Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Viertes Vierteljahr.lveltsxiegel zielt werden soll. Und noch viel weniger wird Frankreich einer Revision des Am Vorabend der Washingtoner Konferenz sind Stimmen wie die des Weltspiegel Rußland, der nahe Orient und Irland. Die Sowjetregiernng hat einen Lenin lenkt also ein. Das kann nach dem was vorhergegangen nicht über¬ lveltsxiegel zielt werden soll. Und noch viel weniger wird Frankreich einer Revision des Am Vorabend der Washingtoner Konferenz sind Stimmen wie die des Weltspiegel Rußland, der nahe Orient und Irland. Die Sowjetregiernng hat einen Lenin lenkt also ein. Das kann nach dem was vorhergegangen nicht über¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0228" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/339777"/> <fw type="header" place="top"> lveltsxiegel</fw><lb/> <p xml:id="ID_900" prev="#ID_899"> zielt werden soll. Und noch viel weniger wird Frankreich einer Revision des<lb/> Friedensvertrages und einem Abbau seines Militarismus zustimmen, wie sie Noyes<lb/> für seinen Völkerbund unter amerikanischer Führung verlangt. Die angelsächsischen<lb/> Staaten werden also andere Wege finden müssen, wenn sie die Welt sanieren<lb/> wollen, indem sie das durch sie selbst töricht zerschlagene Gleichgewicht in Europa<lb/> wiederherstellen.</p><lb/> <p xml:id="ID_901"> Am Vorabend der Washingtoner Konferenz sind Stimmen wie die des<lb/> Herrn Noyes von Interesse, weil sie zeigen, wohin die tatsächlich einmal unver¬<lb/> meidliche Entwicklung der Dinge weist, zugleich aber, wie weit die Welt noch<lb/> von einer Lösung entfernt ist und wie ratlos im Grunde die Menschheit vor sich<lb/> selber steht.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Weltspiegel</head><lb/> <p xml:id="ID_902"> Rußland, der nahe Orient und Irland. Die Sowjetregiernng hat einen<lb/> ihrer stärksten Trümpfe aus der Hand gegeben. Sie hat die russischen Vorkriegs¬<lb/> schulden anerkannt. Allerdings unter dem ausdrücklichen Vorbehalt, das; besondere<lb/> Bedingungen und Erleichterungen gewährt würden, die die Verwirklichung dieses<lb/> Versprechens möglich machen. Ferner müssen sich die Großmächte verpflichten,<lb/> jeder Aktion, die die Sicherheit (eine andere Übersetzung lautet: Unantastbarkeit)<lb/> der Sowjetrepublik und der Republik des Fernen Ostens bedroht, ein Ende zu<lb/> machen. Jede Aktion ist ein sehr umfassendes Wort, unter dem man jede nicht<lb/> nur kriegerische, sondern auch wirtschaftliche, finanzielle, ja soziale Maßnahme<lb/> verstehen kann. Ferner müssen natürlich die Großmächte die Sowjetregierung<lb/> anerkennen und mit ihr einen endgültigen Frieden abschließen. (Wie wenn dieser<lb/> Friede so ausfällt wie die im Krassin-Abkommen gewährleistete Einstellung jeder<lb/> russischen Propagandatätigkeit in Mittelasien?) Und natürlich soll mal wieder<lb/> „schleunigst" eine internationale.Konferenz zur Prüfung der „beiderseitigen" Forde¬<lb/> rungen und zur Ausarbeitung eines endgültigen Friedensvertrages einberufen<lb/> werden. Nur eine Konferenz dieser Art könne einen allgemeinen Frieden herbei¬<lb/> führen. (Wer lacht da?)</p><lb/> <p xml:id="ID_903" next="#ID_904"> Lenin lenkt also ein. Das kann nach dem was vorhergegangen nicht über¬<lb/> raschen. Er hat in seiner am 17. Oktober auf dem allgemeinen Kongreß für<lb/> politische Aufklärung gehaltenen Rede mit der ihm eigenen klarseitigen und un¬<lb/> sentimentalen Art die tiefste Ursache des Scheiterns des Kommunismus aus¬<lb/> gesprochen: „Die kommunistische Illusion besteht darin, daß ein Mensch, der<lb/> Kommunist ist, sich einbildet, er könne alle Aufgaben durch kommunistische Dekrete<lb/> lösen." A. von Freytags-Loringhoven hat in seiner sehr dankenswerten Zusammen¬<lb/> stellung „Die Entwicklung des Bolschewismus in seiner Gesetzgebung" (Halle a.S.<lb/> Verlag von Max Niemeyer 1921) mehrfach daraus hingewiesen, wie häufig solche<lb/> kommunistischen Dekrete sich mit der Wirklichkeit nicht im mindesten gedeckt haben.<lb/> Lenin ist gescheitert am Bauern, den schon Marx falsch bewertet hatte. Und er<lb/> ist gescheitert in der Eigenart der menschlichen Natur, dieser Sozialist für gut<lb/> hält (das heißt so lange sie nicht in einem Kapitalisten steckt). Er hat zugeben<lb/> müssen, daß das neue System die Industrie ruiniert hat. daß ohne Industrie<lb/> kein Proletariat ist und damit auch die Phrase von der Diktatur des Proletariats<lb/> wertlos wird. Alles übrige sind Rückzugsgefechte, deren Formulierung immerhin<lb/> das libemlisierende Bürgertum nachdenklich stimmen sollte. Die neue Wirtschafts¬<lb/> politik, so führte er aus, bedeutet in einem gewissen Umfange einen Übergang<lb/> zur Wiederherstellung des Kapitalismus. Der eigentliche Kampf, der härteste, den<lb/> wir zu bestehen haben, fängt erst an. „Wird der Kapitalismus gewinnen, so<lb/> wächst mit ihm die Produktion und damit auch das Proletariat und davon<lb/> werden wir gewinnen, denn nur auf diese Weise werden wir ein Industrie-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0228]
lveltsxiegel
zielt werden soll. Und noch viel weniger wird Frankreich einer Revision des
Friedensvertrages und einem Abbau seines Militarismus zustimmen, wie sie Noyes
für seinen Völkerbund unter amerikanischer Führung verlangt. Die angelsächsischen
Staaten werden also andere Wege finden müssen, wenn sie die Welt sanieren
wollen, indem sie das durch sie selbst töricht zerschlagene Gleichgewicht in Europa
wiederherstellen.
