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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Drittes Vierteljahr.

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Wirkungen des Krieges auf Gstasien

Amerikaner verPachter worden sei. Es scheint auch, daß die Moskaner Regierung
einen solchen Vertrag mit einem kalifornischen Bergingenieur Vanderlip auf
Grund der allgemeinen Verordnung vom 26. November 1920 betreffend die
rechtlichen und wirtschaftlichen Bedingungen für Vergebung von russischen Natnr-
reichtümern an Ausländer tatsächlich geschlossen hat. Wenigstens hat der Washing¬
toner Vertreter der Sowjetregicrung Ende November v. I. ein den Abschluß des
Vertrages betreffendes Telegramm von Tschitscherin veröffentlicht. Aber es
scheint auch, daß dieser amerikanische Bergingenieur in seiner stolzen Frende
darüber, den Russen die Ol- und Kohlenvorkommen und den Fischfang eines
so weiten Gebietes, Eisenbahnbauaufträge und Lieferungsverträge im Werte von
3 Milliarden Dollar abgerungen zu haben, nicht gemerkt hat, daß er nur eine
Figur in einem politischen Schachspiel Lenins gewesen ist, der deutlich genug
schließlich aller Welt verkündet hat, daß es ihm nnr darauf ankam, durch die Ge¬
fahr der Festlegung so bedeutender amerikanischer Wirtschaftsinteressen und durch
die damit gegebene Gelegenheit zur Schaffung einer strategischen Basis für die
Vereinigten Staaten von Amerika auf dem asiatischen Festland politische Eifer¬
sucht zwischen den Beteiligten zu erwecken, die zu einem für Sowjetrußlands
gegenwärtige wirtschaftliche Not sehr willkommenen Wettlauf um Handelsgeschäfte
mit Rußland, wenn nicht zu schwereren, für Rußlands Politik erwünschten Kon¬
flikten führen sollte. Die Ausführung jenes Konzessionsvertrages ist aber, wie
Vanderlip selbst zugibt, abhängig von der Wiederanknüpfung der Handelsbeziehun¬
gen zwischen Nußland und den Vereinigten Staaten oder, wie deren Regierung
es auslegt, von der Anerkennung der Sowjetregierung, und um alle bei der
russischen Bevölkerung aufgekommenen Befürchtungen, die Nüteregierung ver¬
schachere Bodenschätze des heiligen russischen Landes, zu entkräften, hat Lenin,
nachdem er seinen Zweck, die Unternehmer des Auslandes zu Geschäftsverbindun¬
gen mit Rußland anzureizen, erreicht hatte, bei Abberufung des Vertreters der
Sowjetregierung in Washington Ende v. I. durch Tschitscherin erklären lassen^
daß alle Käufe von Amerikanern und Konzessionen an Amerikaner als nichtig zu
betrachten seien. Aber schon dieser drohende amerikanische Eingriff in Ostsibirien
hat einen Protest der japanischen Regierung hervorgerufen, in dem hervorgehoben
wurde, daß es sich um eiuen Eingriff in lebenswichtige, auf geographischen und
anderen Bedingungen beruhende Interessen der Japaner handele.

Das Bild, in dem Ostsibirien sich uns heute zeigt, ist nach alledem
weder glänzend noch klar. Selbst nachdem der militärische Kampf dort ciugcstM
oder unterbrochen worden ist, herrscht dort noch keine Ruhe. Die ganze Meeres¬
küste und die wichtigsten Verkehrsadern sind von japanischen Truppen besetzt.
Auch der Außenhandel ist hauptsächlich in japanischen Händen. Wieviel die
Japaner von Ostsibiriens Bodenschätzen in ihre Gewalt gebracht haben und ob
Md wieviel davon sie jemals werden ausnutzen können, ist heute kaum festzu¬
stellen. Wir wissen, daß sie in die Flußschiffahrt auf dein Sungari und dem Amur
eingedrungen sind, wenn sie diese nicht überhaupt beherrschen. Wir wissen, daß
sie die Herren der reichen Fischgründe Ostsibiriens sind, daß sie die Forsten aus¬
beuten, sich um Bergbaurechtc bewerben und daß sie soviel Grund und Boden wie
ihnen möglich war, direkt oder indirekt zu erwerben gesucht haben. Wir wissen,
daß die ostsibirische Industrie darniederlieZt und daß sie schon vor dem Kriege


