Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Drittes Vierteljahr.Die Politik der Lntcnte in den Jahre" ^Log bis der Türkei ankam. Dafür brauchte es freilich, das hatte Grey 1912/13 immer Selbstverständlich müssen wir uns hüten, zu viel aus dein Material heraus¬ In der Enthüllung der Methoden und Ziele der Einkreisungspolitik scheint Diese Behauptung gilt ohne Einschränkung für Frankreich und Nußland. Etwas anders stand England zur Krisgsfrage. Sein Ziel war nicht Die Politik der Lntcnte in den Jahre» ^Log bis der Türkei ankam. Dafür brauchte es freilich, das hatte Grey 1912/13 immer Selbstverständlich müssen wir uns hüten, zu viel aus dein Material heraus¬ In der Enthüllung der Methoden und Ziele der Einkreisungspolitik scheint Diese Behauptung gilt ohne Einschränkung für Frankreich und Nußland. Etwas anders stand England zur Krisgsfrage. Sein Ziel war nicht <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0312" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/339461"/> <fw type="header" place="top"> Die Politik der Lntcnte in den Jahre» ^Log bis</fw><lb/> <p xml:id="ID_1274" prev="#ID_1273"> der Türkei ankam. Dafür brauchte es freilich, das hatte Grey 1912/13 immer<lb/> wieder betont, einen plausibeln Vorwand, der die Entente nicht als angreifende,<lb/> sondern als angegriffene Partei erscheinen ließ. Deutschland hatte ihn nicht ge¬<lb/> liefert, sondern der Erhaltung des Friedens lieber ein Zukunftsintcresse geopfert.<lb/> Deshalb suchten sich die Russen einen neuen Angriffspunkt in Österreich-Ungarn.<lb/> Dieses konnte jetzt nicht mehr ausweichen, denn bei ihm handelte es sich um<lb/> unmittelbare Lebensinteressen, die es verteidigen mußte, wenn es sein staatliches<lb/> Dasein nicht aufgeben wollte. So wird Serbien gegen Österreich-Ungarn vor¬<lb/> geschoben und dieses damit vor die schicksalsschwere Frage gestellt, mit welchen<lb/> Mitteln es sich gegen die panslawistische Agitation schützen solle.</p><lb/> <p xml:id="ID_1275"> Selbstverständlich müssen wir uns hüten, zu viel aus dein Material heraus¬<lb/> zulesen. Daß die Entente oder auch nur Rußland 1914 auf alle Fälle den Krieg<lb/> habe herbeiführen wollen, läßt sich auf Grund der Siebertschen Akten nicht<lb/> erweisen. Die serbische Agitation erfüllte ihren Zweck auch dann, wenn sie Oster¬<lb/> reich Ungarn immer stärker unterwühlte und damit den von vielen erwarteten<lb/> inneren Zusammenbruch der Donaumonarchie beschleunigte, überhaupt ist der<lb/> unmittelbare Ausbruch des Krieges, die Darstellung der diplomatischen Taten und<lb/> Versäumnisse der fünf Wochen vom Morde zu Scrajewo bis zu den Kriegs¬<lb/> erklärungen, ein Abschnitt für sich. Aber die Staatsmänner der Mittelmächte und<lb/> die Völker, die ihnen mit ruhiger Entschlossenheit und gutem Gewissen gefolgt<lb/> sind, dürfen beanspruchen, daß der Druck gewürdigt werde, der seit Jahren durch<lb/> die Einkreisungspolitik aus ihnen lastete und ihre Handlungen in jenen kritischen<lb/> Wochen beeinflußte.</p><lb/> <p xml:id="ID_1276"> In der Enthüllung der Methoden und Ziele der Einkreisungspolitik scheint<lb/> mir der Wert der Siebertschen Veröffentlichung zu liegen. Die Politik der Entente<lb/> stellt sich uns dar als eine unbedingte Machtpolitik. Die eigene Macht zu er¬<lb/> weitern, die der Gegner womöglich zu schwächen, ist ihr leitender Gedanke. Sie<lb/> hat den Krieg als Mittel der Politik keineswegs verschmäht, mit ihm vielmehr<lb/> von Anfang an gerechnet (vergleiche z. B. S. 111/112 für das Frühjahr 1909) und<lb/> — das kann auf Grund der neuen Zeugnisse unbedenklich gesagt werden — ihn<lb/> seit 1912 zielbewußt vorbereitet.</p><lb/> <p xml:id="ID_1277"> Diese Behauptung gilt ohne Einschränkung für Frankreich und Nußland.<lb/> Ihre Ziele, Elsaß-Lothringen und Befreiung der Slawen, waren nur durch Krieg<lb/> zu erreichen. Und diesem Krieg sehen sie zumal seit dem Ausgang des Balkan-<lb/> krieges mit voller Zuversicht entgegen. Es soll hier nicht wiederholt werden,<lb/> was wir aus andern Quellen längst über die russischen und französischen Rüstungen<lb/> und Kriegsstimmungen wissen. Als Tatsache darf jedenfalls gelten, daß diese<lb/> beiden Mächte kriegerische Ziele verfolgt, sich mit allen Mitteln auf den Krieg<lb/> vorbereitet und Versuche, sich friedlich mit ihren Gegnern zu einigen, in den<lb/> letzten Jahren unterlassen haben.</p><lb/> <p xml:id="ID_1278" next="#ID_1279"> Etwas anders stand England zur Krisgsfrage. Sein Ziel war nicht<lb/> Deutschland reale Besitztümer wegzunehmen, sondern ihm die Zukunftsmöglich¬<lb/> keiten zu beschneiden und damit seine Konkurrenz auszuschalten. Dieses Ziel<lb/> ließ sich, wenn es gelang, Deutschland durch Einschüchterung zum Verzicht zu<lb/> bringen, allenfalls auch ohne Krieg erreichen. Dazu bedürfte es freilich eines<lb/> starken Drucks auf Deutschland, und um das dazu erforderliche Gewicht zu</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0312]
Die Politik der Lntcnte in den Jahre» ^Log bis
der Türkei ankam. Dafür brauchte es freilich, das hatte Grey 1912/13 immer
wieder betont, einen plausibeln Vorwand, der die Entente nicht als angreifende,
sondern als angegriffene Partei erscheinen ließ. Deutschland hatte ihn nicht ge¬
liefert, sondern der Erhaltung des Friedens lieber ein Zukunftsintcresse geopfert.
