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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Drittes Vierteljahr.

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Ans neuen Büchern

Wo dieses gegenseitige Vertrauensverhältnis hergestellt wurde, da sind
unsere großen Angriffe, die Durchbruchschlachten im Weltkriege, geglückt; da sind
jene großen Erfolge errungen, auf die unser Volk trotz des unglücklichen Aus-
ganges des Weltkrieges noch in Generationen mit Stolz blicken kann.

Und wir haben solche Artillerieführer gehabt, denen unsere Infanterie blind
vertraute, die sich auch in der eigenen 'Waffe des Ansehens erfreuten, das not¬
wendig ist, um die oft schwierigen, vielfach auf personellem Gebiet liegenden Ver¬
hältnisse zu meistern. Vielleicht der erfolgreichste und bei den anderen Waffen
Wohl bekannteste war Bruchmüller. -- Vor dem Kriege, infolge Erkrankung wäh¬
rend seiner Bätaillonskommandeurzcit, in Jnaktivität lebend, stellte er sich bei
Ausbruch des Krieges sofort wieder zur Verfügung, führte zuerst ein Landwehr¬
bataillon seiner alten Waffe, der schweren Artillerie,' erhielt darauf das Kommando
des neugebildeten Feldartillerie-Regiments Ur. 86 und wurde dann, nachdem er
sich in mehreren Schlachten in Rußland als leitender Artilleriekommandeur be¬
sonders hervorgetan, 1917 zu fast allen Angriffen im Bereich Oberost heran¬
gezogen, um dann vom Herbst 1917 ab nach unmittelbarer Anordnung der O. H. L.
ini Westen als artilleristischer Berater von Armeen und Heeresgruppen ausschlag¬
gebenden Einfluß auf die großen Entscheidungskampfe zu gewinnen.

Es ist daher besonders zu begrüßen, daß gerade ein solcher Mann seine viel¬
seitigen Erfahrungen der Allgemeinheit zugänglich gemacht hat, wenn naturgemäß
auch in erster Linie der Artillerist, aber auch der Truppenführer aus seinem Buche
vielseitige Belehrung schöpfen kann. Der Inhalt des Buches trägt eine ausge¬
prägt persönliche Note. Es sind seine Erfahrungen, die er darin niederlegt,
seine artilleristischen Anschauungen, die er dort vorträgt. Das Studium des
Buches war mir deshalb besonders interessant, weil ich während des Krieges zwar
oft von dem "Schema" gehört hatte, das Bruchmüller stets mit gleichem Erfolge
bei seinen artilleristischen Angriffen anwende, selbst aber leider nie in die Lage
gekommen bin, an einem der von ihm geleiteten Artillerieangriffe teilzunehmen.
Doch vielleicht ist es gut so. Denn leicht war es für'den höheren Artilleriebefehls¬
haber nicht, sich in einen Artillerieangriff einzufügen, den Bruchmüller leitete.
Für ihn war die ganze für den betr. Angriff zur Verfügung gestellte Artillerie
eine Einheit, die er zu diesem bestimmten Zwecke formte und gestaltete ohne Rück¬
sicht auf ihre bisherige Organisation, auf ihre bisherige Zusammengehörigkeit.
Die Artilleriekommandeure der am Angriff beteiligten Divisionen, mochten sie
älter oder jünger sein wie er, waren für ihn nur "Figuren, die er nach Bedarf
hier oder dort verwendete. Sie erhielten Gruppen, sei es "Ika", sei es "Aka",
bei deren Zusammensetzung auf die bisher ihnen unterstellt gewesenen Formatio¬
nen wenig Rücksicht genommen wurde. Sie erhielten bis in das Einzelne ver¬
fügende Artilleriebefehle, die ihnen so gut wie jede Selbständigkeit nahmen und
sie allerdings der Mühe überhoben, sich den eigenen Kopf zerbrechen zu müssen.
Für selbständige Naturen, die eigene artilleristische Erfahrungen und Ansichten
haben, keine kleine Aufgabe! Sie erforderte .große Selbstverleugnung, die, wie
sich auch aus dem Buche ergibt, nicht jeder zu üben imstande war. Dann mußte
er eben weichen. Im Interesse des Ganzen ist eine einheitliche Verwendung der
Artillerie notwendig; doch glaube ich, daß dabei nicht so nachhaltig in die Be¬
fehlsbefugnis der einzelnen Artillerieführer eingegriffen werden muß, wie es nun
einmal das "Schema Bruchmüller" mit sich brachte. Der Erfolg spricht für ihn
und sein Verfahren. Aber es gehört dazu auch ein Mann, ivie es Brüchmüllcr
war, von eisernem Willen, unermüdlichem Fleiß und unbedingtem Vertrauen
in sein artilleristisches Können. Dabei getragen von dem unerschütterlichen Ver¬
trauen der ihm vorgesetzten Truppenbefehlshaber, das er sich durch seine Erfolge
redlich erworben hatte.¬

