Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Drittes Vierteljahr.Die Politik der Lnrente in den Zähren 5908 bis >>RH forderte im Parlament eine Entspannung mit um so stärkerem Nachdruck, als Inzwischen hatte nämlich Italien die Bewegung, die durch die französische Aber die Festigung des Dreibundes, die sich damit anbahnte und Ende Die Politik der Lnrente in den Zähren 5908 bis >>RH forderte im Parlament eine Entspannung mit um so stärkerem Nachdruck, als Inzwischen hatte nämlich Italien die Bewegung, die durch die französische Aber die Festigung des Dreibundes, die sich damit anbahnte und Ende <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0308" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/339457"/> <fw type="header" place="top"> Die Politik der Lnrente in den Zähren 5908 bis >>RH</fw><lb/> <p xml:id="ID_1259" prev="#ID_1258"> forderte im Parlament eine Entspannung mit um so stärkerem Nachdruck, als<lb/> gerade im Spätherbst 1911 die Russen in Persien eine den englischen Interessen<lb/> keineswegs entsprechende Politik trieben. Das sind die Umstände, die es Grey ratsam<lb/> erscheinen ließen, auf die erneuten deutschen Annäherungsversuche einzugehen und<lb/> mit der Entsendung Haldanes sogar den Anschein einer englischen Initiative zu<lb/> diesen Verhandlungen auf sich zu nehmen. Wieder sehen wir die beiden andern<lb/> Mächte des Dreiverbandes von Mißtrauen erfüllt; ihnen war jede deutsch-<lb/> englische Annäherung ein „beunruhigendes Symptom", obwohl sich die Russen<lb/> darüber klar waren, daß ein englisch-deutsches Übereinkommen nur möglich war,<lb/> wenn England darauf verzichtete, „sich der wirtschaftlichen Ausbreitung Deutsch¬<lb/> lands in allen Weltteilen und dem damit verbundenen Anwachsen seiner Handels¬<lb/> und Kriegsflotte zu widersetzen" (Seite 768) oder wenn Deutschland seine wirt¬<lb/> schaftliche Zukunft opferte. Und weil eine solche freiwillige Preisgabe der eigenen<lb/> Interessen weder England noch Deutschland zugemutet werden konnte, beurteilten<lb/> auch die Engländer die Aussichten der Mission Haldanes sehr skeptisch; dieser<lb/> selbst erwartete (Seite 754) allenfalls eine Detente, aber keine Entente, und es<lb/> ist schon aus früheren Veröffentlichungen bekannt, wie gering das Entgegenkommen<lb/> war, mit dem Haldane den Verzicht Deutschlands auf die Erweiterung des<lb/> Flottengesetzes belohnen wollte. Denn im Jahre 1912 hatte England es nicht<lb/> mehr nötig, Deutschland goldene Brücken zum Rückzug aus der Weltpolitik zu<lb/> bauen. Das Zurückweichen im Jahre 1911 hatte Deutschlands Schwäche enthüllt<lb/> und damit die Dinge ins Rollen gebracht. Seine Politik blieb noch immer<lb/> friedlich, wie auch die Engländer anerkannten (Seite 772), aber sie war nicht<lb/> mehr stark genug, die allgemeine Politik zu beeinflussen; die Zügel waren den<lb/> deutschen Staatsmännern entfallen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1260"> Inzwischen hatte nämlich Italien die Bewegung, die durch die französische<lb/> Marokkopolitit in die islamische Welt hineingetragen worden war, nach Tripolis<lb/> fortgepflanzt. Wir kennen aus einem französischen Gelbbuch schon seit geraumer<lb/> Zeit die Abmachungen, die Italien mit Frankreich wegen seiner Mittelmeerpolitik<lb/> getroffen hatte. Die Siebertschen Akten geben auch einen freilich nicht vollständigen<lb/> Einblick in die auf dem gemeinsamen Gegensatz Italiens und Rußlands gegen die<lb/> Stellung Österreich-Ungarns auf dem Balkan beruhenden italienisch-russischen Be¬<lb/> ziehungen: Im Vertrauen auf diese Vereinbarungen, die ihm freie Hand in<lb/> Tripolis zusicherten, einerseits und auf den Dreibund andererseits, dem es noch<lb/> immer angehörte, und nach dem Wunsche der Entente, die das Mißtrauen Deutsch¬<lb/> lands nicht zu früh wachrufen wollte, auch fernerhin angehören sollte, schlug<lb/> Italien im Herbst 1911 gegen die Türken in Tripolis los. Die Kompensationen,<lb/> die Deutschland für die Preisgabe Marokkos im Kongogebiet erlangt hatte,<lb/> scheinen ihm eine ausreichende Begründung dieses Vorgehens zu sein. Aber die<lb/> Entente war doch nicht so ganz mit diesem rücksichtslosen Einbruch in fremden<lb/> Besitz einverstanden. In England entrüstete sich die öffentliche Meinung, auch<lb/> Frankreich machte Schwierigkeiten, so daß sich Italien mit der traditionellen Zwie¬<lb/> spältigkeit seiner Diplomatie, wie sich der französische Minister Pichon ausdrückte,<lb/> wieder stärker an die Dreibundsfreunde anschloß.</p><lb/> <p xml:id="ID_1261" next="#ID_1262"> Aber die Festigung des Dreibundes, die sich damit anbahnte und Ende<lb/> 1912 zu einer vorzeitigen Erneuerung des erst 1914 ablaufenden Bundesvertrages</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0308]
Die Politik der Lnrente in den Zähren 5908 bis >>RH
forderte im Parlament eine Entspannung mit um so stärkerem Nachdruck, als
gerade im Spätherbst 1911 die Russen in Persien eine den englischen Interessen
keineswegs entsprechende Politik trieben. Das sind die Umstände, die es Grey ratsam
erscheinen ließen, auf die erneuten deutschen Annäherungsversuche einzugehen und
mit der Entsendung Haldanes sogar den Anschein einer englischen Initiative zu
diesen Verhandlungen auf sich zu nehmen. Wieder sehen wir die beiden andern
Mächte des Dreiverbandes von Mißtrauen erfüllt; ihnen war jede deutsch-
englische Annäherung ein „beunruhigendes Symptom", obwohl sich die Russen
darüber klar waren, daß ein englisch-deutsches Übereinkommen nur möglich war,
wenn England darauf verzichtete, „sich der wirtschaftlichen Ausbreitung Deutsch¬
lands in allen Weltteilen und dem damit verbundenen Anwachsen seiner Handels¬
und Kriegsflotte zu widersetzen" (Seite 768) oder wenn Deutschland seine wirt¬
schaftliche Zukunft opferte. Und weil eine solche freiwillige Preisgabe der eigenen
Interessen weder England noch Deutschland zugemutet werden konnte, beurteilten
auch die Engländer die Aussichten der Mission Haldanes sehr skeptisch; dieser
selbst erwartete (Seite 754) allenfalls eine Detente, aber keine Entente, und es
ist schon aus früheren Veröffentlichungen bekannt, wie gering das Entgegenkommen
war, mit dem Haldane den Verzicht Deutschlands auf die Erweiterung des
Flottengesetzes belohnen wollte. Denn im Jahre 1912 hatte England es nicht
mehr nötig, Deutschland goldene Brücken zum Rückzug aus der Weltpolitik zu
bauen. Das Zurückweichen im Jahre 1911 hatte Deutschlands Schwäche enthüllt
und damit die Dinge ins Rollen gebracht. Seine Politik blieb noch immer
friedlich, wie auch die Engländer anerkannten (Seite 772), aber sie war nicht
mehr stark genug, die allgemeine Politik zu beeinflussen; die Zügel waren den
deutschen Staatsmännern entfallen.
Inzwischen hatte nämlich Italien die Bewegung, die durch die französische
Marokkopolitit in die islamische Welt hineingetragen worden war, nach Tripolis
fortgepflanzt. Wir kennen aus einem französischen Gelbbuch schon seit geraumer
Zeit die Abmachungen, die Italien mit Frankreich wegen seiner Mittelmeerpolitik
getroffen hatte. Die Siebertschen Akten geben auch einen freilich nicht vollständigen
Einblick in die auf dem gemeinsamen Gegensatz Italiens und Rußlands gegen die
Stellung Österreich-Ungarns auf dem Balkan beruhenden italienisch-russischen Be¬
ziehungen: Im Vertrauen auf diese Vereinbarungen, die ihm freie Hand in
Tripolis zusicherten, einerseits und auf den Dreibund andererseits, dem es noch
immer angehörte, und nach dem Wunsche der Entente, die das Mißtrauen Deutsch¬
lands nicht zu früh wachrufen wollte, auch fernerhin angehören sollte, schlug
Italien im Herbst 1911 gegen die Türken in Tripolis los. Die Kompensationen,
die Deutschland für die Preisgabe Marokkos im Kongogebiet erlangt hatte,
scheinen ihm eine ausreichende Begründung dieses Vorgehens zu sein. Aber die
Entente war doch nicht so ganz mit diesem rücksichtslosen Einbruch in fremden
Besitz einverstanden. In England entrüstete sich die öffentliche Meinung, auch
Frankreich machte Schwierigkeiten, so daß sich Italien mit der traditionellen Zwie¬
spältigkeit seiner Diplomatie, wie sich der französische Minister Pichon ausdrückte,
wieder stärker an die Dreibundsfreunde anschloß.
Aber die Festigung des Dreibundes, die sich damit anbahnte und Ende
1912 zu einer vorzeitigen Erneuerung des erst 1914 ablaufenden Bundesvertrages
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