Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Drittes Vierteljahr.Bülow, Tirpitz, Wirth und Rosen Bülow, Tirpitz, lvirth und Rosen (Lharakterstudien in deutscher Politik Rhencinns von 1. Bismarckmänner, Scheidemänner, Bethmänner jls wir um die Jahrhundertwende in das kritische Alter der jungen Innenpolitisch sah Bülow in Fortsetzung der Bismarckschen Politik die Er¬ Bülow, Tirpitz, Wirth und Rosen Bülow, Tirpitz, lvirth und Rosen (Lharakterstudien in deutscher Politik Rhencinns von 1. Bismarckmänner, Scheidemänner, Bethmänner jls wir um die Jahrhundertwende in das kritische Alter der jungen Innenpolitisch sah Bülow in Fortsetzung der Bismarckschen Politik die Er¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0099" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/339248"/> <fw type="header" place="top"> Bülow, Tirpitz, Wirth und Rosen</fw><lb/> </div> <div n="1"> <head> Bülow, Tirpitz, lvirth und Rosen<lb/> (Lharakterstudien in deutscher Politik <note type="byline"> Rhencinns</note> von</head><lb/> <div n="2"> <head> 1. Bismarckmänner, Scheidemänner, Bethmänner</head><lb/> <p xml:id="ID_326"> jls wir um die Jahrhundertwende in das kritische Alter der jungen<lb/> deutschen Macht eintraten, weil sich die lauernde Erbfeindschaft<lb/> Frankreichs und die Konkurrenzfurcht Englands unablenkbar gegen<lb/> uns vereinigten, — alles Gerede von möglichen deutsch-englischen<lb/> Bündnissen zerfließt vor den historischen Quellen in Nebel —, da<lb/> wäre das Wichtigste ein starker politischer Instinkt des ganzen deutschen Volkes<lb/> gewesen, ebenbürtig etwa dem Instinkt des französischen oder englischen Volks.<lb/> Dieser durch jahrhundertelange Kleinstaaterei vorenthaltene Instinkt ließ sich nicht<lb/> so rasch nachholen. Dafür aber hatten wir wenigstens zwei Staatsmänner, die<lb/> wußten, worauf es ankam. Es galt gegen England Macht zu schaffen und den<lb/> Ausbruch eines Krieges durch sorgfältige Ablenkung des ablenkbaren deutsch¬<lb/> russischen Gegensatzes zu verhüten. Wie dies durch Tirpitz' geniale und feste<lb/> Machtblldung, sowie durch Vülows geschmeidige und. wo es not tat, energische<lb/> Hand während des Jahrzehnts gemeinsamen Waltens beider gelang, dafür war<lb/> die Überwindung der Kriegsgefahr 1905 und 1909, sowie die steigende Sicherung<lb/> unserer Macht und Wohlfahrt Zeuge. Im Juli 1914 hätten beide Bismarck-<lb/> erben zusammen aller Wahrscheinlichkeit nach die schwere europäische Krisis ohne<lb/> Krieg gemeistert und dann wäre die Lage unseres Volkes 1921 vermutlich unter<lb/> der fortdauernden Leitung der beiden noch heute lebensfrischen Männer, der<lb/> einzigen Politiker von Wuchs in unserem Geschlecht, das Gegenbild unserer heu-<lb/> tigen Lage, und diese ein unausdenkbarer böser Traum geblieben. So wie um¬<lb/> gekehrt jetzt die Wohlfahrt der Jahre, bevor Bülow dem Reichstag zum Opfer<lb/> fiel und Tirpitz durch Kiderlen und Bethmann anfing, kaltgestellt zu werden, ein<lb/> ferner, unglaubhaft schöner Traum geworden ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_327" next="#ID_328"> Innenpolitisch sah Bülow in Fortsetzung der Bismarckschen Politik die Er¬<lb/> ziehung des unfertigen politischen Instinkts der Nation als die Hauptaufgabe an.