Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Viertes Vierteljahr.Anüafi'chrnng und Politik Ludendorff erläutert dann, warum die O. H. L. in Brest-Litowsk eingreifen mußte Von höchstem Interesse sind Ludendorffs Ausführungen zum Friedens- Die Politik, nicht die Kriegführung, hat uns dorthin geführt, wo wir.heute Anüafi'chrnng und Politik Ludendorff erläutert dann, warum die O. H. L. in Brest-Litowsk eingreifen mußte Von höchstem Interesse sind Ludendorffs Ausführungen zum Friedens- Die Politik, nicht die Kriegführung, hat uns dorthin geführt, wo wir.heute <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0247" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/339796"/> <fw type="header" place="top"> Anüafi'chrnng und Politik</fw><lb/> <p xml:id="ID_964" prev="#ID_963"> Ludendorff erläutert dann, warum die O. H. L. in Brest-Litowsk eingreifen mußte<lb/> und zeigt uns den Schaden der schleppenden Verhandlungen für die Kriegführung.<lb/> Divisionen, die im Westen dringend für die große Offensive gebraucht wurde»,<lb/> mußten im Osten belassen werden.</p><lb/> <p xml:id="ID_965"> Von höchstem Interesse sind Ludendorffs Ausführungen zum Friedens-<lb/> nnd Wäffenstillstandsangebot, nachdem er vorher auf die verschiedenen Versuche,<lb/> durch neutrale Vermittlung zum Frieden zu kommen, eingegangen ist. Auch hier<lb/> sehen wir wieder ein gänzliches Mißverstehen von Politik und Kriegführung.<lb/> So kam der August und September. Die Kriegslage legte der deutschen O. H. L.<lb/> als oberster Kriegsleituug eine noch nie dagewesene Verantwortung auf. Die bis¬<lb/> herigen Versuche, zu Besprechungen mit dein Feinde zu kommen, hatten keinen<lb/> Erfolg gehabt. Deutschland konnte jetzt »ur Frieden erhalten, wenn es sich<lb/> mit einem Antrage unmittelbar an den Feind wandte. Über den ungeheuren<lb/> Ernst dieses Schrittes diesem Feinde gegenüber war sich die O. H. L. im klaren,<lb/> sie kam zu ihm nach reiflicher überlegnng und nicht als Folge eines Nvrv,en.<lb/> zusainmeubruchS des Generals Ludendorff. Sie machte das Friedensangebot aber<lb/> von einer Bedingung abhängig, und diese lautete: - „Gleichzeitig mit dein<lb/> Friedensangebot muß eine geschlossene Front in der Heimat erstehen, die erkennen<lb/> läßt, daß der unbeugsame Wille besteht, den Krieg fortzusetzen, wenn der Feind<lb/> uns keinen Frieden oder nur einen demütigender Frieden geben will." Diese<lb/> Bedingung wurde maßgebend für das weitere Verhalten der O. H. L. gegen¬<lb/> über der Friedensfrage und für ihre» schließlichen Entschluß zum Weiterkämpfen.<lb/> Von einem jähen Stimmungswechsel der O. H. L. in dieser Beziehung kann keine<lb/> Rede sein. Das Kriegskabinett des Prinzen Max von Baden hatte zu zeigen,<lb/> daß es diesen Namen verdiente, aber eS versagte noch kläglicher als die ihr voran¬<lb/> gegangenen Regierungen. Deutlich kam es immer mehr zum Ausdruck, daß den<lb/> Männern »in Scheideman», Erzberger usw. nicht die nationale Verteidigung<lb/> und das Wohl des Vaterlandes am Herzen lagen, sondern daß es ihnen in erster<lb/> Linie um die Durchführung ihrer eigensüchtigen Interessen ankam. Einmal zur<lb/> Macht gekommen, fielen sie der Kriegführung endgültig in den Rücken. Lüde»<lb/> dvrff, der ihnen noch das einzigste Hindernis ans ihrem verhängnisvollen Wege<lb/> schien, mußte weg. Was danach kam, ist noch zu bekannt, als daß hierauf näher<lb/> eingegangen zu werden braucht. Der politischen Kapitulation folgte die mili¬<lb/> tärische.</p><lb/> <p xml:id="ID_966" next="#ID_967"> Die Politik, nicht die Kriegführung, hat uns dorthin geführt, wo wir.heute<lb/> stehen. Der Krieg war seit dem Scheitern unserer letzten großen Offensive und<lb/> dem Durchbruch amerikanisch-französischer Divisionen im August 1918 nicht mehr<lb/> zu gewinnen, das steht außer Zweifel. Hütte sich das deutsche Volk und seine<lb/> Politische Leitung jedoch ermannt, der Grundbedingung der O. H. L. für die Her¬<lb/> ausgabe des Waffenstillstandsangebots an unsere Feinde zu folgen, wir wären<lb/> jetzt, auch wenn wir damals nach gewaltigsten Anstrengungen - - in Ehren<lb/> vor der Übermacht die Waffen gestreckt hätten, ein geschlossenes Volk. Wir konn¬<lb/> ten den Krieg verlieren, durften es aber nie unter den Erscheinungen tun, die<lb/> eintraten. Daß sie eintraten, verdankt das deutsche Volk der Politik. Während<lb/> starker Feind von außen auftürmte, hielten die Unabhängigen, die Mehrheits-<lb/> sozialdemokraten und die Demokraten aller Schattierungen die Zeit für ge-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0247]
Anüafi'chrnng und Politik
Ludendorff erläutert dann, warum die O. H. L. in Brest-Litowsk eingreifen mußte
und zeigt uns den Schaden der schleppenden Verhandlungen für die Kriegführung.
