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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Drittes Vierteljahr.

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Weltspiegel

Feind deutschen Boden besetzt hält. Ob allerdings Revanchegeschrei und Drohungen
Mittel zur möglichst raschen Befreiung der Rheinlands sind, mag sich jeder selbst
überlegen.

Über Eupen und Malmcdy wird man sich über kurz oder lang bei ge°
geschickter und geduldiger Behandlung der Frage mit Belgien einigen können. Um
das Saargebiet werden in 14 Jahren Kämpfe entbrennen, von deren Schärfe
wir in Oberschlesi.er einen Vorgeschmack bekommen und aller Wahrscheinlichkeit
werden sie das Signal zu einem neuen französisch-deutschen Kriege geben (der
ja nicht gerade mit Waffengewalt ausgefochten zu werden braucht). Aber auch
die elsaß-lothringische Frage kann durch den Versailler Naubfrieden keines¬
wegs als erledigt gelten. Schon jetzt bereitet die Sprachenfrage den Franzosen
die größten Schwierigkeiten und sobald erst einmal die Neutralen nicht mehr ein¬
fach durch den Vorwurf der Deutschfreundlichkeit mundtod gemacht werden können,
wollen die Elsässer mit immer größerem Nachdruck die ihnen 1918 mit eleganter
Handbewegung versagte Volksabstimmung fordern. Und eine solche Volks¬
abstimmung, die zwischen Zugehörigkeit zu Deutschland oder Frankreich einerseits,
Autonomie andere" seits entscheidet, muß zum mindesten von Deutschland verlangt
werden. Haben die Franzosen in dieser Beziehung ein gutes Gewissen (wie
denn viele in dieser Sache guten Glaubens sind), so werden sie sich auch dieser
Forderung offen nicht widersetzen können. Voraussetzung aber des günstigen
Ausgangs all dieser Bestrebungen ist natürlich Festigung und geordnete Zustände
im Innern. Man kann nicht blindlings von Völkern und Volksstnmmen
Idealismus fordern, den man zwar fleißig im Munde führt, praktisch jedoch oft
genug im Kleinen wie im Großen verleugnet, irgend etwas, Materielles oder
Geistiges, aber irgend etwas greifbar Bestimmtes muß man zu bieten haben.

Was endlich die Kolonien betrifft, so führt uns jeder Tag aufs neue und
immer eindringlicher die Notwendigkeit von Kolonisatior.sgebieten für unseren
Bevölkerungsüberschuß vor Augen. Es muß vorausgesetzt werden, daß Deutsche
mindestens dorthin wieder zurückkehren, wo, wie in Deutschostafrika, die früher
deutschen Gebiete augenblicklich, und, soweit man absehen kann, noch lange Zeit
aus einer Menge von Gründen, schlechter verwaltet werden als früher; daß
ferner Deutsche in jenen Kolonien, zum Beispiel in portugiesischen zugelassen
werden, die sich gegenwärtig gar nicht, -- durch hochwertige Kolonisierungs-
tätigteit aber besser -- rentieren. Dazu gehörte dann freilich, daß zunächst wir
selber unsere Uberseedeutschen, soweit sie geflüchtet sind -- Verluste erlitten
haben, auf diplomatischem wie materiellem Gebiete -- in den Stand setzen,
möglichst bald wieder hinauszugehen. Der überaus langsame und büro¬
kratische Gang der Entschädigungszahlungen an geschädigte Ausländsdeutsche, die
immerhin den sogenannten Reparationszahlungen an den Feindbund und Unter¬
stützungen für "Arbeitslose", die 20000 Mark in Rennwetten einsetzen, nicht
vorgehen, ist einfach ein Skandal, mit dem sich die Presse ruhig einmal ausführlich
beschäftigen könnte. Oder ist das Maß von Bemntenfaulheit, Bürokraten-
Verbissenheit, Desorganisation und menschlicher Gleichgültigkeit gegen das Schicksal
Zehnlausender von einzelnen, die hier zum Ausdruck kommen, noch immer
nicht voll?

Mit diesen Zielen aber, denk ich, ließe sich schon ein halb Jahrhundert,
und länger ist ja überhaupt kein außenpolitisches Vvrausdisponieren möglich,
leben und schalten, hält man sie unentwegt, wenn auch nach vielleicht wechselndem
Plane fest, so muß die Erreichung einiger, wenn nicht aller, sicher sein. Nur
lerne man an ihre Möglichkeit glauben, ihre Notwendigkeit einsehen, ihre Be¬
rechtigung zu verfechten und immer aufs neue darzutun. So kann, was andere
Menenius Völker erreicht haben, dem Deutschen schließlich nicht versagt sein.




