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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Drittes Vierteljahr.

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Aus neuen Büchern

beschränkung sind die Ziele des Lebens. -- Der Geist ist Leben und Bewegung,
und so ist immer regere, immer weitergehende Beendigung dieser mit ihm identischen
Kräfte für ihn Zweck und Ziel. Und mag er selbst zehnmal zusammenwerfen in
das Nichts überwundener Meinungen, was kurz vorher ihm noch als Wahrheit,
aus sich selbst geschöpfte Wahrheit erschien -- gleichviel) der wahrhaft denkende
Geist baut sich ein neues System auf deu Trümmern des alten,' die Kraft seines
Ringens, die wunderbare Kraft seiner nimmer endenden Beweglichkeit, in
einer immer Neues Produzierenden Tätigkeit, ist ihm das Ziel -- Religion,
Alles." (18K8.)

S, 48/9: "Das bayerische Volk und die bayerische Studentenschaft fühlte und
wußte eS iir diesen Tagen und Wochen ganz genau, daß Deutschland einig sein
mußte. Und dies wunderbare einmütige Wissen, dies übermächtige, alle erfassende
Gefühl machte die Zeit so groß. Nationen lassen sich nicht gründen, auch nicht von
einem Bismarck: sie müssen ins Leben treten durch den Sieg des Gedankens,
daß sie ein Recht und eine Pflicht haben zu sein -- dnrch das Bewußtsein ihres
Wertes."..... "Wie kann sich heute jeder Deutsche so stolz und froh fühlen im
Bewußtsein, dem ersten Volk der Welt anzugehören und aus dem Glück der
Gegenwart ein unendliches Wachstum erwünschter Zustände erwarten zu dürfen."
<187"/71")

".........Meine Reise ist Programmmäßig verlaufen/ ich kam in sehr
gehobener Stimmung aufs Schiff und genoß die herrliche Fahrt bis Coblenz mit
regen Sinnen. Diese Verbindung deS Landschaftlich-Schönen mit so vielen Resten
einer uralten Kultur, der gegebenen Wirklichkeit des Lebens mit dem Geschichtlichen
und sagenhaften ans einem so großen Territorium lwie die Strecke von Mainz
bis Bonn ist in der Tat ganz einzig/ ich habe bis jetzt ähnliches auf deutschem
Voden uur an zwei Punkten empfunden: auf der Wartburg und in Meran, beim
Anblick des burgenbesäteu Vintschgaus, In Italien findet' sich ja natürlich das
gleiche: Niemand wird über die trümmerbedeckte Campagna oder am Golf von
Bajae wandeln können, wo das uralte Kyme auf seiner Felsecke ragt, an Berg
und See sich die ältesten Schiffersagen der Hellenen knüpfen, ohne daß ihn diese
Verbindung mächtig ergriffe. Aber das Heimatliche, gibt doch ein anderes Gefühl
als das Antike, und Wagener hat Wohl gewußt, warum er den den Rhein heraus¬
fahrenden Siegfried, dem die Rheintöchter Zukunft künden, in Musik gesetzt hat
und nicht den 50^,^7--? M^-^s, dem die schaumumflossene Lcnkathca aus den
Wellen emporsteigt, Eins aber ist mit bei dieser Rheinfahrt und über dem Heranf-
raiischen uralten'SageustvsfeS und längst vertrauter lyrischer Stimmungen, das
sie zur Folge hatte, wieder recht deutlich ins Bewußtsein getreten, was zum Theil
zu einem wunderlichen Zwiespalt zwischen der äußeren und der inneren Anschauung
führte, nämlich: Die Poesie haftet nicht an Ort und Raum, man kaun sie nicht
sehen wie ein Bild, daS da oder dort ist -- man muß sie erleben als ein Inner¬
liches, bei dem das Wo schließlich Nebensache ist. Freilich die Anregungen zu
kennen, aus denen sie hervorwächst, sie miterlebt zu haben bis zu einem gewissen
Grade, ist auch etwas werth und mag das nachempfindende Verstehen erleichtern/
und dazu kann auch das Schallen der Orte dienen, an die sie sich knüpft --
obgleich da immer eine Kluft bleibt zwischen dem äußerlich mit innerlich Geschauten:
natürlich/ liegt doch das ganze^unendliche Dichtergemüt mit allen seinen Geheimnissen
lind Tiefen dazwischen.

Dieser Versuch einer Philosophie des Rheins hat mich so "angegriffen",
daß ich über meinen Anfenthalt in Coblenz in Kürze hinweggehen will. Derselbe
dauerte vom Dienstag nachmittag bis Freitag morgen, und wenn ich ein^Buch
darüber schreiben wollte, so könnte ich mit den Titel dazu mir von Paolo Mantc-
gazza entlehnen und müßte es nennen: 'l?est<z ca odrox/.e'. . . . Endlich zog ich
von dannen in das siebengebirgige Bonn, und der Abend desselbigen Tages fand
mich bereits auf dem Cyornmqangc des Cölner Doms, hiustarrend auf das mündliche
Gewimmel von spilen und Bögen und Pfeilern, das wie ein riesiges Gerüste
die farbenglühende, lustige Pracht des Innern zusammenballt......."