<lb/> Er hatte darin sehr große Erfolge. Das Zentrum wie die Demokratie haben in<lb/> dem Bülowjahrzehnt, wesentlich durch seine und Tirpitz' Persönlichkeit und Politik,<lb/> die entscheidende Wendung zur Bejahung des nationalen vollzogen. Die August¬<lb/> stimmung 1914 war eine Frucht dieses Jahrzehnts, die trotz dem durch Bethmann<lb/> seit 1909 heraufbeschworenen nationalen Katzenjammer noch reifte. Als 1906 der<lb/> Unheilstifter Erzberger im Beginn seiner Quertreiberlaufbahn zum erstenmal<lb/> das Zentrum in seiner nationalen Haltung erschütterte, brachte Bülow schlagfertig<lb/> durch die Schöpfung des „Bülowblocks" die Sache in die Reihe. Der Wettlauf<lb/> von Zentrum und Freisinn, wer von beiden am raschesten und glattesten die<lb/> Flottenvorlage von 1908 bewilligen dürfe, war ein Beweis des gesundenden<lb/> politischen Instinktes der Nation. Gegen Bebel und Scheidemann hatte Bülow<lb/> nur das schroffe „Nein", statt wie Bethmann, durch verfrühte, schlaffe Kompro¬<lb/> misse mit den national noch unverständigen Klassenvertretern diese zu einer</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0099]
Bülow, Tirpitz, Wirth und Rosen
Bülow, Tirpitz, lvirth und Rosen
(Lharakterstudien in deutscher Politik Rhencinns von
1. Bismarckmänner, Scheidemänner, Bethmänner
jls wir um die Jahrhundertwende in das kritische Alter der jungen
deutschen Macht eintraten, weil sich die lauernde Erbfeindschaft
Frankreichs und die Konkurrenzfurcht Englands unablenkbar gegen
uns vereinigten, — alles Gerede von möglichen deutsch-englischen
Bündnissen zerfließt vor den historischen Quellen in Nebel —, da
wäre das Wichtigste ein starker politischer Instinkt des ganzen deutschen Volkes
gewesen, ebenbürtig etwa dem Instinkt des französischen oder englischen Volks.
Dieser durch jahrhundertelange Kleinstaaterei vorenthaltene Instinkt ließ sich nicht
so rasch nachholen. Dafür aber hatten wir wenigstens zwei Staatsmänner, die
wußten, worauf es ankam. Es galt gegen England Macht zu schaffen und den
Ausbruch eines Krieges durch sorgfältige Ablenkung des ablenkbaren deutsch¬
russischen Gegensatzes zu verhüten. Wie dies durch Tirpitz' geniale und feste
Machtblldung, sowie durch Vülows geschmeidige und. wo es not tat, energische
Hand während des Jahrzehnts gemeinsamen Waltens beider gelang, dafür war
die Überwindung der Kriegsgefahr 1905 und 1909, sowie die steigende Sicherung
unserer Macht und Wohlfahrt Zeuge. Im Juli 1914 hätten beide Bismarck-
erben zusammen aller Wahrscheinlichkeit nach die schwere europäische Krisis ohne
Krieg gemeistert und dann wäre die Lage unseres Volkes 1921 vermutlich unter
der fortdauernden Leitung der beiden noch heute lebensfrischen Männer, der
einzigen Politiker von Wuchs in unserem Geschlecht, das Gegenbild unserer heu-
tigen Lage, und diese ein unausdenkbarer böser Traum geblieben. So wie um¬
gekehrt jetzt die Wohlfahrt der Jahre, bevor Bülow dem Reichstag zum Opfer
fiel und Tirpitz durch Kiderlen und Bethmann anfing, kaltgestellt zu werden, ein
ferner, unglaubhaft schöner Traum geworden ist.
Innenpolitisch sah Bülow in Fortsetzung der Bismarckschen Politik die Er¬
ziehung des unfertigen politischen Instinkts der Nation als die Hauptaufgabe an.
Er hatte darin sehr große Erfolge. Das Zentrum wie die Demokratie haben in
dem Bülowjahrzehnt, wesentlich durch seine und Tirpitz' Persönlichkeit und Politik,
die entscheidende Wendung zur Bejahung des nationalen vollzogen. Die August¬
stimmung 1914 war eine Frucht dieses Jahrzehnts, die trotz dem durch Bethmann
seit 1909 heraufbeschworenen nationalen Katzenjammer noch reifte. Als 1906 der
Unheilstifter Erzberger im Beginn seiner Quertreiberlaufbahn zum erstenmal
das Zentrum in seiner nationalen Haltung erschütterte, brachte Bülow schlagfertig
durch die Schöpfung des „Bülowblocks" die Sache in die Reihe. Der Wettlauf
von Zentrum und Freisinn, wer von beiden am raschesten und glattesten die
Flottenvorlage von 1908 bewilligen dürfe, war ein Beweis des gesundenden
politischen Instinktes der Nation. Gegen Bebel und Scheidemann hatte Bülow
nur das schroffe „Nein", statt wie Bethmann, durch verfrühte, schlaffe Kompro¬
misse mit den national noch unverständigen Klassenvertretern diese zu einer
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |