Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Viertes Vierteljahr.eintrat." Mit diesen kurzen Sätzen kennzeichnet Ludendorff in treffender Das Versagen der politischen Leitung mußte um so fühlbarer werden, als an eintrat." Mit diesen kurzen Sätzen kennzeichnet Ludendorff in treffender Das Versagen der politischen Leitung mußte um so fühlbarer werden, als an <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0243" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/339792"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_956" prev="#ID_955"> eintrat." Mit diesen kurzen Sätzen kennzeichnet Ludendorff in treffender<lb/> Weise das ganze Versagen der politischen Leitung bei Vorbereitung des großen<lb/> Krieges. Die Regierung Bethmnnn Hollwegs hatte vollständig die Lehren des<lb/> Bismarckschen Zeitalters und die Zusammenhange der inneren Politik mit der<lb/> äußeren vergessen. Wie unserer äußeren Politik Wille und Blick fehlten, so<lb/> war es an erster Stelle innerpolitischen Rücksichten zuzuschreiben, wenn die Politik<lb/> nicht die Kraft zu großzügigen Hcercsvorlagen fand. Sie forderte, was sie im<lb/> Reichstage durchzubringen für möglich hielt, nicht was notwendig war, bis endlich<lb/> Un2 der Generalstab entscheidend drängte. Sie prägte das Wort „keine Ausgabe<lb/> ohne Deckung". Sie verkroch sich hinter ihm und fand in ihrem Unvermögen,<lb/> nicht den Mut, den Kampf mit dem Reichstage aufzunehmen, oder neue Deckungs-<lb/> mittel, die in reichstem Massze vorhanden waren, zu erschließen. Die Regierung<lb/> versank in dem kleinlichen Schlamm der inneren Politik. Sie unterwarf sich ganz<lb/> dem entnervenden Einfluß des deutschen Parlamentarismus und trieb in ihrer<lb/> Abhängigkeit vom Reichstage schließlich auch eine innere Politik, die das Volk<lb/> nicht für den bevorstehenden Entscheidnngskampf kräftigte, sondern der Stärkung<lb/> des Staates und der Regierungsgewalt znwiderlief. Ludendorff zeigt uns dann,<lb/> wie die Politische Leitung, anstatt sich im Frieden wie Bismarck in der bewaff¬<lb/> neten Wehrmacht das Mittel zur Durchführung ihrer Politik zu verschaffen, es<lb/> den militärischen Stellen überließ, Aushilfen zu schaffen, wie aber anch diese da¬<lb/> bei nicht einheitlich handelten und wie schließlich die deutsche Flotte teilweise im<lb/> Gegensatz zur Politik und auf Kosten des Heeres entstand. Die Wehrkraft unseres<lb/> Volkes, die besondere Stärke, die uns die Natur verliehen, unser starker Be¬<lb/> völkerungszuwachs, wurde in ganz ungenügender Weise ausgenutzt. Jede plan¬<lb/> mäßige Mobilmachung des gesamten Volks- und Wirtschaftslebens für den Da-<lb/> ieinskmnpf unter straffer, einheitlicher Leitung des Reichskanzlers fehlte. Außen¬<lb/> politisch, innenpolitisch, wirtschaftspolitisch und militärisch gänzlich ungenügend<lb/> vorbereitet, führte die deutsche politische Leitung Dentschland in den Krieg, und<lb/> sie fand auch in diesem nicht die Kraft, die Unterlassungen der Vorkriegszeit nach¬<lb/> zuholen. Es hat sich bitter gerächt. Unsere schwache außenpolitische Stellung, die<lb/> Nichtausnutzung unserer Wehrkraft und die Zustände im Deutschen Reich und Volk<lb/> haben in ihrer Gesamtheit die Begehrlichkeit unserer Gegner und ihre Kriegslust<lb/> gestärkt, sie haben uns zusammen mit den Mißgriffen und dem Unvermögen der<lb/> Politik bei Kriegsausbruch den Fluch der Schuld am Kriege eingetragen, die<lb/> Marneschlacht aber wäre trotz der begangenen rein militärischen Fehler anders ver¬<lb/> laufen. Diese ungeheure Schuld der Regierung des Reichskanzlers v. Bethmann<lb/> zieht sich wie ein roter Faden durch die gesamte Kriegführung bis zum Friedens¬<lb/> schluß. In der gleichen Weise wie Ludendorff urteilt auch der französische General¬<lb/> stabschef, General Buat, der in seinem Buche „Die deutsche Armee im Weltkriege"<lb/> schreibt: „Das Wunder an der Marne wäre unmöglich, der Angriff bei Upern,<lb/> wo Deutschland die Blüte seiner Jugend opferte, wäre unnötig gewesen, wenn<lb/> Deutschland schon im Frieden seine ungeheure Menschenkraft für den Krieg bereit¬<lb/> gestellt hätte."</p><lb/> <p xml:id="ID_957" next="#ID_958"> Das Versagen der politischen Leitung mußte um so fühlbarer werden, als an<lb/> die Spitze der Obersten Heeresleitung unter dein General v. Falkenhayn eine<lb/> KriegMrung trat, die nach Ludendorffs Ansicht ebenfalls das wahre Wesen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0243]
