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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Drittes Vierteljahr.

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Weltspiegel

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Nie wieder Krieg? Am Sonntag, den 31. Juli, haben in Berlin Massen¬
veranstaltungen gegen den Krieg stattgefunden, zu denen eine große Menge von
Verbänden eingeladen hatte. Ich habe, soweit sie ehrlich und mehr als ein
bloßer Katzenjammer ist, gegen die Gesinnung, die hinter diesen Veranstaltungen
steht, an sich nichts, warum sollte' nach all den gedankenlosen und keineswegs
immer uneigennützigen Verherrlichungen des Krieges, der in Wirklichkeit doch
nichts anderes ist als ein unvermeidbares Übel, nicht auch einmal die durch eine
größenwahnsinnig gewordene Kriegszensur so lange unterdrückte Gegenstimme zu
Worte kommen? Was ich aber den Veranstaltern und Teilnehmern verdenke, ist
dies, daß sie gerade in einem Augenblick ihre Propaganda treiben, in dem zwar
für die Verwirklichung der Ideen auch nicht bis geringste Aussicht besteht, in dem
es aber andererseits dringend notwendig ist, daß eine sich neu bildende völkische
Einheitsgesinnung einheitlich bleibt und nicht durch ein chiliastisches Sektierertum
zersetzt und zersplittert werde. Nicht um die Ideenwelt des Pazifismus handelt
es sich hierbei, sondern um ihre politische Opportunist. Es wäre wunderhübsch,
wenn sie in Paris oder London oder Rom oder Warschau so kräftig zum Ausdruck
käme, dort könnte sie augenblicklich, ihre tatsächlich nicht vorhandene Kraft voraus¬
gesetzt, ein sehr wohltätiges Gegengewicht bilden. Aber wozu bedarf es dergleichen
Veranstaltungen in Berlin? Ist da jemand, der Krieg zu führen wünscht? Selbst
der finsterste Reaktionär aus dem kommunistischen Lesebuch wird nicht so idiotisch
sein, den Ruck nach rechts durch ein aussichtsloses Abenteuer hemmen zu wollen.
Vielleicht beunruhigt die Herren die wachsende Empörung über die durch die
"demokratischen" Westmächte beliebte Behandlung der oberschlesischen Angelegenheit?
Aber worüber anders besteht denn diese Empörung als darüber, daß ein Gebiet,
über das ein Vertrag (und dieser Vertrag echt demokratischer Herkunft, dieser unter
Aufsicht des echt idealistischen, pazifistischen Wilson zustandegekommene Vertrag,
an dem die aufgeklärtesten und erleuchtetsten, durch den Willen der Völker auf
Grund eines freien Wahlrechts berufenen Staatsmänner mitgearbeitet haben,
wird ja wohl klar und eindeutig sein und die elementarsten Konsequenzen voraus¬
gesehen haben?) besteht, zum Objekt eines imperialistischen Kuhhandels gemacht
wird. Ist sie nicht berechtigt, diese Empörung? Mußte sie nicht in London, Paris,
Warschau ausbrechen, da sie sich gegen den Imperialismus richtet? Und was
bezweckt die Oberschlesien-Aktion? Tritt sie für Unterdrückung der polnischen
Minderheit ein? Ist Oberschlesien nicht in bindender Form Autonomie zugesichert?'
Lassen sich 40 Prozent polnische Minderheit unterdrücken? Stellt sich die Aktion
der bösen Orgesch zur Verfügung oder sucht nicht vielmehr der vielverlästerte
Selbstschutz dafür zu sorgen, daß friedliche Bürger, die ihrem demokratischen Ab¬
stimmungsrecht Genüge getan haben, unbehelligt bleiben und nicht mißhandelt,
gemartert, getötet, von ehrlich erworbenem Haus und Hof vertrieben werden?
Ist das demokratisch, wenn ein blühendes Industriegebiet, das Hunderttausenden
Nahrung gibt, durch Abtrennung von seinem natürlichen Mutterkörper der Ver¬
elendung preisgegeben wird? Haben die Polen bis jetzt auch nur auf einem
einzigen Gebiet den Beweis für ihre administrativen Fähigkeiten oder für ihre
pazifistische oder nur demokratische, das Recht der Minderheiten achtende Ge¬
sinnung anders als höchstens, allerhöchstens mit Worten geliefert? Und hat etwa
ein geschwächtes und innerlich zerfallenes Deutschland mehr Gewähr für den
Westfrieden geboten als das Deutschland nach 1871? Hat nicht die "reaktionäre"
Politik Metternichs einiges mehr zur Erhaltung eines allgemeinen europäischen
Friedens getan als die volksbefreiende französische Revolution, die unter Napoleon
damit endete, die Völker zu knechten? Haben die erleuchteten Staatsmänner der
Entente irgend etwas getan, einen dauernden Friedenszustand herbeizuführen?
Oder haben sie nicht vielmehr lauter neue Konfliktspunkte geschaffen? Hat es der
sozialistischen Regierung Georgiens etwas geholfen, daß sie sozialistisch und pazi¬
fistisch war? Die größte Lüge aber ist wohl die vom pazifistischen Charakter