Das Buch schildert sein Verfahren an einer Reihe von Beispielen im Rah
men einer Division, im Rahmen eines Armeekorps, im Rahmen einer Armee und
schließlich einer Heeresgruppe. Es will nicht nur gelesen, sondern studiert sein.
Ich empfehle es besonders allen denen, die einmal berufen sein können, über Ar¬
till Heinrich Servaes, Oberst a. V. erie in größeren Verbunden zu verfügen.


Ans neuen Büchern

Wo dieses gegenseitige Vertrauensverhältnis hergestellt wurde, da sind
unsere großen Angriffe, die Durchbruchschlachten im Weltkriege, geglückt; da sind
jene großen Erfolge errungen, auf die unser Volk trotz des unglücklichen Aus-
ganges des Weltkrieges noch in Generationen mit Stolz blicken kann.

Und wir haben solche Artillerieführer gehabt, denen unsere Infanterie blind
vertraute, die sich auch in der eigenen 'Waffe des Ansehens erfreuten, das not¬
wendig ist, um die oft schwierigen, vielfach auf personellem Gebiet liegenden Ver¬
hältnisse zu meistern. Vielleicht der erfolgreichste und bei den anderen Waffen
Wohl bekannteste war Bruchmüller. — Vor dem Kriege, infolge Erkrankung wäh¬
rend seiner Bätaillonskommandeurzcit, in Jnaktivität lebend, stellte er sich bei
Ausbruch des Krieges sofort wieder zur Verfügung, führte zuerst ein Landwehr¬
bataillon seiner alten Waffe, der schweren Artillerie,' erhielt darauf das Kommando
des neugebildeten Feldartillerie-Regiments Ur. 86 und wurde dann, nachdem er
sich in mehreren Schlachten in Rußland als leitender Artilleriekommandeur be¬
sonders hervorgetan, 1917 zu fast allen Angriffen im Bereich Oberost heran¬
gezogen, um dann vom Herbst 1917 ab nach unmittelbarer Anordnung der O. H. L.
ini Westen als artilleristischer Berater von Armeen und Heeresgruppen ausschlag¬
gebenden Einfluß auf die großen Entscheidungskampfe zu gewinnen.