eintrat." Mit diesen kurzen Sätzen kennzeichnet Ludendorff in treffender
Weise das ganze Versagen der politischen Leitung bei Vorbereitung des großen
Krieges. Die Regierung Bethmnnn Hollwegs hatte vollständig die Lehren des
Bismarckschen Zeitalters und die Zusammenhange der inneren Politik mit der
äußeren vergessen. Wie unserer äußeren Politik Wille und Blick fehlten, so
war es an erster Stelle innerpolitischen Rücksichten zuzuschreiben, wenn die Politik
nicht die Kraft zu großzügigen Hcercsvorlagen fand. Sie forderte, was sie im
Reichstage durchzubringen für möglich hielt, nicht was notwendig war, bis endlich
Un2 der Generalstab entscheidend drängte. Sie prägte das Wort „keine Ausgabe
ohne Deckung". Sie verkroch sich hinter ihm und fand in ihrem Unvermögen,
nicht den Mut, den Kampf mit dem Reichstage aufzunehmen, oder neue Deckungs-
mittel, die in reichstem Massze vorhanden waren, zu erschließen. Die Regierung
versank in dem kleinlichen Schlamm der inneren Politik. Sie unterwarf sich ganz
dem entnervenden Einfluß des deutschen Parlamentarismus und trieb in ihrer
Abhängigkeit vom Reichstage schließlich auch eine innere Politik, die das Volk
nicht für den bevorstehenden Entscheidnngskampf kräftigte, sondern der Stärkung
des Staates und der Regierungsgewalt znwiderlief. Ludendorff zeigt uns dann,
wie die Politische Leitung, anstatt sich im Frieden wie Bismarck in der bewaff¬
neten Wehrmacht das Mittel zur Durchführung ihrer Politik zu verschaffen, es
den militärischen Stellen überließ, Aushilfen zu schaffen, wie aber anch diese da¬
bei nicht einheitlich handelten und wie schließlich die deutsche Flotte teilweise im
Gegensatz zur Politik und auf Kosten des Heeres entstand. Die Wehrkraft unseres
Volkes, die besondere Stärke, die uns die Natur verliehen, unser starker Be¬
völkerungszuwachs, wurde in ganz ungenügender Weise ausgenutzt. Jede plan¬
mäßige Mobilmachung des gesamten Volks- und Wirtschaftslebens für den Da-
ieinskmnpf unter straffer, einheitlicher Leitung des Reichskanzlers fehlte. Außen¬
politisch, innenpolitisch, wirtschaftspolitisch und militärisch gänzlich ungenügend
vorbereitet, führte die deutsche politische Leitung Dentschland in den Krieg, und
sie fand auch in diesem nicht die Kraft, die Unterlassungen der Vorkriegszeit nach¬
zuholen. Es hat sich bitter gerächt. Unsere schwache außenpolitische Stellung, die
Nichtausnutzung unserer Wehrkraft und die Zustände im Deutschen Reich und Volk
haben in ihrer Gesamtheit die Begehrlichkeit unserer Gegner und ihre Kriegslust
gestärkt, sie haben uns zusammen mit den Mißgriffen und dem Unvermögen der
Politik bei Kriegsausbruch den Fluch der Schuld am Kriege eingetragen, die
Marneschlacht aber wäre trotz der begangenen rein militärischen Fehler anders ver¬
laufen. Diese ungeheure Schuld der Regierung des Reichskanzlers v. Bethmann
zieht sich wie ein roter Faden durch die gesamte Kriegführung bis zum Friedens¬
schluß. In der gleichen Weise wie Ludendorff urteilt auch der französische General¬
stabschef, General Buat, der in seinem Buche „Die deutsche Armee im Weltkriege"
schreibt: „Das Wunder an der Marne wäre unmöglich, der Angriff bei Upern,
wo Deutschland die Blüte seiner Jugend opferte, wäre unnötig gewesen, wenn
Deutschland schon im Frieden seine ungeheure Menschenkraft für den Krieg bereit¬
gestellt hätte."
Das Versagen der politischen Leitung mußte um so fühlbarer werden, als an
die Spitze der Obersten Heeresleitung unter dein General v. Falkenhayn eine
KriegMrung trat, die nach Ludendorffs Ansicht ebenfalls das wahre Wesen
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