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Nie wieder Krieg? Am Sonntag, den 31. Juli, haben in Berlin Massen¬
veranstaltungen gegen den Krieg stattgefunden, zu denen eine große Menge von
Verbänden eingeladen hatte. Ich habe, soweit sie ehrlich und mehr als ein
bloßer Katzenjammer ist, gegen die Gesinnung, die hinter diesen Veranstaltungen
steht, an sich nichts, warum sollte' nach all den gedankenlosen und keineswegs
immer uneigennützigen Verherrlichungen des Krieges, der in Wirklichkeit doch
nichts anderes ist als ein unvermeidbares Übel, nicht auch einmal die durch eine
größenwahnsinnig gewordene Kriegszensur so lange unterdrückte Gegenstimme zu
Worte kommen? Was ich aber den Veranstaltern und Teilnehmern verdenke, ist
dies, daß sie gerade in einem Augenblick ihre Propaganda treiben, in dem zwar
für die Verwirklichung der Ideen auch nicht bis geringste Aussicht besteht, in dem
es aber andererseits dringend notwendig ist, daß eine sich neu bildende völkische
Einheitsgesinnung einheitlich bleibt und nicht durch ein chiliastisches Sektierertum
zersetzt und zersplittert werde. Nicht um die Ideenwelt des Pazifismus handelt
es sich hierbei, sondern um ihre politische Opportunist. Es wäre wunderhübsch,
wenn sie in Paris oder London oder Rom oder Warschau so kräftig zum Ausdruck
käme, dort könnte sie augenblicklich, ihre tatsächlich nicht vorhandene Kraft voraus¬
gesetzt, ein sehr wohltätiges Gegengewicht bilden. Aber wozu bedarf es dergleichen
Veranstaltungen in Berlin? Ist da jemand, der Krieg zu führen wünscht? Selbst
der finsterste Reaktionär aus dem kommunistischen Lesebuch wird nicht so idiotisch
sein, den Ruck nach rechts durch ein aussichtsloses Abenteuer hemmen zu wollen.
Vielleicht beunruhigt die Herren die wachsende Empörung über die durch die
„demokratischen" Westmächte beliebte Behandlung der oberschlesischen Angelegenheit?
Aber worüber anders besteht denn diese Empörung als darüber, daß ein Gebiet,
über das ein Vertrag (und dieser Vertrag echt demokratischer Herkunft, dieser unter
Aufsicht des echt idealistischen, pazifistischen Wilson zustandegekommene Vertrag,
an dem die aufgeklärtesten und erleuchtetsten, durch den Willen der Völker auf
Grund eines freien Wahlrechts berufenen Staatsmänner mitgearbeitet haben,
wird ja wohl klar und eindeutig sein und die elementarsten Konsequenzen voraus¬
gesehen haben?) besteht, zum Objekt eines imperialistischen Kuhhandels gemacht
wird. Ist sie nicht berechtigt, diese Empörung? Mußte sie nicht in London, Paris,
Warschau ausbrechen, da sie sich gegen den Imperialismus richtet? Und was
bezweckt die Oberschlesien-Aktion? Tritt sie für Unterdrückung der polnischen
Minderheit ein? Ist Oberschlesien nicht in bindender Form Autonomie zugesichert?'
Lassen sich 40 Prozent polnische Minderheit unterdrücken? Stellt sich die Aktion
der bösen Orgesch zur Verfügung oder sucht nicht vielmehr der vielverlästerte
Selbstschutz dafür zu sorgen, daß friedliche Bürger, die ihrem demokratischen Ab¬
stimmungsrecht Genüge getan haben, unbehelligt bleiben und nicht mißhandelt,
gemartert, getötet, von ehrlich erworbenem Haus und Hof vertrieben werden?
Ist das demokratisch, wenn ein blühendes Industriegebiet, das Hunderttausenden
Nahrung gibt, durch Abtrennung von seinem natürlichen Mutterkörper der Ver¬
elendung preisgegeben wird? Haben die Polen bis jetzt auch nur auf einem
einzigen Gebiet den Beweis für ihre administrativen Fähigkeiten oder für ihre
pazifistische oder nur demokratische, das Recht der Minderheiten achtende Ge¬
sinnung anders als höchstens, allerhöchstens mit Worten geliefert? Und hat etwa
ein geschwächtes und innerlich zerfallenes Deutschland mehr Gewähr für den
Westfrieden geboten als das Deutschland nach 1871? Hat nicht die „reaktionäre"
Politik Metternichs einiges mehr zur Erhaltung eines allgemeinen europäischen
Friedens getan als die volksbefreiende französische Revolution, die unter Napoleon
damit endete, die Völker zu knechten? Haben die erleuchteten Staatsmänner der
Entente irgend etwas getan, einen dauernden Friedenszustand herbeizuführen?
Oder haben sie nicht vielmehr lauter neue Konfliktspunkte geschaffen? Hat es der
sozialistischen Regierung Georgiens etwas geholfen, daß sie sozialistisch und pazi¬
fistisch war? Die größte Lüge aber ist wohl die vom pazifistischen Charakter