Divisionen, die im Westen dringend für die große Offensive gebraucht wurde»,
mußten im Osten belassen werden.
Von höchstem Interesse sind Ludendorffs Ausführungen zum Friedens-
nnd Wäffenstillstandsangebot, nachdem er vorher auf die verschiedenen Versuche,
durch neutrale Vermittlung zum Frieden zu kommen, eingegangen ist. Auch hier
sehen wir wieder ein gänzliches Mißverstehen von Politik und Kriegführung.
So kam der August und September. Die Kriegslage legte der deutschen O. H. L.
als oberster Kriegsleituug eine noch nie dagewesene Verantwortung auf. Die bis¬
herigen Versuche, zu Besprechungen mit dein Feinde zu kommen, hatten keinen
Erfolg gehabt. Deutschland konnte jetzt »ur Frieden erhalten, wenn es sich
mit einem Antrage unmittelbar an den Feind wandte. Über den ungeheuren
Ernst dieses Schrittes diesem Feinde gegenüber war sich die O. H. L. im klaren,
sie kam zu ihm nach reiflicher überlegnng und nicht als Folge eines Nvrv,en.
zusainmeubruchS des Generals Ludendorff. Sie machte das Friedensangebot aber
von einer Bedingung abhängig, und diese lautete: - „Gleichzeitig mit dein
Friedensangebot muß eine geschlossene Front in der Heimat erstehen, die erkennen
läßt, daß der unbeugsame Wille besteht, den Krieg fortzusetzen, wenn der Feind
uns keinen Frieden oder nur einen demütigender Frieden geben will." Diese
Bedingung wurde maßgebend für das weitere Verhalten der O. H. L. gegen¬
über der Friedensfrage und für ihre» schließlichen Entschluß zum Weiterkämpfen.
Von einem jähen Stimmungswechsel der O. H. L. in dieser Beziehung kann keine
Rede sein. Das Kriegskabinett des Prinzen Max von Baden hatte zu zeigen,
daß es diesen Namen verdiente, aber eS versagte noch kläglicher als die ihr voran¬
gegangenen Regierungen. Deutlich kam es immer mehr zum Ausdruck, daß den
Männern »in Scheideman», Erzberger usw. nicht die nationale Verteidigung
und das Wohl des Vaterlandes am Herzen lagen, sondern daß es ihnen in erster
Linie um die Durchführung ihrer eigensüchtigen Interessen ankam. Einmal zur
Macht gekommen, fielen sie der Kriegführung endgültig in den Rücken. Lüde»
dvrff, der ihnen noch das einzigste Hindernis ans ihrem verhängnisvollen Wege
schien, mußte weg. Was danach kam, ist noch zu bekannt, als daß hierauf näher
eingegangen zu werden braucht. Der politischen Kapitulation folgte die mili¬
tärische.
Die Politik, nicht die Kriegführung, hat uns dorthin geführt, wo wir.heute
stehen. Der Krieg war seit dem Scheitern unserer letzten großen Offensive und
dem Durchbruch amerikanisch-französischer Divisionen im August 1918 nicht mehr
zu gewinnen, das steht außer Zweifel. Hütte sich das deutsche Volk und seine
Politische Leitung jedoch ermannt, der Grundbedingung der O. H. L. für die Her¬
ausgabe des Waffenstillstandsangebots an unsere Feinde zu folgen, wir wären
jetzt, auch wenn wir damals nach gewaltigsten Anstrengungen - - in Ehren
vor der Übermacht die Waffen gestreckt hätten, ein geschlossenes Volk. Wir konn¬
ten den Krieg verlieren, durften es aber nie unter den Erscheinungen tun, die
eintraten. Daß sie eintraten, verdankt das deutsche Volk der Politik. Während
starker Feind von außen auftürmte, hielten die Unabhängigen, die Mehrheits-
sozialdemokraten und die Demokraten aller Schattierungen die Zeit für ge-
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