bewußtsein seiner unbesiegbaren Kraft und deshalb ohne Über-<lb/> hebung vor die angelsächsische Welt hintritt und zu ihr sagt: „So bin ich, und-<lb/> so ist meine Lage!"</p><lb/> <p xml:id="ID_1232" next="#ID_1233"> Die. berufene Stelle, Deutschland so sprechen zu lassen, ist das Auswärtige<lb/> Amt. ES müßte eine großzügige Kampagne einheitlich entwerfen und durchführen.<lb/> Presse und Wolff-Buro stehen Zunächst zur Verfügung. Scharfuiurisseue Depe¬<lb/> schen und Leitaufsätze werden, besonders in die neutrale Presse lanziert, einen,<lb/> gewissen Eindruck machen. Dem englischen und amerikanischen Publikum kommen<lb/> aber uur englische Zeitungen in die Hand. Den Weg in sie erzwingen sich er¬<lb/> fahrungsgemäß nur Aussprüche unserer markanten Politiker. Was man dem<lb/> Angelsachsen zu sagen hat, lasse man von gewichtigen Persönlichkeiten in lapidare<lb/> Sätze bringe», die sich für neacilines eignen, und trabte sie gut übersetzt ins Aus¬<lb/> land. Einmal ist in dert Propaganda keinmal. Selbst an richtig erkannten Schwäche¬<lb/> punkten der feindlichen öffentlichen Meinung läßt sich nur Bresche schießen, wenn<lb/> man sie immer wieder mit demselben Gedanken betrommelt. Die Parole ist also,<lb/> dem Feind wenige, scharf durchdachte und pointierte Leitsätze so lange einzudäm¬<lb/> mern und einzubläuen, bis er nicht mehr gegen sie ankann. Der Sprechkam¬<lb/> pagne muß durch Bücher nachgeholfen werden. Am allerwirksmnsten wäre es,<lb/> wenn die Regierung der Propaganda ex cainoclra sekundierte. Die crux unseres.<lb/> Verhältnisses zum Angelsachsentum bildet die belgische Frage. Ließe sich sagen,<lb/> daß wir Belgien nicht annektieren wollen, die besetzten Teile aber - wegen mög¬<lb/> licher Bedrohung des besetzten Gebietes in.Frankreich - erst nach Abschluß der</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0304]
Der gesunde Menschenverstand des Angelsachsen wird sich um so nüchterner
zur Sache äußern, je gründlicher es uns gelingt, 'seine idealistische Seele am
.Kriegsansgang zu desinteressieren. Mit der Propaganda für unsere Rehabili¬
tierung wenden wir uns an das gesamte Angelsachsentum. Bei der Beweisfüh¬
rung, daß es dem Interesse des Feindes entspricht, baldigst Schluß zu machen,
müssen wir zwischen Engländern und Amerikanern und bei jedem Volke zwischen
den verschiedenen Parteien differenzieren. In England lassen wir den „Junker"
links liegen und halten uns an „Bürger" und „Arbeiter". Jenen können wir
z. B. rin der wirtschaftlichen Umgarnung Englands durch die Union ängstigen
und diesem durch Propagierung unserer sozialen Errungenschaften beikommen.
Dem amerikanischen Imperialisten läßt sich beweisen, daß er seine Kriegsziele schon
erreicht und an einem englischen Sieg über Deutschland kein Interesse hat. Bei
unseren Bemühungen um den Angelsachsen ist zu bedenken, daß ihm nur selbst¬
bewußtes, unabhängiges Auftreten imponiert. Wir dürfen ihm also nicht nach¬
laufen, wenn er uns kommen soll. Friedcnsbedürftigkeit an den Tag zu legen,
wäre pire qu'un crime. 'Es würde den Kieg verlängern. Wir müssen vielmehr
dem Feind die Initiative zu Friedensverhandlungen zuschieben. Bei unserer Reha-
bilitiernng beherzige man: qui s'excuse s'ACLUSö. Es trifft aber auf den ver¬
leumdeten Kavalier, der eine ehrengerichtliche Untersuchung gegen sich beantragt,
nicht zu. Im Bluff können wir es mit dem Angelsachsen nicht aufnehmen und
tun deshalb gut, auf jede Übertreibung zu verzichten. Die Wahrheit ist eine bessere
Waffe wie die Lüge und leichter zu handhaben. Sie genügt eines vollständig.
Das wird auch der Zentleirmn im Angelsachsen zugeben, sobald wir seiner hab¬
haft werden. Je weniger Tendenz und Polemik, desto besser. Ich denke mir, daß
Deutschland im Bewußtsein seiner unbesiegbaren Kraft und deshalb ohne Über-
hebung vor die angelsächsische Welt hintritt und zu ihr sagt: „So bin ich, und-
so ist meine Lage!"
Die. berufene Stelle, Deutschland so sprechen zu lassen, ist das Auswärtige
Amt. ES müßte eine großzügige Kampagne einheitlich entwerfen und durchführen.
Presse und Wolff-Buro stehen Zunächst zur Verfügung. Scharfuiurisseue Depe¬
schen und Leitaufsätze werden, besonders in die neutrale Presse lanziert, einen,
gewissen Eindruck machen. Dem englischen und amerikanischen Publikum kommen
aber uur englische Zeitungen in die Hand. Den Weg in sie erzwingen sich er¬
fahrungsgemäß nur Aussprüche unserer markanten Politiker. Was man dem
Angelsachsen zu sagen hat, lasse man von gewichtigen Persönlichkeiten in lapidare
Sätze bringe», die sich für neacilines eignen, und trabte sie gut übersetzt ins Aus¬
land. Einmal ist in dert Propaganda keinmal. Selbst an richtig erkannten Schwäche¬
punkten der feindlichen öffentlichen Meinung läßt sich nur Bresche schießen, wenn
man sie immer wieder mit demselben Gedanken betrommelt. Die Parole ist also,
dem Feind wenige, scharf durchdachte und pointierte Leitsätze so lange einzudäm¬
mern und einzubläuen, bis er nicht mehr gegen sie ankann. Der Sprechkam¬
pagne muß durch Bücher nachgeholfen werden. Am allerwirksmnsten wäre es,
wenn die Regierung der Propaganda ex cainoclra sekundierte. Die crux unseres.
Verhältnisses zum Angelsachsentum bildet die belgische Frage. Ließe sich sagen,
daß wir Belgien nicht annektieren wollen, die besetzten Teile aber - wegen mög¬
licher Bedrohung des besetzten Gebietes in.Frankreich - erst nach Abschluß der
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