Wirkungen des Krieges auf Gstasien

Amerikaner verPachter worden sei. Es scheint auch, daß die Moskaner Regierung
einen solchen Vertrag mit einem kalifornischen Bergingenieur Vanderlip auf
Grund der allgemeinen Verordnung vom 26. November 1920 betreffend die
rechtlichen und wirtschaftlichen Bedingungen für Vergebung von russischen Natnr-
reichtümern an Ausländer tatsächlich geschlossen hat. Wenigstens hat der Washing¬
toner Vertreter der Sowjetregicrung Ende November v. I. ein den Abschluß des
Vertrages betreffendes Telegramm von Tschitscherin veröffentlicht. Aber es
scheint auch, daß dieser amerikanische Bergingenieur in seiner stolzen Frende
darüber, den Russen die Ol- und Kohlenvorkommen und den Fischfang eines
so weiten Gebietes, Eisenbahnbauaufträge und Lieferungsverträge im Werte von
3 Milliarden Dollar abgerungen zu haben, nicht gemerkt hat, daß er nur eine
Figur in einem politischen Schachspiel Lenins gewesen ist, der deutlich genug
schließlich aller Welt verkündet hat, daß es ihm nnr darauf ankam, durch die Ge¬
fahr der Festlegung so bedeutender amerikanischer Wirtschaftsinteressen und durch
die damit gegebene Gelegenheit zur Schaffung einer strategischen Basis für die
Vereinigten Staaten von Amerika auf dem asiatischen Festland politische Eifer¬
sucht zwischen den Beteiligten zu erwecken, die zu einem für Sowjetrußlands
gegenwärtige wirtschaftliche Not sehr willkommenen Wettlauf um Handelsgeschäfte
mit Rußland, wenn nicht zu schwereren, für Rußlands Politik erwünschten Kon¬
flikten führen sollte. Die Ausführung jenes Konzessionsvertrages ist aber, wie
Vanderlip selbst zugibt, abhängig von der Wiederanknüpfung der Handelsbeziehun¬
gen zwischen Nußland und den Vereinigten Staaten oder, wie deren Regierung
es auslegt, von der Anerkennung der Sowjetregierung, und um alle bei der
russischen Bevölkerung aufgekommenen Befürchtungen, die Nüteregierung ver¬
schachere Bodenschätze des heiligen russischen Landes, zu entkräften, hat Lenin,
nachdem er seinen Zweck, die Unternehmer des Auslandes zu Geschäftsverbindun¬
gen mit Rußland anzureizen, erreicht hatte, bei Abberufung des Vertreters der
Sowjetregierung in Washington Ende v. I. durch Tschitscherin erklären lassen^
daß alle Käufe von Amerikanern und Konzessionen an Amerikaner als nichtig zu
betrachten seien. Aber schon dieser drohende amerikanische Eingriff in Ostsibirien
hat einen Protest der japanischen Regierung hervorgerufen, in dem hervorgehoben
wurde, daß es sich um eiuen Eingriff in lebenswichtige, auf geographischen und
anderen Bedingungen beruhende Interessen der Japaner handele.

Das Bild, in dem Ostsibirien sich uns heute zeigt, ist nach alledem
weder glänzend noch klar. Selbst nachdem der militärische Kampf dort ciugcstM
oder unterbrochen worden ist, herrscht dort noch keine Ruhe. Die ganze Meeres¬
küste und die wichtigsten Verkehrsadern sind von japanischen Truppen besetzt.
Auch der Außenhandel ist hauptsächlich in japanischen Händen. Wieviel die
Japaner von Ostsibiriens Bodenschätzen in ihre Gewalt gebracht haben und ob
Md wieviel davon sie jemals werden ausnutzen können, ist heute kaum festzu¬
stellen. Wir wissen, daß sie in die Flußschiffahrt auf dein Sungari und dem Amur
eingedrungen sind, wenn sie diese nicht überhaupt beherrschen. Wir wissen, daß
sie die Herren der reichen Fischgründe Ostsibiriens sind, daß sie die Forsten aus¬
beuten, sich um Bergbaurechtc bewerben und daß sie soviel Grund und Boden wie
ihnen möglich war, direkt oder indirekt zu erwerben gesucht haben. Wir wissen,
daß die ostsibirische Industrie darniederlieZt und daß sie schon vor dem Kriege