Am Vorabend der Washingtoner Konferenz sind Stimmen wie die des
Herrn Noyes von Interesse, weil sie zeigen, wohin die tatsächlich einmal unver¬
meidliche Entwicklung der Dinge weist, zugleich aber, wie weit die Welt noch
von einer Lösung entfernt ist und wie ratlos im Grunde die Menschheit vor sich
selber steht.
Weltspiegel
Rußland, der nahe Orient und Irland. Die Sowjetregiernng hat einen
ihrer stärksten Trümpfe aus der Hand gegeben. Sie hat die russischen Vorkriegs¬
schulden anerkannt. Allerdings unter dem ausdrücklichen Vorbehalt, das; besondere
Bedingungen und Erleichterungen gewährt würden, die die Verwirklichung dieses
Versprechens möglich machen. Ferner müssen sich die Großmächte verpflichten,
jeder Aktion, die die Sicherheit (eine andere Übersetzung lautet: Unantastbarkeit)
der Sowjetrepublik und der Republik des Fernen Ostens bedroht, ein Ende zu
machen. Jede Aktion ist ein sehr umfassendes Wort, unter dem man jede nicht
nur kriegerische, sondern auch wirtschaftliche, finanzielle, ja soziale Maßnahme
verstehen kann. Ferner müssen natürlich die Großmächte die Sowjetregierung
anerkennen und mit ihr einen endgültigen Frieden abschließen. (Wie wenn dieser
Friede so ausfällt wie die im Krassin-Abkommen gewährleistete Einstellung jeder
russischen Propagandatätigkeit in Mittelasien?) Und natürlich soll mal wieder
„schleunigst" eine internationale.Konferenz zur Prüfung der „beiderseitigen" Forde¬
rungen und zur Ausarbeitung eines endgültigen Friedensvertrages einberufen
werden. Nur eine Konferenz dieser Art könne einen allgemeinen Frieden herbei¬
führen. (Wer lacht da?)
Lenin lenkt also ein. Das kann nach dem was vorhergegangen nicht über¬
raschen. Er hat in seiner am 17. Oktober auf dem allgemeinen Kongreß für
politische Aufklärung gehaltenen Rede mit der ihm eigenen klarseitigen und un¬
sentimentalen Art die tiefste Ursache des Scheiterns des Kommunismus aus¬
gesprochen: „Die kommunistische Illusion besteht darin, daß ein Mensch, der
Kommunist ist, sich einbildet, er könne alle Aufgaben durch kommunistische Dekrete
lösen." A. von Freytags-Loringhoven hat in seiner sehr dankenswerten Zusammen¬
stellung „Die Entwicklung des Bolschewismus in seiner Gesetzgebung" (Halle a.S.
Verlag von Max Niemeyer 1921) mehrfach daraus hingewiesen, wie häufig solche
kommunistischen Dekrete sich mit der Wirklichkeit nicht im mindesten gedeckt haben.
Lenin ist gescheitert am Bauern, den schon Marx falsch bewertet hatte. Und er
ist gescheitert in der Eigenart der menschlichen Natur, dieser Sozialist für gut
hält (das heißt so lange sie nicht in einem Kapitalisten steckt). Er hat zugeben
müssen, daß das neue System die Industrie ruiniert hat. daß ohne Industrie
kein Proletariat ist und damit auch die Phrase von der Diktatur des Proletariats
wertlos wird. Alles übrige sind Rückzugsgefechte, deren Formulierung immerhin
das libemlisierende Bürgertum nachdenklich stimmen sollte. Die neue Wirtschafts¬
politik, so führte er aus, bedeutet in einem gewissen Umfange einen Übergang
zur Wiederherstellung des Kapitalismus. Der eigentliche Kampf, der härteste, den
wir zu bestehen haben, fängt erst an. „Wird der Kapitalismus gewinnen, so
wächst mit ihm die Produktion und damit auch das Proletariat und davon
werden wir gewinnen, denn nur auf diese Weise werden wir ein Industrie-
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