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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Drittes Vierteljahr.

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Ernst Haeckels Jugendbriefe
O hätten wir doch stets gezügelt.
Von Haß bedroht, die Sucht nach Sieg!
O hätten, windelweich geprügelt.
Wir stets gebrüllt: "Nie wieder Krieg!"
Und wenn im Stillen Ozeane
Den Krieg vielleicht vom Zaune bricht
Der Uankee oder der Japans,
Wir Heldenmichels dulden's nicht!
Und ist der Friede auch im Grunde
Ein Joch, das uns zu Boden drückt.
Und schinden sie uns wie die Hunde,
Dann fühlen wir uns ganz beglückt.
Nur eins wirft einen dunklen Schatten
In unsre Seligkeit hinein:
Daß einst wir einen Hermann hatten
Und einen Bismarck, -- ist gemein!
Entlang die Linden brüllt die Menge:
"Nie wieder Krieg!" -- Vom hohen Sitz
Blickt auf das wogende Gedränge
Der crzgegossene Alte Fritz.
Er spricht: "Welch trübes Traumgewebe
Hat meine Preußen blöd gemacht?
Daß es so viel Verrückte gäbe,
Potzblitz! Das hätt' ich nicht gedacht!"

Paul tvarncke


Ernst Haeckels Jugendbriefe
Prof. V. steche von

Hir leben in einer Epoche der Abwendung von der materiellen
Kultur, die das vergangene Jahrhundert geschaffen hat. Die natur¬
wissenschaftliche Basis, welche die technischen Fortschritte einerseits
und die beherrschende Stellung des Entwicklungsgedankens in der
Biologie andererseits begründet hatten, ist in ihrer Wertung für
die heutige Zeit erschüttert worden und wir sehen die Menschheit
nach der Katastrophe in einer ganz anderen Einstellung zu diesem Problem. Der
geistige Zustand der Generation, die diese materielle Kultur begründet hatte, mutet
uns heute schon so, fremd an, daß es ein besonderes psychologisches Interesse
bietet, einen Blick in den Entwicklungsgang eines der Führer jener Bewegung zu
tun. So kommt die Veröffentlichung der Jugendbriefe Ernst Haeckels zu einer
Zeit, in der sie von verschiedensten Gesichtspunkten aus auf allgemeines Interesse
rechnen kann. Die Briefe stammen aus den ersten Jahren Haeckels nach dem
Verlassen des Elternhauses, 1852--1856. Sie umfassen seine Studentenzeit bis


Ernst Haeckels Jugendbriefe
O hätten wir doch stets gezügelt.
Von Haß bedroht, die Sucht nach Sieg!
O hätten, windelweich geprügelt.
Wir stets gebrüllt: „Nie wieder Krieg!"
Und wenn im Stillen Ozeane
Den Krieg vielleicht vom Zaune bricht
Der Uankee oder der Japans,
Wir Heldenmichels dulden's nicht!
Und ist der Friede auch im Grunde
Ein Joch, das uns zu Boden drückt.
Und schinden sie uns wie die Hunde,
Dann fühlen wir uns ganz beglückt.
Nur eins wirft einen dunklen Schatten
In unsre Seligkeit hinein:
Daß einst wir einen Hermann hatten
Und einen Bismarck, — ist gemein!
Entlang die Linden brüllt die Menge:
„Nie wieder Krieg!" — Vom hohen Sitz
Blickt auf das wogende Gedränge
Der crzgegossene Alte Fritz.
Er spricht: „Welch trübes Traumgewebe
Hat meine Preußen blöd gemacht?
Daß es so viel Verrückte gäbe,
Potzblitz! Das hätt' ich nicht gedacht!"

Paul tvarncke


Ernst Haeckels Jugendbriefe
Prof. V. steche von

Hir leben in einer Epoche der Abwendung von der materiellen
Kultur, die das vergangene Jahrhundert geschaffen hat. Die natur¬
wissenschaftliche Basis, welche die technischen Fortschritte einerseits
und die beherrschende Stellung des Entwicklungsgedankens in der
Biologie andererseits begründet hatten, ist in ihrer Wertung für
die heutige Zeit erschüttert worden und wir sehen die Menschheit
nach der Katastrophe in einer ganz anderen Einstellung zu diesem Problem. Der
geistige Zustand der Generation, die diese materielle Kultur begründet hatte, mutet
uns heute schon so, fremd an, daß es ein besonderes psychologisches Interesse
bietet, einen Blick in den Entwicklungsgang eines der Führer jener Bewegung zu
tun. So kommt die Veröffentlichung der Jugendbriefe Ernst Haeckels zu einer
Zeit, in der sie von verschiedensten Gesichtspunkten aus auf allgemeines Interesse
rechnen kann. Die Briefe stammen aus den ersten Jahren Haeckels nach dem
Verlassen des Elternhauses, 1852—1856. Sie umfassen seine Studentenzeit bis


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[0220] Ernst Haeckels Jugendbriefe O hätten wir doch stets gezügelt. Von Haß bedroht, die Sucht nach Sieg! O hätten, windelweich geprügelt. Wir stets gebrüllt: „Nie wieder Krieg!" Und wenn im Stillen Ozeane Den Krieg vielleicht vom Zaune bricht Der Uankee oder der Japans, Wir Heldenmichels dulden's nicht! Und ist der Friede auch im Grunde Ein Joch, das uns zu Boden drückt. Und schinden sie uns wie die Hunde, Dann fühlen wir uns ganz beglückt. Nur eins wirft einen dunklen Schatten In unsre Seligkeit hinein: Daß einst wir einen Hermann hatten Und einen Bismarck, — ist gemein! Entlang die Linden brüllt die Menge: „Nie wieder Krieg!" — Vom hohen Sitz Blickt auf das wogende Gedränge Der crzgegossene Alte Fritz. Er spricht: „Welch trübes Traumgewebe Hat meine Preußen blöd gemacht? Daß es so viel Verrückte gäbe, Potzblitz! Das hätt' ich nicht gedacht!" Paul tvarncke Ernst Haeckels Jugendbriefe Prof. V. steche von Hir leben in einer Epoche der Abwendung von der materiellen Kultur, die das vergangene Jahrhundert geschaffen hat. Die natur¬ wissenschaftliche Basis, welche die technischen Fortschritte einerseits und die beherrschende Stellung des Entwicklungsgedankens in der Biologie andererseits begründet hatten, ist in ihrer Wertung für die heutige Zeit erschüttert worden und wir sehen die Menschheit nach der Katastrophe in einer ganz anderen Einstellung zu diesem Problem. Der geistige Zustand der Generation, die diese materielle Kultur begründet hatte, mutet uns heute schon so, fremd an, daß es ein besonderes psychologisches Interesse bietet, einen Blick in den Entwicklungsgang eines der Führer jener Bewegung zu tun. So kommt die Veröffentlichung der Jugendbriefe Ernst Haeckels zu einer Zeit, in der sie von verschiedensten Gesichtspunkten aus auf allgemeines Interesse rechnen kann. Die Briefe stammen aus den ersten Jahren Haeckels nach dem Verlassen des Elternhauses, 1852—1856. Sie umfassen seine Studentenzeit bis

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_339148/220>, abgerufen am 22.12.2024.