Es ist daher besonders zu begrüßen, daß gerade ein solcher Mann seine viel¬
seitigen Erfahrungen der Allgemeinheit zugänglich gemacht hat, wenn naturgemäß
auch in erster Linie der Artillerist, aber auch der Truppenführer aus seinem Buche
vielseitige Belehrung schöpfen kann. Der Inhalt des Buches trägt eine ausge¬
prägt persönliche Note. Es sind seine Erfahrungen, die er darin niederlegt,
seine artilleristischen Anschauungen, die er dort vorträgt. Das Studium des
Buches war mir deshalb besonders interessant, weil ich während des Krieges zwar
oft von dem „Schema" gehört hatte, das Bruchmüller stets mit gleichem Erfolge
bei seinen artilleristischen Angriffen anwende, selbst aber leider nie in die Lage
gekommen bin, an einem der von ihm geleiteten Artillerieangriffe teilzunehmen.
Doch vielleicht ist es gut so. Denn leicht war es für'den höheren Artilleriebefehls¬
haber nicht, sich in einen Artillerieangriff einzufügen, den Bruchmüller leitete.
Für ihn war die ganze für den betr. Angriff zur Verfügung gestellte Artillerie
eine Einheit, die er zu diesem bestimmten Zwecke formte und gestaltete ohne Rück¬
sicht auf ihre bisherige Organisation, auf ihre bisherige Zusammengehörigkeit.
Die Artilleriekommandeure der am Angriff beteiligten Divisionen, mochten sie
älter oder jünger sein wie er, waren für ihn nur "Figuren, die er nach Bedarf
hier oder dort verwendete. Sie erhielten Gruppen, sei es „Ika", sei es „Aka",
bei deren Zusammensetzung auf die bisher ihnen unterstellt gewesenen Formatio¬
nen wenig Rücksicht genommen wurde. Sie erhielten bis in das Einzelne ver¬
fügende Artilleriebefehle, die ihnen so gut wie jede Selbständigkeit nahmen und
sie allerdings der Mühe überhoben, sich den eigenen Kopf zerbrechen zu müssen.
Für selbständige Naturen, die eigene artilleristische Erfahrungen und Ansichten
haben, keine kleine Aufgabe! Sie erforderte .große Selbstverleugnung, die, wie
sich auch aus dem Buche ergibt, nicht jeder zu üben imstande war. Dann mußte
er eben weichen. Im Interesse des Ganzen ist eine einheitliche Verwendung der
Artillerie notwendig; doch glaube ich, daß dabei nicht so nachhaltig in die Be¬
fehlsbefugnis der einzelnen Artillerieführer eingegriffen werden muß, wie es nun
einmal das „Schema Bruchmüller" mit sich brachte. Der Erfolg spricht für ihn
und sein Verfahren. Aber es gehört dazu auch ein Mann, ivie es Brüchmüllcr
war, von eisernem Willen, unermüdlichem Fleiß und unbedingtem Vertrauen
in sein artilleristisches Können. Dabei getragen von dem unerschütterlichen Ver¬
trauen der ihm vorgesetzten Truppenbefehlshaber, das er sich durch seine Erfolge
redlich erworben hatte.¬

Das Buch schildert sein Verfahren an einer Reihe von Beispielen im Rah
men einer Division, im Rahmen eines Armeekorps, im Rahmen einer Armee und
schließlich einer Heeresgruppe. Es will nicht nur gelesen, sondern studiert sein.
Ich empfehle es besonders allen denen, die einmal berufen sein können, über Ar¬
till Heinrich Servaes, Oberst a. V. erie in größeren Verbunden zu verfügen.