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[0046] Wirkungen des Krieges auf Gstasien Amerikaner verPachter worden sei. Es scheint auch, daß die Moskaner Regierung einen solchen Vertrag mit einem kalifornischen Bergingenieur Vanderlip auf Grund der allgemeinen Verordnung vom 26. November 1920 betreffend die rechtlichen und wirtschaftlichen Bedingungen für Vergebung von russischen Natnr- reichtümern an Ausländer tatsächlich geschlossen hat. Wenigstens hat der Washing¬ toner Vertreter der Sowjetregicrung Ende November v. I. ein den Abschluß des Vertrages betreffendes Telegramm von Tschitscherin veröffentlicht. Aber es scheint auch, daß dieser amerikanische Bergingenieur in seiner stolzen Frende darüber, den Russen die Ol- und Kohlenvorkommen und den Fischfang eines so weiten Gebietes, Eisenbahnbauaufträge und Lieferungsverträge im Werte von 3 Milliarden Dollar abgerungen zu haben, nicht gemerkt hat, daß er nur eine Figur in einem politischen Schachspiel Lenins gewesen ist, der deutlich genug schließlich aller Welt verkündet hat, daß es ihm nnr darauf ankam, durch die Ge¬ fahr der Festlegung so bedeutender amerikanischer Wirtschaftsinteressen und durch die damit gegebene Gelegenheit zur Schaffung einer strategischen Basis für die Vereinigten Staaten von Amerika auf dem asiatischen Festland politische Eifer¬ sucht zwischen den Beteiligten zu erwecken, die zu einem für Sowjetrußlands gegenwärtige wirtschaftliche Not sehr willkommenen Wettlauf um Handelsgeschäfte mit Rußland, wenn nicht zu schwereren, für Rußlands Politik erwünschten Kon¬ flikten führen sollte. Die Ausführung jenes Konzessionsvertrages ist aber, wie Vanderlip selbst zugibt, abhängig von der Wiederanknüpfung der Handelsbeziehun¬ gen zwischen Nußland und den Vereinigten Staaten oder, wie deren Regierung es auslegt, von der Anerkennung der Sowjetregierung, und um alle bei der russischen Bevölkerung aufgekommenen Befürchtungen, die Nüteregierung ver¬ schachere Bodenschätze des heiligen russischen Landes, zu entkräften, hat Lenin, nachdem er seinen Zweck, die Unternehmer des Auslandes zu Geschäftsverbindun¬ gen mit Rußland anzureizen, erreicht hatte, bei Abberufung des Vertreters der Sowjetregierung in Washington Ende v. I. durch Tschitscherin erklären lassen^ daß alle Käufe von Amerikanern und Konzessionen an Amerikaner als nichtig zu betrachten seien. Aber schon dieser drohende amerikanische Eingriff in Ostsibirien hat einen Protest der japanischen Regierung hervorgerufen, in dem hervorgehoben wurde, daß es sich um eiuen Eingriff in lebenswichtige, auf geographischen und anderen Bedingungen beruhende Interessen der Japaner handele. Das Bild, in dem Ostsibirien sich uns heute zeigt, ist nach alledem weder glänzend noch klar. Selbst nachdem der militärische Kampf dort ciugcstM oder unterbrochen worden ist, herrscht dort noch keine Ruhe. Die ganze Meeres¬ küste und die wichtigsten Verkehrsadern sind von japanischen Truppen besetzt. Auch der Außenhandel ist hauptsächlich in japanischen Händen. Wieviel die Japaner von Ostsibiriens Bodenschätzen in ihre Gewalt gebracht haben und ob Md wieviel davon sie jemals werden ausnutzen können, ist heute kaum festzu¬ stellen. Wir wissen, daß sie in die Flußschiffahrt auf dein Sungari und dem Amur eingedrungen sind, wenn sie diese nicht überhaupt beherrschen. Wir wissen, daß sie die Herren der reichen Fischgründe Ostsibiriens sind, daß sie die Forsten aus¬ beuten, sich um Bergbaurechtc bewerben und daß sie soviel Grund und Boden wie ihnen möglich war, direkt oder indirekt zu erwerben gesucht haben. Wir wissen, daß die ostsibirische Industrie darniederlieZt und daß sie schon vor dem Kriege

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_339148/46>, abgerufen am 23.12.2024.