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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Drittes Vierteljahr.

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Weltspiegel

mißbraucht? Die Herren in Wiesbaden mögen sich einen noch so schönen Plan
ausgedacht haben, wenn die Landsleute Herrn Loucheurs sich nicht entschließen
können, die psychologischen und politischen Voraussetzungen für diesen Plan zu
schaffen, so wird eben der Plan nicht ausführbar sein. Diese Voraussetzungen
müssen nicht nur in Deutschland, sie müssen auch in Frankreich geschaffen werden.
Man braucht nur die französischen Kommentare zu den Wiesbadener Verhand¬
lungen zu lesen, um zu erkennen, wie wenig das bis jetzt der Fall ist und wenn
es Herrn Locheur bei der bekannten Schmiegsamkeit der Presse seines Landes
nicht gelingt, die egoistisch-wirtschaftlichen oder politisch-chauvinistischen Bedenken
gegen seine rein wirtschaftlich eingestellte Politik zum Schweigen zu bringen, so
zeigt das eben, daß auch drüben die politischen Widerstände stärker sind, als die
beiden Wirtschaftsverständigen bei ihren "nüchternen" Beratungen in Anschlag
gebracht haben mögen. Daß diese Vermutungen richtig sind, beweist unter anderem
die Äußerung der, wie seine Ausführungen über Oberschlesien beweisen, keines¬
wegs auch nicht in sozialistischen Sinn deutschfreundlichen französischen Gewerk¬
schaftsführers Jouhcmx im "Peuple", daß man den Eindruck, die Verhandlungen
über den Wiederaufbau würden französischerseits verschleppt, nicht loswerden könne. --

Während Deutschland so, an seine Grenzen geklammert, notdürftig um sein
bischen Lebensluft ringen muß, geht im nahen Orient und Stillen Ozean die
große Politik weiter. Die Griechen haben einen allerdings ganz unbestimmt ge¬
haltenen Vermittlungsvorschlag der Mächte abgelehnt. Ob auf eigenen Antrieb,
muß einstweilen dahingestellt bleiben. Wahrscheinlich ist es nicht. Eher ist denk¬
bar, daß England, so sehr es auch, um Italien und Frankreich zu fesseln und
selbständige Gegenaktionen von ihrer Seite zu hindern, den Vermittlungsvorschlag be¬
trieben haben mag, insgeheim zur Ablehnung geraten hat. Denn solange die Türken
ihre Bündnisse in Asien verstärken und das Bündnis mit Rußland aufrechterhalten,
ist seine Stellung in Konstantinopel gefährdet und wenn auch die mutigen Anatolier,
die so stark in der Verteidigung, und solange sie im Innern des Landes selbst
bleiben, sind, diese Kraft bei einem Angriff auf die alte Hauptstadt verlieren
würden (und daher schon in Bulgarien und Südslawien Bundesgenossen zu
werben suchen) und somit direkt gleich gefährlich sind, so bleibt, solange es den
Engländern nicht gelingt, die Anatolier mit Hilfe einer glücklicheren griechischen
Offensive, zu der die Griechen selbst übrigens keineswegs alle Neigung verloren
zu haben scheinen, zu einiger Bescheidenheit und zu einer im Sinne Englands
gelegenen Aussöhnung mit der Stambuler Regierung zu bringen, die Lage
doch unsicher und überaus kostspielig. Bezeichnend ist, daß das Selbstgefühl der
Kleinasiaten durch Ablehnung des zwischen Briand und Vekir Sami in London
geschlossenen Vertrags den französischen Ministerpräsidenten eine Zeitlang zwar
an die Seite Lord Curzons getrieben, daß aber Frankreich dennoch nicht auf¬
gegeben hat, seine eigenen Pläne in Kleinasien zu verfolgen. Ob allerdings der unter
der Ägide Frankreichs in Paris geschlossene und einstweilen rein platonische Vertrag
zwischen Vertretern Georgiens, Armeniens, Asserbeidschcms und der Kaukasus-
republik einen Ersatz für das Fehlschlagen der Mission des nach Angora direkt
entsandten Franklin-Bonillons bilden kann, darf füglich bezweifelt werden. Er¬
folgreicher scheint schon die französische Propaganda für ein türkisches oder zum
mindesten neutralisiertes Ostthracien werden zu können, doch werden, was die
Türken natürlich genau Nüssen, die Engländer die Konstantinopel eine so nahe
Festsetzung einer fremden Macht, die folgerichtig nur Frankreich sein könnte, wenn
irgend möglich zu verhindern suchen.

