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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Drittes Vierteljahr.

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Neichssxiegel

Reichsspiegel

Das Ergebnis des Münchener Parteitages der Deutschnationalen Volkspartei.
Wie im ersten Novemberheft 1920 dieser Zeitschrift ein Rückblick auf den Partei¬
tag von Hannover gegeben wurde, so erscheint es gerade in diesen aufgeregten
Zeitläuften, die nur Verworrenes im Verworrenen "spiegeln, nötig, das Wesent¬
liche der großen Münchener Tagung der Deutschnationalen Volkspartei vom 31.
August bis 3. September d. I. noch einmal herauszustellen, zumal da die vom
der Neichsregierung geförderte Erregung unseres öffentlichen Lebens auch wesent¬
liche Eindrücke leicht verschüttet.

Man könnte an der Riesentagnng mit ihren über 2500 Teilnehmern, mit ihrer
verwirrenden Fülle von Einzelveranstaltungen der Berufsgruppen, mit ihren zum
Teil Zu ausgedehnten und die Ausn ahn efäbigkeit der Hörer über Gebühr in Anspruch
nehmenden Reden, mit ihrer darum zweifellos zu kurz gekommenen Erörterung
manches tadeln. Wichtigste Referate, wie das des Münchener Gelehrten!
Gruber über die völkische Frage vom Standpunkt des Rassenhygienikers,
oder das von Prof. Otto Hoetzsch über die völkisch-nationale Erneuerung
und die Ostmarken sind ausgefallen, in der "völkischen Frage" ist
man zu keinem Abschluß, sondern nur wieder zu einem Aufschub ge¬
kommen und hat folgende Entschließung angenommen: "Der Parteitag steht ein¬
mütig auf dem Boden des deutschvölkischen Bekenntnisses. Die Prüfung, welche
Folgerungen hieraus für die Grundsätze und Satzungen der Partei, insbesondere
hinsichtlich der Frage einer schärferen Fassung der Satzungsbestimmungen über
die Mitgliedschaft zu ziehen sind, wird einem sofort zu wählenden Ausschuß von
neun Mitgliedern zur Berichterstattung auf dem nächsten Vertretertag, und zwar
binnen drei Monaten, überwiesen. Diesem Ausschuß werden alle an den Partei¬
tag gerichteten Anträge zur deutschvölkischen Frage überwiesen." Man kam"
daran zweifeln, ob der Parteitag die Gefahr der von den Gegnern beabsichtigten
zersplitternden Parole der vor uns liegenden wirtschaftlichen Notzeit: Hie Kon¬
sument, hie Produzent -- klar genug' gesehen hat. Man kann bedauern, daß
der Faden der eigenen Parolen von Hannover her, der Ritters von der deutschen
Volksgemeinschaft und der Lambachs von der positiven Sozialpolitik der Partei
nicht genügend weiter gesponnen worden ist. Man kann sich endlich fragen, ob
die einleitend von dem Parteworsitzenden gegebenen Parolen des Münchener Partei¬
tages: Offensiver Kampf um die Wahrheit (Schuldfrage, Kriegsverbrechcn, Gegen¬
liste) -- Völkische Selbstbehauptung, die Grenzmark als Erzieher -- Freiheits¬
kampf der deutschen Wirtschaft -- wenigstens in ihrem letzten Teile in den Refe¬
raten des Präsidenten des Reichswirtschaftsrates Edlen v. Braun und des Staats¬
sekretärs Helfferich voll ausgeschöpft und zu genügend positiven Vorschlägen ver¬
dichtet worden sind, -- und doch wird man bei aller Skepsis, bei aller Ehrlich¬
keit und Nüchternheit der Beurteilung und auch aus der Distanz einiger Wochen
von dem Parteitage zu dem Ergebnis kommen: auch München bedeutete, wie vor¬
her Berlin und Hannover, einen starken Fortschritt der Partei in Zielsetzung,
innerer Geschlossenheit und tieferer Begründung.

Es war ein besonderer Glücksfall, daß man sich lange vor dem Tode Erz-
bergers und der knebelnden Verordnung des Reichspräsidenten vom 29. August
für München als Tagungsort entschieden und damit einen Boden gewonnen hatte,
auf dem man frei und ungehindert sprechen und inmitten dieser schönen Stadt und
eines kerndeutschen Volkes so recht seines Volkstums von Herzen froh werden
konnte. Und wenn ich oben sagte, die Tagesereignisse haben den Eindruck von
München verwischt, so hob andererseits die politische Erregung und das Gefühl,
in einem unerhörten Maße angegriffen und verdächtigt zu werden, die Stim¬
mung zu der festen Entschlossenheit, sich nicht zu Unvorsichtigkeiten provozieren,
aber auch nicht erschrecken und einschüchtern zu lassen, sondern seine Pflicht zu
tun und, nötigenfalls unter Opfern und Leiden, zusammenzustehen. Nicht um
der Partei willen, nicht im Hinblick auf die Partei; denn daß diese wie der


