Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Viertes Vierteljahr.Vom Weihnachtsbüchertisch Ein großes und großartiges Werk der Heimatliebe, das ihm so bald keiner Bleiben wir bei den lebenswarmen Dokumenten! Da bringt der Verlag Mit einem schmetternden Marsche gehts vom Kirchhofe heim, denn das Auf den Weihnachtstisch muß ich dann noch seinen freilich ein wenig Vom Weihnachtsbüchertisch Ein großes und großartiges Werk der Heimatliebe, das ihm so bald keiner Bleiben wir bei den lebenswarmen Dokumenten! Da bringt der Verlag Mit einem schmetternden Marsche gehts vom Kirchhofe heim, denn das Auf den Weihnachtstisch muß ich dann noch seinen freilich ein wenig <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0288" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/339837"/> <fw type="header" place="top"> Vom Weihnachtsbüchertisch</fw><lb/> <p xml:id="ID_1165"> Ein großes und großartiges Werk der Heimatliebe, das ihm so bald keiner<lb/> nachmachen wird, schuf Hans Freiherr von Hammer se ein in dem<lb/> wundervollen Ritterroman aus dem 16. Jahrhundert „Ritter, Tod und Teufel"<lb/> (bei C. F. Amelang, Leipzig), von ihm selber bescheidentlich nur ein „Bilderbuch"<lb/> benannt. Hammerstein, einer von den weniger genannten Poeten, aber einer<lb/> voll Sturm und Drang wie wenige — sein Faschingroman „Februar" zählt zu<lb/> den besten, die ich je gelesen habe — hat die alten Nürnberger Fehdeurkunden<lb/> gar gründlich studiert, weiß in den alten Ritterschaften gehörig Bescheid. Aber<lb/> auch die Volkspoesie des späten Mittelalters ist ihm durchaus bekannt und streut<lb/> ihre holden Blüten über den rauhen Text. Die Minne leuchtet. Das Leben<lb/> blüht. Und wie es aus diesen 433 Seiten erblüht, die der Verlag zu einem so<lb/> heilende und geschmackvoll ausgestatteten Buche vereinigt hat. Soll ich denn Namen<lb/> aus dem Buche nennen? Ulrich von Huttenl Pirkheimer und Dürer! Wer<lb/> das alte dunkle, aus dem Düster aufbegehrende Deutschland wieder kennen lernen<lb/> und lieben will, der lese dieses Buch eines echten Poeten, der ein feiner Kultur-<lb/> Historiker ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_1166"> Bleiben wir bei den lebenswarmen Dokumenten! Da bringt der Verlag<lb/> G. Grote in Berlin ein Buch heraus, das herzlich begeistern und innig wehmütig<lb/> stimmen wird, letzte Dokumente von Ludwig Ganghofe r, herausgegeben<lb/> von Ludwig Thoma, der nun auch bereits am Tegernsee unter dein grünen<lb/> Nasen ruht, neben Ganghofer. Letzte Dokumente sind's ja nur noch, alle jene<lb/> Bruchstücke unvollendeter, oft kaum begonnenrr Arbeiten, welche liebende Freundes¬<lb/> hand hier als dichterischen Nachlaß für die grosze Ganghofergemeinde sammelt,<lb/> und mit herzlichem Geleitwort hinausgab. Und heute schon schlafen beide Freunde,<lb/> ganze Kerle beide, nebeneinander den ewigen Schlaf. Da ist von einem Roman<lb/> zu lesen, den Ganghofer einmal über die Erlebnisse und Empfindungen eines<lb/> Hirsches schreiben wollte. Wie sehr charakterisiert ihn das! Und bann das Buch<lb/> der Berge .... Es bricht mitten im Satze ab. — All die vielen, vielen Tausende,<lb/> welche Ganghofer liebgehabt haben, werden wehmutsvoll noch einmal eine letzte<lb/> Begegnung mit dem toten, unvergessenen Dichter suchen, wie sie dies schöne Buch,<lb/> betitelt „Das wilde Jahr" vermittelt, und sie mögen dabei des Vermittlers Thoma<lb/> gedenken, der inzwischen gleichfalls still und schnell von uns ging. Wie Ganghofer<lb/> zu Tode verwundet von der gewandelten Zeit.'