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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Drittes Vierteljahr.

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Altes und neues Heer

Der General se abshauptmann: Wer soll den linken Abschnitt
halten? Der Leite?

Der Führer: Mag in Reserve bleiben. Trau' den Leuten nicht. Leite
und Bolschewick -- sind bald dasselbe. Nur die Schattierung ist verschieden.

Der Leutnant

(meldet):
Die Goldfeldschen Reiter zu den Letten über¬
gegangen, Herr Major I Sie zahlen besser, sagen sie. Die Letten sperren die
Kaserne und lassen keinen Deutschen ein.

Der Führer: Landsknechte! . . . Geh'n Sie schlafen, Leutnant. Sie
wachen schon die dritte Nacht. Sie sind noch jung. Ich bin ein alter Mann.


Der Leutnant:
(Ab.)

Mütz noch mit meinen Leuten feiern, Herr Major!

Auf dem Turm des Schlosses.

Der baltische Baron: Was hält mich hier noch? Das Gut ist
verbrannt. Die Äcker liegen brach. Der Verwalter ermordet. Die Knechte
nahm Moskau in Sold. Meine Tochter verschleppt und meine Frau starb in
Sibirien. Zwei sonnige Jungen, blutjung und straff, sie fielen bei der Land¬
wehr. Mein stolzes Geschlecht irrt in der Welt. In Deutschland, in England,
in Dänemark. Nur ich schleiche mit ruhelosen Auge hier umher und komm' nicht
los von dir, mein kurisch Land. Du hart umkämpftes, das uns doppelt wert.
Deutsches Baltenland, wo siebenhundertjährige Wurzeln aufrechte, stolze Menschen
schufen. -- Die Welt braucht keine Herrenmenschen mehr. Die Masse triumphiert,
ihr Sklave herrscht. Wir sind ein sterbendes Geschlecht. Ja, diese Welt braucht
keine Edelleute; denn alles ist Geschäft.

Fü Der Leutnant: r die Alten Platz zum Sterben, Herr Baron. Für
die Jungen aber Kampf!

Der Hauptmann

(zögernd und sinnend am Saaleingang):
Sie haben
ja kein Vaterland. Das alte Heer -- zerbrochen, sein Halt, der Kaiser, fort.
Das neue Heer -- Soldatenhaufe einer schwanken Republik, die keiner achtet.
Woran sollen sie sich klammern? (Aus dem Saal klingt erneuter Lärm.) Nun
toben sie, sind ohne Halt. Ein Jammer um die braven Kerls! Ich will hinein
(Er betritt
und wenn's auch . . . Wir sind die einzigen, die noch Halt gebieten!
rasch den Saal. Die Musik schweigt sofort. Man hört "Achtung"-Rufe. Alle, auch Trun¬
kene, machen Front zum Hauptmann, der abolute. Es wird weiter getanzt.)

Eine Gruppe zieht singend durch den Saal und trägt den Leutnant auf den Schultern.
Sie macht beim Feldwebel Halt, der ihnen einschenkt:'

Der Schütze: Prost, Herr Leutnant, solln leben! Bin ein gemeiner
Mann. Arbeiter nur. Aber treu. Und geh' durchs Feuer. Unser Leutnant soll
l

(Bei jeden Ruf werfen
eben! Hurra! Hurra! . . . Hurra! . . . Hurra!.. .
...
sie ihn in die Höhe und fangen ihn mit den Armen auf. Dann ziehen sie singend mit ihm ab):

Wir sind die Baltikumer
Trau, trau, trala.
Und kennen keinen Kummer
Du herrliche Welt!
Des Morgens im Feld
Trau, trau, trala.


Altes und neues Heer

Der General se abshauptmann: Wer soll den linken Abschnitt
halten? Der Leite?

Der Führer: Mag in Reserve bleiben. Trau' den Leuten nicht. Leite
und Bolschewick — sind bald dasselbe. Nur die Schattierung ist verschieden.

Der Leutnant

(meldet):
Die Goldfeldschen Reiter zu den Letten über¬
gegangen, Herr Major I Sie zahlen besser, sagen sie. Die Letten sperren die
Kaserne und lassen keinen Deutschen ein.

Der Führer: Landsknechte! . . . Geh'n Sie schlafen, Leutnant. Sie
wachen schon die dritte Nacht. Sie sind noch jung. Ich bin ein alter Mann.


Der Leutnant:
(Ab.)

Mütz noch mit meinen Leuten feiern, Herr Major!

Auf dem Turm des Schlosses.

Der baltische Baron: Was hält mich hier noch? Das Gut ist
verbrannt. Die Äcker liegen brach. Der Verwalter ermordet. Die Knechte
nahm Moskau in Sold. Meine Tochter verschleppt und meine Frau starb in
Sibirien. Zwei sonnige Jungen, blutjung und straff, sie fielen bei der Land¬
wehr. Mein stolzes Geschlecht irrt in der Welt. In Deutschland, in England,
in Dänemark. Nur ich schleiche mit ruhelosen Auge hier umher und komm' nicht
los von dir, mein kurisch Land. Du hart umkämpftes, das uns doppelt wert.
Deutsches Baltenland, wo siebenhundertjährige Wurzeln aufrechte, stolze Menschen
schufen. — Die Welt braucht keine Herrenmenschen mehr. Die Masse triumphiert,
ihr Sklave herrscht. Wir sind ein sterbendes Geschlecht. Ja, diese Welt braucht
keine Edelleute; denn alles ist Geschäft.