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[0389] Ans neuen Büchern Wo dieses gegenseitige Vertrauensverhältnis hergestellt wurde, da sind unsere großen Angriffe, die Durchbruchschlachten im Weltkriege, geglückt; da sind jene großen Erfolge errungen, auf die unser Volk trotz des unglücklichen Aus- ganges des Weltkrieges noch in Generationen mit Stolz blicken kann. Und wir haben solche Artillerieführer gehabt, denen unsere Infanterie blind vertraute, die sich auch in der eigenen 'Waffe des Ansehens erfreuten, das not¬ wendig ist, um die oft schwierigen, vielfach auf personellem Gebiet liegenden Ver¬ hältnisse zu meistern. Vielleicht der erfolgreichste und bei den anderen Waffen Wohl bekannteste war Bruchmüller. — Vor dem Kriege, infolge Erkrankung wäh¬ rend seiner Bätaillonskommandeurzcit, in Jnaktivität lebend, stellte er sich bei Ausbruch des Krieges sofort wieder zur Verfügung, führte zuerst ein Landwehr¬ bataillon seiner alten Waffe, der schweren Artillerie,' erhielt darauf das Kommando des neugebildeten Feldartillerie-Regiments Ur. 86 und wurde dann, nachdem er sich in mehreren Schlachten in Rußland als leitender Artilleriekommandeur be¬ sonders hervorgetan, 1917 zu fast allen Angriffen im Bereich Oberost heran¬ gezogen, um dann vom Herbst 1917 ab nach unmittelbarer Anordnung der O. H. L. ini Westen als artilleristischer Berater von Armeen und Heeresgruppen ausschlag¬ gebenden Einfluß auf die großen Entscheidungskampfe zu gewinnen. Es ist daher besonders zu begrüßen, daß gerade ein solcher Mann seine viel¬ seitigen Erfahrungen der Allgemeinheit zugänglich gemacht hat, wenn naturgemäß auch in erster Linie der Artillerist, aber auch der Truppenführer aus seinem Buche vielseitige Belehrung schöpfen kann. Der Inhalt des Buches trägt eine ausge¬ prägt persönliche Note. Es sind seine Erfahrungen, die er darin niederlegt, seine artilleristischen Anschauungen, die er dort vorträgt. Das Studium des Buches war mir deshalb besonders interessant, weil ich während des Krieges zwar oft von dem „Schema" gehört hatte, das Bruchmüller stets mit gleichem Erfolge bei seinen artilleristischen Angriffen anwende, selbst aber leider nie in die Lage gekommen bin, an einem der von ihm geleiteten Artillerieangriffe teilzunehmen. Doch vielleicht ist es gut so. Denn leicht war es für'den höheren Artilleriebefehls¬ haber nicht, sich in einen Artillerieangriff einzufügen, den Bruchmüller leitete. Für ihn war die ganze für den betr. Angriff zur Verfügung gestellte Artillerie eine Einheit, die er zu diesem bestimmten Zwecke formte und gestaltete ohne Rück¬ sicht auf ihre bisherige Organisation, auf ihre bisherige Zusammengehörigkeit. Die Artilleriekommandeure der am Angriff beteiligten Divisionen, mochten sie älter oder jünger sein wie er, waren für ihn nur "Figuren, die er nach Bedarf hier oder dort verwendete. Sie erhielten Gruppen, sei es „Ika", sei es „Aka", bei deren Zusammensetzung auf die bisher ihnen unterstellt gewesenen Formatio¬ nen wenig Rücksicht genommen wurde. Sie erhielten bis in das Einzelne ver¬ fügende Artilleriebefehle, die ihnen so gut wie jede Selbständigkeit nahmen und sie allerdings der Mühe überhoben, sich den eigenen Kopf zerbrechen zu müssen. Für selbständige Naturen, die eigene artilleristische Erfahrungen und Ansichten haben, keine kleine Aufgabe! Sie erforderte .große Selbstverleugnung, die, wie sich auch aus dem Buche ergibt, nicht jeder zu üben imstande war. Dann mußte er eben weichen. Im Interesse des Ganzen ist eine einheitliche Verwendung der Artillerie notwendig; doch glaube ich, daß dabei nicht so nachhaltig in die Be¬ fehlsbefugnis der einzelnen Artillerieführer eingegriffen werden muß, wie es nun einmal das „Schema Bruchmüller" mit sich brachte. Der Erfolg spricht für ihn und sein Verfahren. Aber es gehört dazu auch ein Mann, ivie es Brüchmüllcr war, von eisernem Willen, unermüdlichem Fleiß und unbedingtem Vertrauen in sein artilleristisches Können. Dabei getragen von dem unerschütterlichen Ver¬ trauen der ihm vorgesetzten Truppenbefehlshaber, das er sich durch seine Erfolge redlich erworben hatte.¬ Das Buch schildert sein Verfahren an einer Reihe von Beispielen im Rah men einer Division, im Rahmen eines Armeekorps, im Rahmen einer Armee und schließlich einer Heeresgruppe. Es will nicht nur gelesen, sondern studiert sein. Ich empfehle es besonders allen denen, die einmal berufen sein können, über Ar¬ till Heinrich Servaes, Oberst a. V. erie in größeren Verbunden zu verfügen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_339148/389>, abgerufen am 23.12.2024.