Neichssxiegel

Reichsspiegel

Das Ergebnis des Münchener Parteitages der Deutschnationalen Volkspartei.
Wie im ersten Novemberheft 1920 dieser Zeitschrift ein Rückblick auf den Partei¬
tag von Hannover gegeben wurde, so erscheint es gerade in diesen aufgeregten
Zeitläuften, die nur Verworrenes im Verworrenen "spiegeln, nötig, das Wesent¬
liche der großen Münchener Tagung der Deutschnationalen Volkspartei vom 31.
August bis 3. September d. I. noch einmal herauszustellen, zumal da die vom
der Neichsregierung geförderte Erregung unseres öffentlichen Lebens auch wesent¬
liche Eindrücke leicht verschüttet.

Man könnte an der Riesentagnng mit ihren über 2500 Teilnehmern, mit ihrer
verwirrenden Fülle von Einzelveranstaltungen der Berufsgruppen, mit ihren zum
Teil Zu ausgedehnten und die Ausn ahn efäbigkeit der Hörer über Gebühr in Anspruch
nehmenden Reden, mit ihrer darum zweifellos zu kurz gekommenen Erörterung
manches tadeln. Wichtigste Referate, wie das des Münchener Gelehrten!
Gruber über die völkische Frage vom Standpunkt des Rassenhygienikers,
oder das von Prof. Otto Hoetzsch über die völkisch-nationale Erneuerung
und die Ostmarken sind ausgefallen, in der „völkischen Frage" ist
man zu keinem Abschluß, sondern nur wieder zu einem Aufschub ge¬
kommen und hat folgende Entschließung angenommen: „Der Parteitag steht ein¬
mütig auf dem Boden des deutschvölkischen Bekenntnisses. Die Prüfung, welche
Folgerungen hieraus für die Grundsätze und Satzungen der Partei, insbesondere
hinsichtlich der Frage einer schärferen Fassung der Satzungsbestimmungen über
die Mitgliedschaft zu ziehen sind, wird einem sofort zu wählenden Ausschuß von
neun Mitgliedern zur Berichterstattung auf dem nächsten Vertretertag, und zwar
binnen drei Monaten, überwiesen. Diesem Ausschuß werden alle an den Partei¬
tag gerichteten Anträge zur deutschvölkischen Frage überwiesen." Man kam»
daran zweifeln, ob der Parteitag die Gefahr der von den Gegnern beabsichtigten
zersplitternden Parole der vor uns liegenden wirtschaftlichen Notzeit: Hie Kon¬
sument, hie Produzent — klar genug' gesehen hat. Man kann bedauern, daß
der Faden der eigenen Parolen von Hannover her, der Ritters von der deutschen
Volksgemeinschaft und der Lambachs von der positiven Sozialpolitik der Partei
nicht genügend weiter gesponnen worden ist. Man kann sich endlich fragen, ob
die einleitend von dem Parteworsitzenden gegebenen Parolen des Münchener Partei¬
tages: Offensiver Kampf um die Wahrheit (Schuldfrage, Kriegsverbrechcn, Gegen¬
liste) — Völkische Selbstbehauptung, die Grenzmark als Erzieher — Freiheits¬
kampf der deutschen Wirtschaft — wenigstens in ihrem letzten Teile in den Refe¬
raten des Präsidenten des Reichswirtschaftsrates Edlen v. Braun und des Staats¬
sekretärs Helfferich voll ausgeschöpft und zu genügend positiven Vorschlägen ver¬
dichtet worden sind, — und doch wird man bei aller Skepsis, bei aller Ehrlich¬
keit und Nüchternheit der Beurteilung und auch aus der Distanz einiger Wochen
von dem Parteitage zu dem Ergebnis kommen: auch München bedeutete, wie vor¬
her Berlin und Hannover, einen starken Fortschritt der Partei in Zielsetzung,
innerer Geschlossenheit und tieferer Begründung.

Es war ein besonderer Glücksfall, daß man sich lange vor dem Tode Erz-
bergers und der knebelnden Verordnung des Reichspräsidenten vom 29. August
für München als Tagungsort entschieden und damit einen Boden gewonnen hatte,
auf dem man frei und ungehindert sprechen und inmitten dieser schönen Stadt und
eines kerndeutschen Volkes so recht seines Volkstums von Herzen froh werden
konnte. Und wenn ich oben sagte, die Tagesereignisse haben den Eindruck von
München verwischt, so hob andererseits die politische Erregung und das Gefühl,
in einem unerhörten Maße angegriffen und verdächtigt zu werden, die Stim¬
mung zu der festen Entschlossenheit, sich nicht zu Unvorsichtigkeiten provozieren,
aber auch nicht erschrecken und einschüchtern zu lassen, sondern seine Pflicht zu
tun und, nötigenfalls unter Opfern und Leiden, zusammenzustehen. Nicht um
der Partei willen, nicht im Hinblick auf die Partei; denn daß diese wie der


