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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Drittes Vierteljahr.

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Das Rartenspiel um Gberschlesien

fallen außerhalb des Dreiecks, Von diesen 71 Ortschaften haben 21 eine deutsche,
50 eine polnische Mehrheit ergeben. Das Korfcmtyschc Verfahren, um es kurz so
zu bezeichnen, würde also in diesem Gebiet 50 rote und 21 blaue Punkte erscheinen
lassen und damit den Eindruck der überwiegenden polnischen Mehrheit hervorrufen.
"Der polnische Wille hat sich mit 70,4 Prozent durchgesetzt," würde es vor den
mathematikfesten Ententekommissionen heißen. Aus dieser Art der Darstellung des
Abstimmungsergebnisses schöpfen die polnisch-französischen Nachrichtenbüros und
die gleichgestimmte Presse, wenn sie immer wiederholen, die unzweifelhafte pol--'
mische Mehrheit im Jndustriebezirk könne eine unbedingte Berücksichtigung ver¬
langen, ein Verbleiben des Gebietes bei Deutschland wäre eine grobe Verletzung
des in der Abstimmung zu Worte gekommenen Selbstbestimmungsrechtes,
Wie sieht es aber in Wirklichkeit ans? Wir haben zu verzeichnen

in 21 Gemeinden 156 733 deutsche und 93 850 polnische Stimmen
" 50 ., 102 133 " " 109 772
" 71 " 258 866 " " 203 622 "

In den 21 "deutschen Gemeinden" der Korfantylarte haben wir also eine starke
deutsche Mehrheit: 62,6 Prozent deutschen stehen 37,5 Prozent polnischen Stimmen
gegenüber. In den 50 "polnischen Gemeinden" ist die polnische Mehrheit dagegen nnr
recht gering: 51,8 Prozent haben sich hier für Polen und 48,2 Prozent für Deutsch¬
land erklärt. In allen 71 Gemeinden Zusammen aber haben wir 56 Prozent
deutsche und 44 Prozent polnische Stimmen, 'Die H o r f a n t y k a r t e "i a es t
glauben, das Industriegebiet habe sich für Polen entschie¬
den; die nackte unbearbeitete Stcitistik sagt: Nein, es hat
für Deutschland geht im ni! Wer hat recht? Irgendwie muß doch die
Summe der Einzelentscheidungen gebildet werden. Welche Zusammenfassung wird
der Wirklichkeit gerecht? Mehrheitsenlscheidungen sind ünmeb schmerzlich -für den,
der in der Minderheit bleibt. Aber welche Entscheidung geht mit der Vernunft
und welche geht gegen sie? Ist es recht und billig, wenn das Schicksal des Ge-
lnete's nach dem Korfautyschen Verhältnis: 50 polnische O r k s in e h r h e i t e n
gegen 21 deutsche Ortsmehrheiten entschieden wird, oder wenn die Summe
aller Stimmen des Gebietes nach dem Verhältnis ihrer beiden Teile
entscheidet? Im ersten Fall wäre der Wille von 109 772 polenfreundlichen gegen
258 866 deutschfreundliche Stimmen maßgebend; im, zweiten fiele das natürliche
Gewicht von 258 866 deutschen Stimmen gegen 203 622 polnische Stimmen in die
Wage und brächte deu Ausschlag für Deutschland zustande. Das Entweder--oder
braucht nur klar und bestimmt so ausgesprochen zu werden, und es ist sofort er¬
sichtlich, auf welche Seite die Göttin der Gerechtigkeit träte.

Wenden wir uns nun dem Abstimmungsgebiet im ganzen zu. Die Entschei¬
dung nach Ortsmehrheiten, die sie für das Industriegebiet immer wieder durch¬
zudrücken versuchen, wollen die Polen hier nicht mehr gelten lassen. Die 845
deutschen Gemeinden hätten dann eben das Übergewicht über die 691 polnischen
Gemeinden und das war doch nicht der Zweck der Abstimmungsübung. Was
aber dann? Entscheidung nach den Stimmensummen? Aber nein; im gesamten
Abstimmungsgebiet sind ja 60 Prozent deutsche und nur 40 Prozent polnische.
Stimmen gezählt worden. Da ist denn die Suche nach einem Entscheidungsgrund
nicht leicht. Man könnte sagen, wir haben für das Industriegebiet als den um-