Deshalb suchten sich die Russen einen neuen Angriffspunkt in Österreich-Ungarn.
Dieses konnte jetzt nicht mehr ausweichen, denn bei ihm handelte es sich um
unmittelbare Lebensinteressen, die es verteidigen mußte, wenn es sein staatliches
Dasein nicht aufgeben wollte. So wird Serbien gegen Österreich-Ungarn vor¬
geschoben und dieses damit vor die schicksalsschwere Frage gestellt, mit welchen
Mitteln es sich gegen die panslawistische Agitation schützen solle.
Selbstverständlich müssen wir uns hüten, zu viel aus dein Material heraus¬
zulesen. Daß die Entente oder auch nur Rußland 1914 auf alle Fälle den Krieg
habe herbeiführen wollen, läßt sich auf Grund der Siebertschen Akten nicht
erweisen. Die serbische Agitation erfüllte ihren Zweck auch dann, wenn sie Oster¬
reich Ungarn immer stärker unterwühlte und damit den von vielen erwarteten
inneren Zusammenbruch der Donaumonarchie beschleunigte, überhaupt ist der
unmittelbare Ausbruch des Krieges, die Darstellung der diplomatischen Taten und
Versäumnisse der fünf Wochen vom Morde zu Scrajewo bis zu den Kriegs¬
erklärungen, ein Abschnitt für sich. Aber die Staatsmänner der Mittelmächte und
die Völker, die ihnen mit ruhiger Entschlossenheit und gutem Gewissen gefolgt
sind, dürfen beanspruchen, daß der Druck gewürdigt werde, der seit Jahren durch
die Einkreisungspolitik aus ihnen lastete und ihre Handlungen in jenen kritischen
Wochen beeinflußte.
In der Enthüllung der Methoden und Ziele der Einkreisungspolitik scheint
mir der Wert der Siebertschen Veröffentlichung zu liegen. Die Politik der Entente
stellt sich uns dar als eine unbedingte Machtpolitik. Die eigene Macht zu er¬
weitern, die der Gegner womöglich zu schwächen, ist ihr leitender Gedanke. Sie
hat den Krieg als Mittel der Politik keineswegs verschmäht, mit ihm vielmehr
von Anfang an gerechnet (vergleiche z. B. S. 111/112 für das Frühjahr 1909) und
— das kann auf Grund der neuen Zeugnisse unbedenklich gesagt werden — ihn
seit 1912 zielbewußt vorbereitet.
Diese Behauptung gilt ohne Einschränkung für Frankreich und Nußland.
Ihre Ziele, Elsaß-Lothringen und Befreiung der Slawen, waren nur durch Krieg
zu erreichen. Und diesem Krieg sehen sie zumal seit dem Ausgang des Balkan-
krieges mit voller Zuversicht entgegen. Es soll hier nicht wiederholt werden,
was wir aus andern Quellen längst über die russischen und französischen Rüstungen
und Kriegsstimmungen wissen. Als Tatsache darf jedenfalls gelten, daß diese
beiden Mächte kriegerische Ziele verfolgt, sich mit allen Mitteln auf den Krieg
vorbereitet und Versuche, sich friedlich mit ihren Gegnern zu einigen, in den
letzten Jahren unterlassen haben.
Etwas anders stand England zur Krisgsfrage. Sein Ziel war nicht
Deutschland reale Besitztümer wegzunehmen, sondern ihm die Zukunftsmöglich¬
keiten zu beschneiden und damit seine Konkurrenz auszuschalten. Dieses Ziel
ließ sich, wenn es gelang, Deutschland durch Einschüchterung zum Verzicht zu
bringen, allenfalls auch ohne Krieg erreichen. Dazu bedürfte es freilich eines
starken Drucks auf Deutschland, und um das dazu erforderliche Gewicht zu
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