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[0390] Neichssxiegel Reichsspiegel Das Ergebnis des Münchener Parteitages der Deutschnationalen Volkspartei. Wie im ersten Novemberheft 1920 dieser Zeitschrift ein Rückblick auf den Partei¬ tag von Hannover gegeben wurde, so erscheint es gerade in diesen aufgeregten Zeitläuften, die nur Verworrenes im Verworrenen "spiegeln, nötig, das Wesent¬ liche der großen Münchener Tagung der Deutschnationalen Volkspartei vom 31. August bis 3. September d. I. noch einmal herauszustellen, zumal da die vom der Neichsregierung geförderte Erregung unseres öffentlichen Lebens auch wesent¬ liche Eindrücke leicht verschüttet. Man könnte an der Riesentagnng mit ihren über 2500 Teilnehmern, mit ihrer verwirrenden Fülle von Einzelveranstaltungen der Berufsgruppen, mit ihren zum Teil Zu ausgedehnten und die Ausn ahn efäbigkeit der Hörer über Gebühr in Anspruch nehmenden Reden, mit ihrer darum zweifellos zu kurz gekommenen Erörterung manches tadeln. Wichtigste Referate, wie das des Münchener Gelehrten! Gruber über die völkische Frage vom Standpunkt des Rassenhygienikers, oder das von Prof. Otto Hoetzsch über die völkisch-nationale Erneuerung und die Ostmarken sind ausgefallen, in der „völkischen Frage" ist man zu keinem Abschluß, sondern nur wieder zu einem Aufschub ge¬ kommen und hat folgende Entschließung angenommen: „Der Parteitag steht ein¬ mütig auf dem Boden des deutschvölkischen Bekenntnisses. Die Prüfung, welche Folgerungen hieraus für die Grundsätze und Satzungen der Partei, insbesondere hinsichtlich der Frage einer schärferen Fassung der Satzungsbestimmungen über die Mitgliedschaft zu ziehen sind, wird einem sofort zu wählenden Ausschuß von neun Mitgliedern zur Berichterstattung auf dem nächsten Vertretertag, und zwar binnen drei Monaten, überwiesen. Diesem Ausschuß werden alle an den Partei¬ tag gerichteten Anträge zur deutschvölkischen Frage überwiesen." Man kam» daran zweifeln, ob der Parteitag die Gefahr der von den Gegnern beabsichtigten zersplitternden Parole der vor uns liegenden wirtschaftlichen Notzeit: Hie Kon¬ sument, hie Produzent — klar genug' gesehen hat. Man kann bedauern, daß der Faden der eigenen Parolen von Hannover her, der Ritters von der deutschen Volksgemeinschaft und der Lambachs von der positiven Sozialpolitik der Partei nicht genügend weiter gesponnen worden ist. Man kann sich endlich fragen, ob die einleitend von dem Parteworsitzenden gegebenen Parolen des Münchener Partei¬ tages: Offensiver Kampf um die Wahrheit (Schuldfrage, Kriegsverbrechcn, Gegen¬ liste) — Völkische Selbstbehauptung, die Grenzmark als Erzieher — Freiheits¬ kampf der deutschen Wirtschaft — wenigstens in ihrem letzten Teile in den Refe¬ raten des Präsidenten des Reichswirtschaftsrates Edlen v. Braun und des Staats¬ sekretärs Helfferich voll ausgeschöpft und zu genügend positiven Vorschlägen ver¬ dichtet worden sind, — und doch wird man bei aller Skepsis, bei aller Ehrlich¬ keit und Nüchternheit der Beurteilung und auch aus der Distanz einiger Wochen von dem Parteitage zu dem Ergebnis kommen: auch München bedeutete, wie vor¬ her Berlin und Hannover, einen starken Fortschritt der Partei in Zielsetzung, innerer Geschlossenheit und tieferer Begründung. Es war ein besonderer Glücksfall, daß man sich lange vor dem Tode Erz- bergers und der knebelnden Verordnung des Reichspräsidenten vom 29. August für München als Tagungsort entschieden und damit einen Boden gewonnen hatte, auf dem man frei und ungehindert sprechen und inmitten dieser schönen Stadt und eines kerndeutschen Volkes so recht seines Volkstums von Herzen froh werden konnte. Und wenn ich oben sagte, die Tagesereignisse haben den Eindruck von München verwischt, so hob andererseits die politische Erregung und das Gefühl, in einem unerhörten Maße angegriffen und verdächtigt zu werden, die Stim¬ mung zu der festen Entschlossenheit, sich nicht zu Unvorsichtigkeiten provozieren, aber auch nicht erschrecken und einschüchtern zu lassen, sondern seine Pflicht zu tun und, nötigenfalls unter Opfern und Leiden, zusammenzustehen. Nicht um der Partei willen, nicht im Hinblick auf die Partei; denn daß diese wie der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_339148/390>, abgerufen am 23.12.2024.