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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Drittes Vierteljahr.

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Altes und neues Heer

Soldatenbrüder I Völkerhaß? Warum? Steht drüben nicht ein Vater wie
ich? Ein Sohn wie ich? Ein Gatte wie ich? Ein Bruder wie ich? Ein Mensch,
der leben will, wie ich? Nur leben, nichts als leben I

Der Oberst: Versteh'n Sie, Hauptmann? -- Nein. Herr OberstI Vater-
ländischer Unterricht war doch ....!

Und der Leutnant: Revolution? -- Die nach Freßgier stank? Haß, der
aus Dreck entstand?

Mannschaften: Schachfiguren wir. Unsere zerquälte Seele, maß man sie
nicht? Die fragenden Augen, sah man sie nicht? -- Offiziere: Wir maßen eure
Seele aus. Nach eigenem Maß. Nach falschem Maß.

Kasino. Kaiserbild und Hindenburg, Ludendorff und Schlichen. Der
Oberst spricht: "Wir waren Führer 1914. Verlernten's mitzugehen mit dem
Volksinstinkt. Mit dem Hungerwahnsinn. Wir haben ausgespielt. Militär-
diktatur im Land. War unsere Pflicht. Schon 1916. Schieber und Wucherer,
Drückeberger und Deserteur und -- Kameraden, die nichts taugten: an die Wand I
Habens versäumt. Neue Führung kommt. Dann Bolschewismus. Ein Pendeln
zwischen den Extremen. Und neue Führerschicht entsteht. Auch unser Tag kehrt
wieder".

Landsturmmann: Weib mein Weib. Kind mein Kind. Krieg ist aus. Nun
Schafs ich Brot." -"




Etappe. Den Schlüssel her, Furier! Und Büchsenfleisch und Milch und
Fett und Elert Woll'n fressen, fressen, fressen! Revolution ist da!--Auto
rast. Raus Off'zier! Chauffeur fahr mich! Ich bin Soldatenrat. Nach Köln.
Muß dort der erste sein. Mein Weib, verflucht, schreibt, daß sie untreu wird.
Fahr mi Jetzt kommen wir und wir und wir und dann erst der Off'zier! Die
Front?! -- Ah bah!

Soldatenfeier. Kam'raten, Kam'raten! Wie zärtlich die Kompagniemutter
heut. Die Marseillaise. Musik! Schreit der Feldwebel heut! Gestern noch: Heil
dir im Siegerkranz. Gestern noch: schliff er uns.

Fort die Wache, Lazarett! Kranke raus! In die Stadt und zu den
Mädchen! Tag der Freiheit, Tag der Lust!

Aus zum Gefängnis! Die Deserteure heraus! Musik davor. Nun durch
die Stadt!

Berlin. Potsdamer Platz. Ein Oberst. Gib den Säbel! -- "Nein!" --
Ab die Kokarde! -- "Nein!" -- In den Rinnstein mit beiden! Was schert mich
dein graues Haar, was deine Narben, was deine Orden? Freiheit, Freiheit, und
Militarismus Schluß!

Sennelager. Baracke. Strohsack: draus der Hauptmann. Den sie hassen.
Was schleift er uns durch den Sennesand I Wir drehten Granaten, Tip-top ging's
her! Weiber und Kaffee und Kino und Schnaps! Und nun? Du Kerl stirbst
diese Nacht! Der Posten klirrt. Pistolenschuß. Granatenwurf. Vorbei und
Wutgebrüll. Feldwebelruf. Dann Stille. Was wird? Was wird? Die Nacht
zerrinnt. Der Morgen tagt. Der Hauptmann weint. Grau ist sein Haar. Grau
ist sein Haar



Altes und neues Heer

Soldatenbrüder I Völkerhaß? Warum? Steht drüben nicht ein Vater wie
ich? Ein Sohn wie ich? Ein Gatte wie ich? Ein Bruder wie ich? Ein Mensch,
der leben will, wie ich? Nur leben, nichts als leben I

Der Oberst: Versteh'n Sie, Hauptmann? — Nein. Herr OberstI Vater-
ländischer Unterricht war doch ....!

Und der Leutnant: Revolution? — Die nach Freßgier stank? Haß, der
aus Dreck entstand?

Mannschaften: Schachfiguren wir. Unsere zerquälte Seele, maß man sie
nicht? Die fragenden Augen, sah man sie nicht? — Offiziere: Wir maßen eure
Seele aus. Nach eigenem Maß. Nach falschem Maß.

Kasino. Kaiserbild und Hindenburg, Ludendorff und Schlichen. Der
Oberst spricht: „Wir waren Führer 1914. Verlernten's mitzugehen mit dem
Volksinstinkt. Mit dem Hungerwahnsinn. Wir haben ausgespielt. Militär-
diktatur im Land. War unsere Pflicht. Schon 1916. Schieber und Wucherer,
Drückeberger und Deserteur und — Kameraden, die nichts taugten: an die Wand I
Habens versäumt. Neue Führung kommt. Dann Bolschewismus. Ein Pendeln
zwischen den Extremen. Und neue Führerschicht entsteht. Auch unser Tag kehrt
wieder".