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[0168] Weltspiegel Weltspiegel Nie wieder Krieg? Am Sonntag, den 31. Juli, haben in Berlin Massen¬ veranstaltungen gegen den Krieg stattgefunden, zu denen eine große Menge von Verbänden eingeladen hatte. Ich habe, soweit sie ehrlich und mehr als ein bloßer Katzenjammer ist, gegen die Gesinnung, die hinter diesen Veranstaltungen steht, an sich nichts, warum sollte' nach all den gedankenlosen und keineswegs immer uneigennützigen Verherrlichungen des Krieges, der in Wirklichkeit doch nichts anderes ist als ein unvermeidbares Übel, nicht auch einmal die durch eine größenwahnsinnig gewordene Kriegszensur so lange unterdrückte Gegenstimme zu Worte kommen? Was ich aber den Veranstaltern und Teilnehmern verdenke, ist dies, daß sie gerade in einem Augenblick ihre Propaganda treiben, in dem zwar für die Verwirklichung der Ideen auch nicht bis geringste Aussicht besteht, in dem es aber andererseits dringend notwendig ist, daß eine sich neu bildende völkische Einheitsgesinnung einheitlich bleibt und nicht durch ein chiliastisches Sektierertum zersetzt und zersplittert werde. Nicht um die Ideenwelt des Pazifismus handelt es sich hierbei, sondern um ihre politische Opportunist. Es wäre wunderhübsch, wenn sie in Paris oder London oder Rom oder Warschau so kräftig zum Ausdruck käme, dort könnte sie augenblicklich, ihre tatsächlich nicht vorhandene Kraft voraus¬ gesetzt, ein sehr wohltätiges Gegengewicht bilden. Aber wozu bedarf es dergleichen Veranstaltungen in Berlin? Ist da jemand, der Krieg zu führen wünscht? Selbst der finsterste Reaktionär aus dem kommunistischen Lesebuch wird nicht so idiotisch sein, den Ruck nach rechts durch ein aussichtsloses Abenteuer hemmen zu wollen. Vielleicht beunruhigt die Herren die wachsende Empörung über die durch die „demokratischen" Westmächte beliebte Behandlung der oberschlesischen Angelegenheit? Aber worüber anders besteht denn diese Empörung als darüber, daß ein Gebiet, über das ein Vertrag (und dieser Vertrag echt demokratischer Herkunft, dieser unter Aufsicht des echt idealistischen, pazifistischen Wilson zustandegekommene Vertrag, an dem die aufgeklärtesten und erleuchtetsten, durch den Willen der Völker auf Grund eines freien Wahlrechts berufenen Staatsmänner mitgearbeitet haben, wird ja wohl klar und eindeutig sein und die elementarsten Konsequenzen voraus¬ gesehen haben?) besteht, zum Objekt eines imperialistischen Kuhhandels gemacht wird. Ist sie nicht berechtigt, diese Empörung? Mußte sie nicht in London, Paris, Warschau ausbrechen, da sie sich gegen den Imperialismus richtet? Und was bezweckt die Oberschlesien-Aktion? Tritt sie für Unterdrückung der polnischen Minderheit ein? Ist Oberschlesien nicht in bindender Form Autonomie zugesichert?' Lassen sich 40 Prozent polnische Minderheit unterdrücken? Stellt sich die Aktion der bösen Orgesch zur Verfügung oder sucht nicht vielmehr der vielverlästerte Selbstschutz dafür zu sorgen, daß friedliche Bürger, die ihrem demokratischen Ab¬ stimmungsrecht Genüge getan haben, unbehelligt bleiben und nicht mißhandelt, gemartert, getötet, von ehrlich erworbenem Haus und Hof vertrieben werden? Ist das demokratisch, wenn ein blühendes Industriegebiet, das Hunderttausenden Nahrung gibt, durch Abtrennung von seinem natürlichen Mutterkörper der Ver¬ elendung preisgegeben wird? Haben die Polen bis jetzt auch nur auf einem einzigen Gebiet den Beweis für ihre administrativen Fähigkeiten oder für ihre pazifistische oder nur demokratische, das Recht der Minderheiten achtende Ge¬ sinnung anders als höchstens, allerhöchstens mit Worten geliefert? Und hat etwa ein geschwächtes und innerlich zerfallenes Deutschland mehr Gewähr für den Westfrieden geboten als das Deutschland nach 1871? Hat nicht die „reaktionäre" Politik Metternichs einiges mehr zur Erhaltung eines allgemeinen europäischen Friedens getan als die volksbefreiende französische Revolution, die unter Napoleon damit endete, die Völker zu knechten? Haben die erleuchteten Staatsmänner der Entente irgend etwas getan, einen dauernden Friedenszustand herbeizuführen? Oder haben sie nicht vielmehr lauter neue Konfliktspunkte geschaffen? Hat es der sozialistischen Regierung Georgiens etwas geholfen, daß sie sozialistisch und pazi¬ fistisch war? Die größte Lüge aber ist wohl die vom pazifistischen Charakter

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Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_339148/168>, abgerufen am 22.12.2024.