Für den Augenblick und vielleicht auch für die nächste Zukunft noch größere
Aufmerksamkeit beansprucht die Auseinandersetzung zwischen England und Amerika
einerseits und England und den Dominions andererseits über die Erneuerung des
englisch'japanischen Bündnisses. Maßgebend sind dabei nicht so sehr die auf der
britischen Reichskonferenz gehaltenen Reden, die die eigentliche Lage ja Wohl
mehr verschleiern als kennzeichnen sollen, als die Interessen der einzelnen Länder
an sich. Ein englisch-japanisches Bündnis hätte, nachdem die deutsche Kor-


Weltspiegel

mißbraucht? Die Herren in Wiesbaden mögen sich einen noch so schönen Plan
ausgedacht haben, wenn die Landsleute Herrn Loucheurs sich nicht entschließen
können, die psychologischen und politischen Voraussetzungen für diesen Plan zu
schaffen, so wird eben der Plan nicht ausführbar sein. Diese Voraussetzungen
müssen nicht nur in Deutschland, sie müssen auch in Frankreich geschaffen werden.
Man braucht nur die französischen Kommentare zu den Wiesbadener Verhand¬
lungen zu lesen, um zu erkennen, wie wenig das bis jetzt der Fall ist und wenn
es Herrn Locheur bei der bekannten Schmiegsamkeit der Presse seines Landes
nicht gelingt, die egoistisch-wirtschaftlichen oder politisch-chauvinistischen Bedenken
gegen seine rein wirtschaftlich eingestellte Politik zum Schweigen zu bringen, so
zeigt das eben, daß auch drüben die politischen Widerstände stärker sind, als die
beiden Wirtschaftsverständigen bei ihren „nüchternen" Beratungen in Anschlag
gebracht haben mögen. Daß diese Vermutungen richtig sind, beweist unter anderem
die Äußerung der, wie seine Ausführungen über Oberschlesien beweisen, keines¬
wegs auch nicht in sozialistischen Sinn deutschfreundlichen französischen Gewerk¬
schaftsführers Jouhcmx im „Peuple", daß man den Eindruck, die Verhandlungen
über den Wiederaufbau würden französischerseits verschleppt, nicht loswerden könne. —

Während Deutschland so, an seine Grenzen geklammert, notdürftig um sein
bischen Lebensluft ringen muß, geht im nahen Orient und Stillen Ozean die
große Politik weiter. Die Griechen haben einen allerdings ganz unbestimmt ge¬
haltenen Vermittlungsvorschlag der Mächte abgelehnt. Ob auf eigenen Antrieb,
muß einstweilen dahingestellt bleiben. Wahrscheinlich ist es nicht. Eher ist denk¬
bar, daß England, so sehr es auch, um Italien und Frankreich zu fesseln und
selbständige Gegenaktionen von ihrer Seite zu hindern, den Vermittlungsvorschlag be¬
trieben haben mag, insgeheim zur Ablehnung geraten hat. Denn solange die Türken
ihre Bündnisse in Asien verstärken und das Bündnis mit Rußland aufrechterhalten,
ist seine Stellung in Konstantinopel gefährdet und wenn auch die mutigen Anatolier,
die so stark in der Verteidigung, und solange sie im Innern des Landes selbst
bleiben, sind, diese Kraft bei einem Angriff auf die alte Hauptstadt verlieren
würden (und daher schon in Bulgarien und Südslawien Bundesgenossen zu
werben suchen) und somit direkt gleich gefährlich sind, so bleibt, solange es den
Engländern nicht gelingt, die Anatolier mit Hilfe einer glücklicheren griechischen
Offensive, zu der die Griechen selbst übrigens keineswegs alle Neigung verloren
zu haben scheinen, zu einiger Bescheidenheit und zu einer im Sinne Englands
gelegenen Aussöhnung mit der Stambuler Regierung zu bringen, die Lage
doch unsicher und überaus kostspielig. Bezeichnend ist, daß das Selbstgefühl der
Kleinasiaten durch Ablehnung des zwischen Briand und Vekir Sami in London
geschlossenen Vertrags den französischen Ministerpräsidenten eine Zeitlang zwar
an die Seite Lord Curzons getrieben, daß aber Frankreich dennoch nicht auf¬
gegeben hat, seine eigenen Pläne in Kleinasien zu verfolgen. Ob allerdings der unter
der Ägide Frankreichs in Paris geschlossene und einstweilen rein platonische Vertrag
zwischen Vertretern Georgiens, Armeniens, Asserbeidschcms und der Kaukasus-
republik einen Ersatz für das Fehlschlagen der Mission des nach Angora direkt
entsandten Franklin-Bonillons bilden kann, darf füglich bezweifelt werden. Er¬
folgreicher scheint schon die französische Propaganda für ein türkisches oder zum
mindesten neutralisiertes Ostthracien werden zu können, doch werden, was die
Türken natürlich genau Nüssen, die Engländer die Konstantinopel eine so nahe
Festsetzung einer fremden Macht, die folgerichtig nur Frankreich sein könnte, wenn
irgend möglich zu verhindern suchen.