Weltspiegel

Feind deutschen Boden besetzt hält. Ob allerdings Revanchegeschrei und Drohungen
Mittel zur möglichst raschen Befreiung der Rheinlands sind, mag sich jeder selbst
überlegen.

Über Eupen und Malmcdy wird man sich über kurz oder lang bei ge°
geschickter und geduldiger Behandlung der Frage mit Belgien einigen können. Um
das Saargebiet werden in 14 Jahren Kämpfe entbrennen, von deren Schärfe
wir in Oberschlesi.er einen Vorgeschmack bekommen und aller Wahrscheinlichkeit
werden sie das Signal zu einem neuen französisch-deutschen Kriege geben (der
ja nicht gerade mit Waffengewalt ausgefochten zu werden braucht). Aber auch
die elsaß-lothringische Frage kann durch den Versailler Naubfrieden keines¬
wegs als erledigt gelten. Schon jetzt bereitet die Sprachenfrage den Franzosen
die größten Schwierigkeiten und sobald erst einmal die Neutralen nicht mehr ein¬
fach durch den Vorwurf der Deutschfreundlichkeit mundtod gemacht werden können,
wollen die Elsässer mit immer größerem Nachdruck die ihnen 1918 mit eleganter
Handbewegung versagte Volksabstimmung fordern. Und eine solche Volks¬
abstimmung, die zwischen Zugehörigkeit zu Deutschland oder Frankreich einerseits,
Autonomie andere» seits entscheidet, muß zum mindesten von Deutschland verlangt
werden. Haben die Franzosen in dieser Beziehung ein gutes Gewissen (wie
denn viele in dieser Sache guten Glaubens sind), so werden sie sich auch dieser
Forderung offen nicht widersetzen können. Voraussetzung aber des günstigen
Ausgangs all dieser Bestrebungen ist natürlich Festigung und geordnete Zustände
im Innern. Man kann nicht blindlings von Völkern und Volksstnmmen
Idealismus fordern, den man zwar fleißig im Munde führt, praktisch jedoch oft
genug im Kleinen wie im Großen verleugnet, irgend etwas, Materielles oder
Geistiges, aber irgend etwas greifbar Bestimmtes muß man zu bieten haben.

Was endlich die Kolonien betrifft, so führt uns jeder Tag aufs neue und
immer eindringlicher die Notwendigkeit von Kolonisatior.sgebieten für unseren
Bevölkerungsüberschuß vor Augen. Es muß vorausgesetzt werden, daß Deutsche
mindestens dorthin wieder zurückkehren, wo, wie in Deutschostafrika, die früher
deutschen Gebiete augenblicklich, und, soweit man absehen kann, noch lange Zeit
aus einer Menge von Gründen, schlechter verwaltet werden als früher; daß
ferner Deutsche in jenen Kolonien, zum Beispiel in portugiesischen zugelassen
werden, die sich gegenwärtig gar nicht, — durch hochwertige Kolonisierungs-
tätigteit aber besser — rentieren. Dazu gehörte dann freilich, daß zunächst wir
selber unsere Uberseedeutschen, soweit sie geflüchtet sind — Verluste erlitten
haben, auf diplomatischem wie materiellem Gebiete — in den Stand setzen,
möglichst bald wieder hinauszugehen. Der überaus langsame und büro¬
kratische Gang der Entschädigungszahlungen an geschädigte Ausländsdeutsche, die
immerhin den sogenannten Reparationszahlungen an den Feindbund und Unter¬
stützungen für „Arbeitslose", die 20000 Mark in Rennwetten einsetzen, nicht
vorgehen, ist einfach ein Skandal, mit dem sich die Presse ruhig einmal ausführlich
beschäftigen könnte. Oder ist das Maß von Bemntenfaulheit, Bürokraten-
Verbissenheit, Desorganisation und menschlicher Gleichgültigkeit gegen das Schicksal
Zehnlausender von einzelnen, die hier zum Ausdruck kommen, noch immer
nicht voll?

Mit diesen Zielen aber, denk ich, ließe sich schon ein halb Jahrhundert,
und länger ist ja überhaupt kein außenpolitisches Vvrausdisponieren möglich,
leben und schalten, hält man sie unentwegt, wenn auch nach vielleicht wechselndem
Plane fest, so muß die Erreichung einiger, wenn nicht aller, sicher sein. Nur
lerne man an ihre Möglichkeit glauben, ihre Notwendigkeit einsehen, ihre Be¬
rechtigung zu verfechten und immer aufs neue darzutun. So kann, was andere
Menenius Völker erreicht haben, dem Deutschen schließlich nicht versagt sein.