</p><lb/> <p xml:id="ID_1167"> Mit einem schmetternden Marsche gehts vom Kirchhofe heim, denn das<lb/> Leben allein hat Recht. So will ich die heutige Reihe nach kundgetaner Wehmut<lb/> um verlorene Dichter beschließen mit einem kräftigen Tusch des brausenden Lebens.<lb/> Joseph von Lau ff bläst ihn, auch einer von den Glückskindern der ver<lb/> flossenen Ära, aber einer der da ein vollsaftiger Körner ist, wo er in seinem<lb/> Vaterlande, am Nisderrhein wurzelt und dichtet, wie eben jetzt wieder im neuen<lb/> Roman vom Niederrhein „Sinter Klaus". Die wir nur noch mit wehen<lb/> Empfindungen unserer Brüder im besetzten rheinischen Gebiet zu gedenken<lb/> vermögen, wir werden hier von einem frischen Winde ausgebeutelt, daß die Augen<lb/> klarblicken und die Herzen hell schlagen. Hei, sind das echte Kerle und deftige<lb/> Weiber, die Laufs hinmalt — ist das ein rechtes und in jedem Zuge dem Er¬<lb/> leben abgelauschtes Leben, das dieses Buch durchatmet. Lese es am heiligen<lb/> Nikolausabend, wenn die Stürme ums Haus tosen und berauscht euch mit mir<lb/> an der strotzenden Sinnenfreude Lauffs.</p><lb/> <p xml:id="ID_1168"> Auf den Weihnachtstisch muß ich dann noch seinen freilich ein wenig<lb/> besänftigter einherschreitenden Landsmann Paul Grahem empfehlen, dessen<lb/> Bücher jetzt allgemein mächtig in die Mode kommen. Darum brachte auch<lb/> Grsthlein K Co., Leipzig deren eine ganze Reihe in neuen Auslagen heraus, so<lb/> im zwanzigsten Tausend den Roman von deutscher Arbeit „Die vom Rauben<lb/> Grund", eine Dichtung über das große Staubecken im Siegtale, also eine höchst<lb/> zeitgemäße poetische Verklärung unserer rastlos vorwärts drängenden Industrie.<lb/> Wie sich gerade ihr unsere besten Erzähler mehr und mehr anfühlen, das zu<lb/> erkennen, ist eine wahre Freude.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0288]
Vom Weihnachtsbüchertisch
Ein großes und großartiges Werk der Heimatliebe, das ihm so bald keiner
nachmachen wird, schuf Hans Freiherr von Hammer se ein in dem
wundervollen Ritterroman aus dem 16. Jahrhundert „Ritter, Tod und Teufel"
(bei C. F. Amelang, Leipzig), von ihm selber bescheidentlich nur ein „Bilderbuch"
benannt. Hammerstein, einer von den weniger genannten Poeten, aber einer
voll Sturm und Drang wie wenige — sein Faschingroman „Februar" zählt zu
den besten, die ich je gelesen habe — hat die alten Nürnberger Fehdeurkunden
gar gründlich studiert, weiß in den alten Ritterschaften gehörig Bescheid. Aber
auch die Volkspoesie des späten Mittelalters ist ihm durchaus bekannt und streut
ihre holden Blüten über den rauhen Text. Die Minne leuchtet. Das Leben
blüht. Und wie es aus diesen 433 Seiten erblüht, die der Verlag zu einem so
heilende und geschmackvoll ausgestatteten Buche vereinigt hat. Soll ich denn Namen
aus dem Buche nennen? Ulrich von Huttenl Pirkheimer und Dürer! Wer
das alte dunkle, aus dem Düster aufbegehrende Deutschland wieder kennen lernen
und lieben will, der lese dieses Buch eines echten Poeten, der ein feiner Kultur-
Historiker ist.