Landsturmmann: Weib mein Weib. Kind mein Kind. Krieg ist aus. Nun
Schafs ich Brot.» -»




Etappe. Den Schlüssel her, Furier! Und Büchsenfleisch und Milch und
Fett und Elert Woll'n fressen, fressen, fressen! Revolution ist da!--Auto
rast. Raus Off'zier! Chauffeur fahr mich! Ich bin Soldatenrat. Nach Köln.
Muß dort der erste sein. Mein Weib, verflucht, schreibt, daß sie untreu wird.
Fahr mi Jetzt kommen wir und wir und wir und dann erst der Off'zier! Die
Front?! — Ah bah!

Soldatenfeier. Kam'raten, Kam'raten! Wie zärtlich die Kompagniemutter
heut. Die Marseillaise. Musik! Schreit der Feldwebel heut! Gestern noch: Heil
dir im Siegerkranz. Gestern noch: schliff er uns.

Fort die Wache, Lazarett! Kranke raus! In die Stadt und zu den
Mädchen! Tag der Freiheit, Tag der Lust!

Aus zum Gefängnis! Die Deserteure heraus! Musik davor. Nun durch
die Stadt!

Berlin. Potsdamer Platz. Ein Oberst. Gib den Säbel! — „Nein!" —
Ab die Kokarde! — „Nein!" — In den Rinnstein mit beiden! Was schert mich
dein graues Haar, was deine Narben, was deine Orden? Freiheit, Freiheit, und
Militarismus Schluß!

Sennelager. Baracke. Strohsack: draus der Hauptmann. Den sie hassen.
Was schleift er uns durch den Sennesand I Wir drehten Granaten, Tip-top ging's
her! Weiber und Kaffee und Kino und Schnaps! Und nun? Du Kerl stirbst
diese Nacht! Der Posten klirrt. Pistolenschuß. Granatenwurf. Vorbei und
Wutgebrüll. Feldwebelruf. Dann Stille. Was wird? Was wird? Die Nacht
zerrinnt. Der Morgen tagt. Der Hauptmann weint. Grau ist sein Haar. Grau
ist sein Haar



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[0164] Altes und neues Heer Soldatenbrüder I Völkerhaß? Warum? Steht drüben nicht ein Vater wie ich? Ein Sohn wie ich? Ein Gatte wie ich? Ein Bruder wie ich? Ein Mensch, der leben will, wie ich? Nur leben, nichts als leben I Der Oberst: Versteh'n Sie, Hauptmann? — Nein. Herr OberstI Vater- ländischer Unterricht war doch ....! Und der Leutnant: Revolution? — Die nach Freßgier stank? Haß, der aus Dreck entstand? Mannschaften: Schachfiguren wir. Unsere zerquälte Seele, maß man sie nicht? Die fragenden Augen, sah man sie nicht? — Offiziere: Wir maßen eure Seele aus. Nach eigenem Maß. Nach falschem Maß. Kasino. Kaiserbild und Hindenburg, Ludendorff und Schlichen. Der Oberst spricht: „Wir waren Führer 1914. Verlernten's mitzugehen mit dem Volksinstinkt. Mit dem Hungerwahnsinn. Wir haben ausgespielt. Militär- diktatur im Land. War unsere Pflicht. Schon 1916. Schieber und Wucherer, Drückeberger und Deserteur und — Kameraden, die nichts taugten: an die Wand I Habens versäumt. Neue Führung kommt. Dann Bolschewismus. Ein Pendeln zwischen den Extremen. Und neue Führerschicht entsteht. Auch unser Tag kehrt wieder". Landsturmmann: Weib mein Weib. Kind mein Kind. Krieg ist aus. Nun Schafs ich Brot.» -» Etappe. Den Schlüssel her, Furier! Und Büchsenfleisch und Milch und Fett und Elert Woll'n fressen, fressen, fressen! Revolution ist da!--Auto rast. Raus Off'zier! Chauffeur fahr mich! Ich bin Soldatenrat. Nach Köln. Muß dort der erste sein. Mein Weib, verflucht, schreibt, daß sie untreu wird. Fahr mi Jetzt kommen wir und wir und wir und dann erst der Off'zier! Die Front?! — Ah bah! Soldatenfeier. Kam'raten, Kam'raten! Wie zärtlich die Kompagniemutter heut. Die Marseillaise. Musik! Schreit der Feldwebel heut! Gestern noch: Heil dir im Siegerkranz. Gestern noch: schliff er uns. Fort die Wache, Lazarett! Kranke raus! In die Stadt und zu den Mädchen! Tag der Freiheit, Tag der Lust! Aus zum Gefängnis! Die Deserteure heraus! Musik davor. Nun durch die Stadt! Berlin. Potsdamer Platz. Ein Oberst. Gib den Säbel! — „Nein!" — Ab die Kokarde! — „Nein!" — In den Rinnstein mit beiden! Was schert mich dein graues Haar, was deine Narben, was deine Orden? Freiheit, Freiheit, und Militarismus Schluß! Sennelager. Baracke. Strohsack: draus der Hauptmann. Den sie hassen. Was schleift er uns durch den Sennesand I Wir drehten Granaten, Tip-top ging's her! Weiber und Kaffee und Kino und Schnaps! Und nun? Du Kerl stirbst diese Nacht! Der Posten klirrt. Pistolenschuß. Granatenwurf. Vorbei und Wutgebrüll. Feldwebelruf. Dann Stille. Was wird? Was wird? Die Nacht zerrinnt. Der Morgen tagt. Der Hauptmann weint. Grau ist sein Haar. Grau ist sein Haar

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_339148/164>, abgerufen am 23.12.2024.