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[0264] Weltspiegel Feind deutschen Boden besetzt hält. Ob allerdings Revanchegeschrei und Drohungen Mittel zur möglichst raschen Befreiung der Rheinlands sind, mag sich jeder selbst überlegen. Über Eupen und Malmcdy wird man sich über kurz oder lang bei ge° geschickter und geduldiger Behandlung der Frage mit Belgien einigen können. Um das Saargebiet werden in 14 Jahren Kämpfe entbrennen, von deren Schärfe wir in Oberschlesi.er einen Vorgeschmack bekommen und aller Wahrscheinlichkeit werden sie das Signal zu einem neuen französisch-deutschen Kriege geben (der ja nicht gerade mit Waffengewalt ausgefochten zu werden braucht). Aber auch die elsaß-lothringische Frage kann durch den Versailler Naubfrieden keines¬ wegs als erledigt gelten. Schon jetzt bereitet die Sprachenfrage den Franzosen die größten Schwierigkeiten und sobald erst einmal die Neutralen nicht mehr ein¬ fach durch den Vorwurf der Deutschfreundlichkeit mundtod gemacht werden können, wollen die Elsässer mit immer größerem Nachdruck die ihnen 1918 mit eleganter Handbewegung versagte Volksabstimmung fordern. Und eine solche Volks¬ abstimmung, die zwischen Zugehörigkeit zu Deutschland oder Frankreich einerseits, Autonomie andere» seits entscheidet, muß zum mindesten von Deutschland verlangt werden. Haben die Franzosen in dieser Beziehung ein gutes Gewissen (wie denn viele in dieser Sache guten Glaubens sind), so werden sie sich auch dieser Forderung offen nicht widersetzen können. Voraussetzung aber des günstigen Ausgangs all dieser Bestrebungen ist natürlich Festigung und geordnete Zustände im Innern. Man kann nicht blindlings von Völkern und Volksstnmmen Idealismus fordern, den man zwar fleißig im Munde führt, praktisch jedoch oft genug im Kleinen wie im Großen verleugnet, irgend etwas, Materielles oder Geistiges, aber irgend etwas greifbar Bestimmtes muß man zu bieten haben. Was endlich die Kolonien betrifft, so führt uns jeder Tag aufs neue und immer eindringlicher die Notwendigkeit von Kolonisatior.sgebieten für unseren Bevölkerungsüberschuß vor Augen. Es muß vorausgesetzt werden, daß Deutsche mindestens dorthin wieder zurückkehren, wo, wie in Deutschostafrika, die früher deutschen Gebiete augenblicklich, und, soweit man absehen kann, noch lange Zeit aus einer Menge von Gründen, schlechter verwaltet werden als früher; daß ferner Deutsche in jenen Kolonien, zum Beispiel in portugiesischen zugelassen werden, die sich gegenwärtig gar nicht, — durch hochwertige Kolonisierungs- tätigteit aber besser — rentieren. Dazu gehörte dann freilich, daß zunächst wir selber unsere Uberseedeutschen, soweit sie geflüchtet sind — Verluste erlitten haben, auf diplomatischem wie materiellem Gebiete — in den Stand setzen, möglichst bald wieder hinauszugehen. Der überaus langsame und büro¬ kratische Gang der Entschädigungszahlungen an geschädigte Ausländsdeutsche, die immerhin den sogenannten Reparationszahlungen an den Feindbund und Unter¬ stützungen für „Arbeitslose", die 20000 Mark in Rennwetten einsetzen, nicht vorgehen, ist einfach ein Skandal, mit dem sich die Presse ruhig einmal ausführlich beschäftigen könnte. Oder ist das Maß von Bemntenfaulheit, Bürokraten- Verbissenheit, Desorganisation und menschlicher Gleichgültigkeit gegen das Schicksal Zehnlausender von einzelnen, die hier zum Ausdruck kommen, noch immer nicht voll? Mit diesen Zielen aber, denk ich, ließe sich schon ein halb Jahrhundert, und länger ist ja überhaupt kein außenpolitisches Vvrausdisponieren möglich, leben und schalten, hält man sie unentwegt, wenn auch nach vielleicht wechselndem Plane fest, so muß die Erreichung einiger, wenn nicht aller, sicher sein. Nur lerne man an ihre Möglichkeit glauben, ihre Notwendigkeit einsehen, ihre Be¬ rechtigung zu verfechten und immer aufs neue darzutun. So kann, was andere Menenius Völker erreicht haben, dem Deutschen schließlich nicht versagt sein.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_339148/264>, abgerufen am 23.12.2024.