Fü Der Leutnant: r die Alten Platz zum Sterben, Herr Baron. Für
die Jungen aber Kampf!

Der Hauptmann

(zögernd und sinnend am Saaleingang):
Sie haben
ja kein Vaterland. Das alte Heer — zerbrochen, sein Halt, der Kaiser, fort.
Das neue Heer — Soldatenhaufe einer schwanken Republik, die keiner achtet.
Woran sollen sie sich klammern? (Aus dem Saal klingt erneuter Lärm.) Nun
toben sie, sind ohne Halt. Ein Jammer um die braven Kerls! Ich will hinein
(Er betritt
und wenn's auch . . . Wir sind die einzigen, die noch Halt gebieten!
rasch den Saal. Die Musik schweigt sofort. Man hört „Achtung"-Rufe. Alle, auch Trun¬
kene, machen Front zum Hauptmann, der abolute. Es wird weiter getanzt.)

Eine Gruppe zieht singend durch den Saal und trägt den Leutnant auf den Schultern.
Sie macht beim Feldwebel Halt, der ihnen einschenkt:'

Der Schütze: Prost, Herr Leutnant, solln leben! Bin ein gemeiner
Mann. Arbeiter nur. Aber treu. Und geh' durchs Feuer. Unser Leutnant soll
l

(Bei jeden Ruf werfen
eben! Hurra! Hurra! . . . Hurra! . . . Hurra!.. .
...
sie ihn in die Höhe und fangen ihn mit den Armen auf. Dann ziehen sie singend mit ihm ab):

Wir sind die Baltikumer
Trau, trau, trala.
Und kennen keinen Kummer
Du herrliche Welt!
Des Morgens im Feld
Trau, trau, trala.


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[0293] Altes und neues Heer Der General se abshauptmann: Wer soll den linken Abschnitt halten? Der Leite? Der Führer: Mag in Reserve bleiben. Trau' den Leuten nicht. Leite und Bolschewick — sind bald dasselbe. Nur die Schattierung ist verschieden. Der Leutnant (meldet): Die Goldfeldschen Reiter zu den Letten über¬ gegangen, Herr Major I Sie zahlen besser, sagen sie. Die Letten sperren die Kaserne und lassen keinen Deutschen ein. Der Führer: Landsknechte! . . . Geh'n Sie schlafen, Leutnant. Sie wachen schon die dritte Nacht. Sie sind noch jung. Ich bin ein alter Mann. Der Leutnant: (Ab.) Mütz noch mit meinen Leuten feiern, Herr Major! Auf dem Turm des Schlosses. Der baltische Baron: Was hält mich hier noch? Das Gut ist verbrannt. Die Äcker liegen brach. Der Verwalter ermordet. Die Knechte nahm Moskau in Sold. Meine Tochter verschleppt und meine Frau starb in Sibirien. Zwei sonnige Jungen, blutjung und straff, sie fielen bei der Land¬ wehr. Mein stolzes Geschlecht irrt in der Welt. In Deutschland, in England, in Dänemark. Nur ich schleiche mit ruhelosen Auge hier umher und komm' nicht los von dir, mein kurisch Land. Du hart umkämpftes, das uns doppelt wert. Deutsches Baltenland, wo siebenhundertjährige Wurzeln aufrechte, stolze Menschen schufen. — Die Welt braucht keine Herrenmenschen mehr. Die Masse triumphiert, ihr Sklave herrscht. Wir sind ein sterbendes Geschlecht. Ja, diese Welt braucht keine Edelleute; denn alles ist Geschäft. Fü Der Leutnant: r die Alten Platz zum Sterben, Herr Baron. Für die Jungen aber Kampf! Der Hauptmann (zögernd und sinnend am Saaleingang): Sie haben ja kein Vaterland. Das alte Heer — zerbrochen, sein Halt, der Kaiser, fort. Das neue Heer — Soldatenhaufe einer schwanken Republik, die keiner achtet. Woran sollen sie sich klammern? (Aus dem Saal klingt erneuter Lärm.) Nun toben sie, sind ohne Halt. Ein Jammer um die braven Kerls! Ich will hinein (Er betritt und wenn's auch . . . Wir sind die einzigen, die noch Halt gebieten! rasch den Saal. Die Musik schweigt sofort. Man hört „Achtung"-Rufe. Alle, auch Trun¬ kene, machen Front zum Hauptmann, der abolute. Es wird weiter getanzt.) Eine Gruppe zieht singend durch den Saal und trägt den Leutnant auf den Schultern. Sie macht beim Feldwebel Halt, der ihnen einschenkt:' Der Schütze: Prost, Herr Leutnant, solln leben! Bin ein gemeiner Mann. Arbeiter nur. Aber treu. Und geh' durchs Feuer. Unser Leutnant soll l (Bei jeden Ruf werfen eben! Hurra! Hurra! . . . Hurra! . . . Hurra!.. . ... sie ihn in die Höhe und fangen ihn mit den Armen auf. Dann ziehen sie singend mit ihm ab): Wir sind die Baltikumer Trau, trau, trala. Und kennen keinen Kummer Du herrliche Welt! Des Morgens im Feld Trau, trau, trala.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_339148/293>, abgerufen am 23.12.2024.