Für den Augenblick und vielleicht auch für die nächste Zukunft noch größere
Aufmerksamkeit beansprucht die Auseinandersetzung zwischen England und Amerika
einerseits und England und den Dominions andererseits über die Erneuerung des
englisch'japanischen Bündnisses. Maßgebend sind dabei nicht so sehr die auf der
britischen Reichskonferenz gehaltenen Reden, die die eigentliche Lage ja Wohl
mehr verschleiern als kennzeichnen sollen, als die Interessen der einzelnen Länder
an sich. Ein englisch-japanisches Bündnis hätte, nachdem die deutsche Kor-


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[0060] Weltspiegel mißbraucht? Die Herren in Wiesbaden mögen sich einen noch so schönen Plan ausgedacht haben, wenn die Landsleute Herrn Loucheurs sich nicht entschließen können, die psychologischen und politischen Voraussetzungen für diesen Plan zu schaffen, so wird eben der Plan nicht ausführbar sein. Diese Voraussetzungen müssen nicht nur in Deutschland, sie müssen auch in Frankreich geschaffen werden. Man braucht nur die französischen Kommentare zu den Wiesbadener Verhand¬ lungen zu lesen, um zu erkennen, wie wenig das bis jetzt der Fall ist und wenn es Herrn Locheur bei der bekannten Schmiegsamkeit der Presse seines Landes nicht gelingt, die egoistisch-wirtschaftlichen oder politisch-chauvinistischen Bedenken gegen seine rein wirtschaftlich eingestellte Politik zum Schweigen zu bringen, so zeigt das eben, daß auch drüben die politischen Widerstände stärker sind, als die beiden Wirtschaftsverständigen bei ihren „nüchternen" Beratungen in Anschlag gebracht haben mögen. Daß diese Vermutungen richtig sind, beweist unter anderem die Äußerung der, wie seine Ausführungen über Oberschlesien beweisen, keines¬ wegs auch nicht in sozialistischen Sinn deutschfreundlichen französischen Gewerk¬ schaftsführers Jouhcmx im „Peuple", daß man den Eindruck, die Verhandlungen über den Wiederaufbau würden französischerseits verschleppt, nicht loswerden könne. — Während Deutschland so, an seine Grenzen geklammert, notdürftig um sein bischen Lebensluft ringen muß, geht im nahen Orient und Stillen Ozean die große Politik weiter. Die Griechen haben einen allerdings ganz unbestimmt ge¬ haltenen Vermittlungsvorschlag der Mächte abgelehnt. Ob auf eigenen Antrieb, muß einstweilen dahingestellt bleiben. Wahrscheinlich ist es nicht. Eher ist denk¬ bar, daß England, so sehr es auch, um Italien und Frankreich zu fesseln und selbständige Gegenaktionen von ihrer Seite zu hindern, den Vermittlungsvorschlag be¬ trieben haben mag, insgeheim zur Ablehnung geraten hat. Denn solange die Türken ihre Bündnisse in Asien verstärken und das Bündnis mit Rußland aufrechterhalten, ist seine Stellung in Konstantinopel gefährdet und wenn auch die mutigen Anatolier, die so stark in der Verteidigung, und solange sie im Innern des Landes selbst bleiben, sind, diese Kraft bei einem Angriff auf die alte Hauptstadt verlieren würden (und daher schon in Bulgarien und Südslawien Bundesgenossen zu werben suchen) und somit direkt gleich gefährlich sind, so bleibt, solange es den Engländern nicht gelingt, die Anatolier mit Hilfe einer glücklicheren griechischen Offensive, zu der die Griechen selbst übrigens keineswegs alle Neigung verloren zu haben scheinen, zu einiger Bescheidenheit und zu einer im Sinne Englands gelegenen Aussöhnung mit der Stambuler Regierung zu bringen, die Lage doch unsicher und überaus kostspielig. Bezeichnend ist, daß das Selbstgefühl der Kleinasiaten durch Ablehnung des zwischen Briand und Vekir Sami in London geschlossenen Vertrags den französischen Ministerpräsidenten eine Zeitlang zwar an die Seite Lord Curzons getrieben, daß aber Frankreich dennoch nicht auf¬ gegeben hat, seine eigenen Pläne in Kleinasien zu verfolgen. Ob allerdings der unter der Ägide Frankreichs in Paris geschlossene und einstweilen rein platonische Vertrag zwischen Vertretern Georgiens, Armeniens, Asserbeidschcms und der Kaukasus- republik einen Ersatz für das Fehlschlagen der Mission des nach Angora direkt entsandten Franklin-Bonillons bilden kann, darf füglich bezweifelt werden. Er¬ folgreicher scheint schon die französische Propaganda für ein türkisches oder zum mindesten neutralisiertes Ostthracien werden zu können, doch werden, was die Türken natürlich genau Nüssen, die Engländer die Konstantinopel eine so nahe Festsetzung einer fremden Macht, die folgerichtig nur Frankreich sein könnte, wenn irgend möglich zu verhindern suchen. Für den Augenblick und vielleicht auch für die nächste Zukunft noch größere Aufmerksamkeit beansprucht die Auseinandersetzung zwischen England und Amerika einerseits und England und den Dominions andererseits über die Erneuerung des englisch'japanischen Bündnisses. Maßgebend sind dabei nicht so sehr die auf der britischen Reichskonferenz gehaltenen Reden, die die eigentliche Lage ja Wohl mehr verschleiern als kennzeichnen sollen, als die Interessen der einzelnen Länder an sich. Ein englisch-japanisches Bündnis hätte, nachdem die deutsche Kor-

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Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_339148/60>, abgerufen am 24.07.2024.