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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Drittes Vierteljahr.

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Macht

der Macht nie um der Macht willen bediente, sondern sich stets den Ausgleich im
Innern und den Frieden nach außen zum Ziele setzte. Beispiele dafür siud die
Beilegung des preußischen Konfliktes und des Kulturkampfes, die Handhabung
des Sozialistengesetzes, der Nikolsburger und Frankfurter Friedensschluß.

"Legt die Flinte weg," so ruft der oberste Beamte des Deutschen Reiches
in die Welt hinaus. -- "Wir sind bereit, mit den amerikanischen Staatsmännern
jeden Vorschlag zur Herabsetzung der Rüstungen zu erörtern, den sie vorzu¬
bringen wünschen. Indessen verkenne ich nicht, daß die Macht zur See not¬
wendigerweise die Grundlage des gesamten Bestandes des Reiches bedeutet",
so spricht Herr Lloyd Georges auf der Londoner Reichskonferenz. -- Wer hat recht?

Man meldet, daß die "Victory", das alte Flaggschiff Nelsons, für England
das stolzeste Symbol seiner Macht, in Gefahr sei, in absehbarer Zeit zu ver¬
sinken. Es wurde beschlossen, den Schiffskörper mit einer äußeren Schutzhülle
aus Zement oder Stahl zu versehen. -- Liegt nicht auch darin ein Symbol?
England wird beides brauchen, um sein Weltreich zu erhalten, das Bindemittel,
um die Nisse in dem Bau zu verkitten, das Kampfmittel, um dem inneren Zwange
seiner Geschichte folgend, den Schritt von der Weltmacht zur Weltherrschaft
zu tun.

Uns hat man die Stahlhülle genommen, die nicht allein Schützerin, sondern
auch Schöpferin unseres staatlichen Daseins war. Macht schaffte uns die staatliche
Einheit. Unsere heutige Aufgabe ist es, durch Einheit staatliche Macht zu schaffen.
Ist neue Macht aus dem Zement wahrer Volksgemeinschaft erst da, dann wird
"der Gott, der Eisen wachsen ließ," weil er "keine Knechte wollte," schon dafür
sorgen, daß wir gemäß dem feierlich verkündeten Rechte der Selbstbestimmung
uns die Schutzhülle wählen können, die wir unseren Lebensnotwendigkeiten schul¬
dig sind.

Wir müssen zur Volksgemeinschaft kommen. Das, was uns davon trennt,
läßt sich nicht fortphilosophieren aber mildern: der Gegensatz der Klassen im
marMischenSinnedurchdiepraktischeDurchführungdessozialenGedankens preußischer
Prägung, der Gegensatz der Konfessionen durch das verbindende Bewußtsein, daß
sie in ihren nationalen Erscheinungsformen wurzeln im Heiligtum deutscher
Innerlichkeit, der Parteihader durch Anknüpfung des staatlichen Lebens an die
naturgegebenen Verbände, der Partikularismus durch Erhaltung der geschichtlich
gewordenen staatlichen Zusammenhänge und ein organisches Reifenlasseil der
Frucht "Einheitsstaat", ein Neifenlasscn, das nach einem Bismarckschen Wort
nicht dadurch beschleunigt wird, daß man eine Lampe darunter hält. Die ge¬
meinsame Arbeit wird ein weiteres Bindemittel sein, aber nicht eine Arbeit,
die das einzige Ziel hat, einem aufgepumpte" Sklavenvolk durch dreißigjährige
Frohn das nackte Leben zu erkaufen, sondern eine Arbeit, die durch den Willen
zur Macht geadelt ist. Völkische Freiheit ist keine Ware; sie ist eine sittliche Größe,
ein Persönlichkeitswert, den nur der Wille zur Macht gebiert.




Macht

der Macht nie um der Macht willen bediente, sondern sich stets den Ausgleich im
Innern und den Frieden nach außen zum Ziele setzte. Beispiele dafür siud die
Beilegung des preußischen Konfliktes und des Kulturkampfes, die Handhabung
des Sozialistengesetzes, der Nikolsburger und Frankfurter Friedensschluß.

„Legt die Flinte weg," so ruft der oberste Beamte des Deutschen Reiches
in die Welt hinaus. — „Wir sind bereit, mit den amerikanischen Staatsmännern
jeden Vorschlag zur Herabsetzung der Rüstungen zu erörtern, den sie vorzu¬
bringen wünschen. Indessen verkenne ich nicht, daß die Macht zur See not¬
wendigerweise die Grundlage des gesamten Bestandes des Reiches bedeutet",
so spricht Herr Lloyd Georges auf der Londoner Reichskonferenz. — Wer hat recht?

Man meldet, daß die „Victory", das alte Flaggschiff Nelsons, für England
das stolzeste Symbol seiner Macht, in Gefahr sei, in absehbarer Zeit zu ver¬
sinken. Es wurde beschlossen, den Schiffskörper mit einer äußeren Schutzhülle
aus Zement oder Stahl zu versehen. — Liegt nicht auch darin ein Symbol?
England wird beides brauchen, um sein Weltreich zu erhalten, das Bindemittel,
um die Nisse in dem Bau zu verkitten, das Kampfmittel, um dem inneren Zwange
seiner Geschichte folgend, den Schritt von der Weltmacht zur Weltherrschaft
zu tun.

Uns hat man die Stahlhülle genommen, die nicht allein Schützerin, sondern
auch Schöpferin unseres staatlichen Daseins war. Macht schaffte uns die staatliche
Einheit. Unsere heutige Aufgabe ist es, durch Einheit staatliche Macht zu schaffen.
Ist neue Macht aus dem Zement wahrer Volksgemeinschaft erst da, dann wird
„der Gott, der Eisen wachsen ließ," weil er „keine Knechte wollte," schon dafür
sorgen, daß wir gemäß dem feierlich verkündeten Rechte der Selbstbestimmung
uns die Schutzhülle wählen können, die wir unseren Lebensnotwendigkeiten schul¬
dig sind.

Wir müssen zur Volksgemeinschaft kommen. Das, was uns davon trennt,
läßt sich nicht fortphilosophieren aber mildern: der Gegensatz der Klassen im
marMischenSinnedurchdiepraktischeDurchführungdessozialenGedankens preußischer
Prägung, der Gegensatz der Konfessionen durch das verbindende Bewußtsein, daß
sie in ihren nationalen Erscheinungsformen wurzeln im Heiligtum deutscher
Innerlichkeit, der Parteihader durch Anknüpfung des staatlichen Lebens an die
naturgegebenen Verbände, der Partikularismus durch Erhaltung der geschichtlich
gewordenen staatlichen Zusammenhänge und ein organisches Reifenlasseil der
Frucht „Einheitsstaat", ein Neifenlasscn, das nach einem Bismarckschen Wort
nicht dadurch beschleunigt wird, daß man eine Lampe darunter hält. Die ge¬
meinsame Arbeit wird ein weiteres Bindemittel sein, aber nicht eine Arbeit,
die das einzige Ziel hat, einem aufgepumpte» Sklavenvolk durch dreißigjährige
Frohn das nackte Leben zu erkaufen, sondern eine Arbeit, die durch den Willen
zur Macht geadelt ist. Völkische Freiheit ist keine Ware; sie ist eine sittliche Größe,
ein Persönlichkeitswert, den nur der Wille zur Macht gebiert.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_339148/98>, abgerufen am 23.12.2024.