Das Rartenspiel um Gberschlesien

fallen außerhalb des Dreiecks, Von diesen 71 Ortschaften haben 21 eine deutsche,
50 eine polnische Mehrheit ergeben. Das Korfcmtyschc Verfahren, um es kurz so
zu bezeichnen, würde also in diesem Gebiet 50 rote und 21 blaue Punkte erscheinen
lassen und damit den Eindruck der überwiegenden polnischen Mehrheit hervorrufen.
„Der polnische Wille hat sich mit 70,4 Prozent durchgesetzt," würde es vor den
mathematikfesten Ententekommissionen heißen. Aus dieser Art der Darstellung des
Abstimmungsergebnisses schöpfen die polnisch-französischen Nachrichtenbüros und
die gleichgestimmte Presse, wenn sie immer wiederholen, die unzweifelhafte pol--'
mische Mehrheit im Jndustriebezirk könne eine unbedingte Berücksichtigung ver¬
langen, ein Verbleiben des Gebietes bei Deutschland wäre eine grobe Verletzung
des in der Abstimmung zu Worte gekommenen Selbstbestimmungsrechtes,
Wie sieht es aber in Wirklichkeit ans? Wir haben zu verzeichnen

in 21 Gemeinden 156 733 deutsche und 93 850 polnische Stimmen
„ 50 ., 102 133 „ „ 109 772
„ 71 „ 258 866 „ „ 203 622 „

In den 21 „deutschen Gemeinden" der Korfantylarte haben wir also eine starke
deutsche Mehrheit: 62,6 Prozent deutschen stehen 37,5 Prozent polnischen Stimmen
gegenüber. In den 50 „polnischen Gemeinden" ist die polnische Mehrheit dagegen nnr
recht gering: 51,8 Prozent haben sich hier für Polen und 48,2 Prozent für Deutsch¬
land erklärt. In allen 71 Gemeinden Zusammen aber haben wir 56 Prozent
deutsche und 44 Prozent polnische Stimmen, 'Die H o r f a n t y k a r t e „i a es t
glauben, das Industriegebiet habe sich für Polen entschie¬
den; die nackte unbearbeitete Stcitistik sagt: Nein, es hat
für Deutschland geht im ni! Wer hat recht? Irgendwie muß doch die
Summe der Einzelentscheidungen gebildet werden. Welche Zusammenfassung wird
der Wirklichkeit gerecht? Mehrheitsenlscheidungen sind ünmeb schmerzlich -für den,
der in der Minderheit bleibt. Aber welche Entscheidung geht mit der Vernunft
und welche geht gegen sie? Ist es recht und billig, wenn das Schicksal des Ge-
lnete's nach dem Korfautyschen Verhältnis: 50 polnische O r k s in e h r h e i t e n
gegen 21 deutsche Ortsmehrheiten entschieden wird, oder wenn die Summe
aller Stimmen des Gebietes nach dem Verhältnis ihrer beiden Teile
entscheidet? Im ersten Fall wäre der Wille von 109 772 polenfreundlichen gegen
258 866 deutschfreundliche Stimmen maßgebend; im, zweiten fiele das natürliche
Gewicht von 258 866 deutschen Stimmen gegen 203 622 polnische Stimmen in die
Wage und brächte deu Ausschlag für Deutschland zustande. Das Entweder—oder
braucht nur klar und bestimmt so ausgesprochen zu werden, und es ist sofort er¬
sichtlich, auf welche Seite die Göttin der Gerechtigkeit träte.

Wenden wir uns nun dem Abstimmungsgebiet im ganzen zu. Die Entschei¬
dung nach Ortsmehrheiten, die sie für das Industriegebiet immer wieder durch¬
zudrücken versuchen, wollen die Polen hier nicht mehr gelten lassen. Die 845
deutschen Gemeinden hätten dann eben das Übergewicht über die 691 polnischen
Gemeinden und das war doch nicht der Zweck der Abstimmungsübung. Was
aber dann? Entscheidung nach den Stimmensummen? Aber nein; im gesamten
Abstimmungsgebiet sind ja 60 Prozent deutsche und nur 40 Prozent polnische.
Stimmen gezählt worden. Da ist denn die Suche nach einem Entscheidungsgrund
nicht leicht. Man könnte sagen, wir haben für das Industriegebiet als den um-