Bleiben wir bei den lebenswarmen Dokumenten! Da bringt der Verlag
G. Grote in Berlin ein Buch heraus, das herzlich begeistern und innig wehmütig
stimmen wird, letzte Dokumente von Ludwig Ganghofe r, herausgegeben
von Ludwig Thoma, der nun auch bereits am Tegernsee unter dein grünen
Nasen ruht, neben Ganghofer. Letzte Dokumente sind's ja nur noch, alle jene
Bruchstücke unvollendeter, oft kaum begonnenrr Arbeiten, welche liebende Freundes¬
hand hier als dichterischen Nachlaß für die grosze Ganghofergemeinde sammelt,
und mit herzlichem Geleitwort hinausgab. Und heute schon schlafen beide Freunde,
ganze Kerle beide, nebeneinander den ewigen Schlaf. Da ist von einem Roman
zu lesen, den Ganghofer einmal über die Erlebnisse und Empfindungen eines
Hirsches schreiben wollte. Wie sehr charakterisiert ihn das! Und bann das Buch
der Berge .... Es bricht mitten im Satze ab. — All die vielen, vielen Tausende,
welche Ganghofer liebgehabt haben, werden wehmutsvoll noch einmal eine letzte
Begegnung mit dem toten, unvergessenen Dichter suchen, wie sie dies schöne Buch,
betitelt „Das wilde Jahr" vermittelt, und sie mögen dabei des Vermittlers Thoma
gedenken, der inzwischen gleichfalls still und schnell von uns ging. Wie Ganghofer
zu Tode verwundet von der gewandelten Zeit.'
Mit einem schmetternden Marsche gehts vom Kirchhofe heim, denn das
Leben allein hat Recht. So will ich die heutige Reihe nach kundgetaner Wehmut
um verlorene Dichter beschließen mit einem kräftigen Tusch des brausenden Lebens.
Joseph von Lau ff bläst ihn, auch einer von den Glückskindern der ver
flossenen Ära, aber einer der da ein vollsaftiger Körner ist, wo er in seinem
Vaterlande, am Nisderrhein wurzelt und dichtet, wie eben jetzt wieder im neuen
Roman vom Niederrhein „Sinter Klaus". Die wir nur noch mit wehen
Empfindungen unserer Brüder im besetzten rheinischen Gebiet zu gedenken
vermögen, wir werden hier von einem frischen Winde ausgebeutelt, daß die Augen
klarblicken und die Herzen hell schlagen. Hei, sind das echte Kerle und deftige
Weiber, die Laufs hinmalt — ist das ein rechtes und in jedem Zuge dem Er¬
leben abgelauschtes Leben, das dieses Buch durchatmet. Lese es am heiligen
Nikolausabend, wenn die Stürme ums Haus tosen und berauscht euch mit mir
an der strotzenden Sinnenfreude Lauffs.
Auf den Weihnachtstisch muß ich dann noch seinen freilich ein wenig
besänftigter einherschreitenden Landsmann Paul Grahem empfehlen, dessen
Bücher jetzt allgemein mächtig in die Mode kommen. Darum brachte auch
Grsthlein K Co., Leipzig deren eine ganze Reihe in neuen Auslagen heraus, so
im zwanzigsten Tausend den Roman von deutscher Arbeit „Die vom Rauben
Grund", eine Dichtung über das große Staubecken im Siegtale, also eine höchst
zeitgemäße poetische Verklärung unserer rastlos vorwärts drängenden Industrie.
Wie sich gerade ihr unsere besten Erzähler mehr und mehr anfühlen, das zu
erkennen, ist eine wahre Freude.
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