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[0028] Das Rartenspiel um Gberschlesien fallen außerhalb des Dreiecks, Von diesen 71 Ortschaften haben 21 eine deutsche, 50 eine polnische Mehrheit ergeben. Das Korfcmtyschc Verfahren, um es kurz so zu bezeichnen, würde also in diesem Gebiet 50 rote und 21 blaue Punkte erscheinen lassen und damit den Eindruck der überwiegenden polnischen Mehrheit hervorrufen. „Der polnische Wille hat sich mit 70,4 Prozent durchgesetzt," würde es vor den mathematikfesten Ententekommissionen heißen. Aus dieser Art der Darstellung des Abstimmungsergebnisses schöpfen die polnisch-französischen Nachrichtenbüros und die gleichgestimmte Presse, wenn sie immer wiederholen, die unzweifelhafte pol--' mische Mehrheit im Jndustriebezirk könne eine unbedingte Berücksichtigung ver¬ langen, ein Verbleiben des Gebietes bei Deutschland wäre eine grobe Verletzung des in der Abstimmung zu Worte gekommenen Selbstbestimmungsrechtes, Wie sieht es aber in Wirklichkeit ans? Wir haben zu verzeichnen in 21 Gemeinden 156 733 deutsche und 93 850 polnische Stimmen „ 50 ., 102 133 „ „ 109 772 „ 71 „ 258 866 „ „ 203 622 „ In den 21 „deutschen Gemeinden" der Korfantylarte haben wir also eine starke deutsche Mehrheit: 62,6 Prozent deutschen stehen 37,5 Prozent polnischen Stimmen gegenüber. In den 50 „polnischen Gemeinden" ist die polnische Mehrheit dagegen nnr recht gering: 51,8 Prozent haben sich hier für Polen und 48,2 Prozent für Deutsch¬ land erklärt. In allen 71 Gemeinden Zusammen aber haben wir 56 Prozent deutsche und 44 Prozent polnische Stimmen, 'Die H o r f a n t y k a r t e „i a es t glauben, das Industriegebiet habe sich für Polen entschie¬ den; die nackte unbearbeitete Stcitistik sagt: Nein, es hat für Deutschland geht im ni! Wer hat recht? Irgendwie muß doch die Summe der Einzelentscheidungen gebildet werden. Welche Zusammenfassung wird der Wirklichkeit gerecht? Mehrheitsenlscheidungen sind ünmeb schmerzlich -für den, der in der Minderheit bleibt. Aber welche Entscheidung geht mit der Vernunft und welche geht gegen sie? Ist es recht und billig, wenn das Schicksal des Ge- lnete's nach dem Korfautyschen Verhältnis: 50 polnische O r k s in e h r h e i t e n gegen 21 deutsche Ortsmehrheiten entschieden wird, oder wenn die Summe aller Stimmen des Gebietes nach dem Verhältnis ihrer beiden Teile entscheidet? Im ersten Fall wäre der Wille von 109 772 polenfreundlichen gegen 258 866 deutschfreundliche Stimmen maßgebend; im, zweiten fiele das natürliche Gewicht von 258 866 deutschen Stimmen gegen 203 622 polnische Stimmen in die Wage und brächte deu Ausschlag für Deutschland zustande. Das Entweder—oder braucht nur klar und bestimmt so ausgesprochen zu werden, und es ist sofort er¬ sichtlich, auf welche Seite die Göttin der Gerechtigkeit träte. Wenden wir uns nun dem Abstimmungsgebiet im ganzen zu. Die Entschei¬ dung nach Ortsmehrheiten, die sie für das Industriegebiet immer wieder durch¬ zudrücken versuchen, wollen die Polen hier nicht mehr gelten lassen. Die 845 deutschen Gemeinden hätten dann eben das Übergewicht über die 691 polnischen Gemeinden und das war doch nicht der Zweck der Abstimmungsübung. Was aber dann? Entscheidung nach den Stimmensummen? Aber nein; im gesamten Abstimmungsgebiet sind ja 60 Prozent deutsche und nur 40 Prozent polnische. Stimmen gezählt worden. Da ist denn die Suche nach einem Entscheidungsgrund nicht leicht. Man könnte sagen, wir haben für das Industriegebiet als den um-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_339148/28>, abgerufen am 23.12.2024.