Aus neuen Büchern

beschränkung sind die Ziele des Lebens. — Der Geist ist Leben und Bewegung,
und so ist immer regere, immer weitergehende Beendigung dieser mit ihm identischen
Kräfte für ihn Zweck und Ziel. Und mag er selbst zehnmal zusammenwerfen in
das Nichts überwundener Meinungen, was kurz vorher ihm noch als Wahrheit,
aus sich selbst geschöpfte Wahrheit erschien — gleichviel) der wahrhaft denkende
Geist baut sich ein neues System auf deu Trümmern des alten,' die Kraft seines
Ringens, die wunderbare Kraft seiner nimmer endenden Beweglichkeit, in
einer immer Neues Produzierenden Tätigkeit, ist ihm das Ziel — Religion,
Alles." (18K8.)

S, 48/9: „Das bayerische Volk und die bayerische Studentenschaft fühlte und
wußte eS iir diesen Tagen und Wochen ganz genau, daß Deutschland einig sein
mußte. Und dies wunderbare einmütige Wissen, dies übermächtige, alle erfassende
Gefühl machte die Zeit so groß. Nationen lassen sich nicht gründen, auch nicht von
einem Bismarck: sie müssen ins Leben treten durch den Sieg des Gedankens,
daß sie ein Recht und eine Pflicht haben zu sein — dnrch das Bewußtsein ihres
Wertes."..... „Wie kann sich heute jeder Deutsche so stolz und froh fühlen im
Bewußtsein, dem ersten Volk der Welt anzugehören und aus dem Glück der
Gegenwart ein unendliches Wachstum erwünschter Zustände erwarten zu dürfen."
<187»/71„)

„.........Meine Reise ist Programmmäßig verlaufen/ ich kam in sehr
gehobener Stimmung aufs Schiff und genoß die herrliche Fahrt bis Coblenz mit
regen Sinnen. Diese Verbindung deS Landschaftlich-Schönen mit so vielen Resten
einer uralten Kultur, der gegebenen Wirklichkeit des Lebens mit dem Geschichtlichen
und sagenhaften ans einem so großen Territorium lwie die Strecke von Mainz
bis Bonn ist in der Tat ganz einzig/ ich habe bis jetzt ähnliches auf deutschem
Voden uur an zwei Punkten empfunden: auf der Wartburg und in Meran, beim
Anblick des burgenbesäteu Vintschgaus, In Italien findet' sich ja natürlich das
gleiche: Niemand wird über die trümmerbedeckte Campagna oder am Golf von
Bajae wandeln können, wo das uralte Kyme auf seiner Felsecke ragt, an Berg
und See sich die ältesten Schiffersagen der Hellenen knüpfen, ohne daß ihn diese
Verbindung mächtig ergriffe. Aber das Heimatliche, gibt doch ein anderes Gefühl
als das Antike, und Wagener hat Wohl gewußt, warum er den den Rhein heraus¬
fahrenden Siegfried, dem die Rheintöchter Zukunft künden, in Musik gesetzt hat
und nicht den 50^,^7--? M^-^s, dem die schaumumflossene Lcnkathca aus den
Wellen emporsteigt, Eins aber ist mit bei dieser Rheinfahrt und über dem Heranf-
raiischen uralten'SageustvsfeS und längst vertrauter lyrischer Stimmungen, das
sie zur Folge hatte, wieder recht deutlich ins Bewußtsein getreten, was zum Theil
zu einem wunderlichen Zwiespalt zwischen der äußeren und der inneren Anschauung
führte, nämlich: Die Poesie haftet nicht an Ort und Raum, man kaun sie nicht
sehen wie ein Bild, daS da oder dort ist — man muß sie erleben als ein Inner¬
liches, bei dem das Wo schließlich Nebensache ist. Freilich die Anregungen zu
kennen, aus denen sie hervorwächst, sie miterlebt zu haben bis zu einem gewissen
Grade, ist auch etwas werth und mag das nachempfindende Verstehen erleichtern/
und dazu kann auch das Schallen der Orte dienen, an die sie sich knüpft —
obgleich da immer eine Kluft bleibt zwischen dem äußerlich mit innerlich Geschauten:
natürlich/ liegt doch das ganze^unendliche Dichtergemüt mit allen seinen Geheimnissen
lind Tiefen dazwischen.

Dieser Versuch einer Philosophie des Rheins hat mich so „angegriffen",
daß ich über meinen Anfenthalt in Coblenz in Kürze hinweggehen will. Derselbe
dauerte vom Dienstag nachmittag bis Freitag morgen, und wenn ich ein^Buch
darüber schreiben wollte, so könnte ich mit den Titel dazu mir von Paolo Mantc-
gazza entlehnen und müßte es nennen: 'l?est<z ca odrox/.e'. . . . Endlich zog ich
von dannen in das siebengebirgige Bonn, und der Abend desselbigen Tages fand
mich bereits auf dem Cyornmqangc des Cölner Doms, hiustarrend auf das mündliche
Gewimmel von spilen und Bögen und Pfeilern, das wie ein riesiges Gerüste
die farbenglühende, lustige Pracht des Innern zusammenballt......."


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[0135] Aus neuen Büchern beschränkung sind die Ziele des Lebens. — Der Geist ist Leben und Bewegung, und so ist immer regere, immer weitergehende Beendigung dieser mit ihm identischen Kräfte für ihn Zweck und Ziel. Und mag er selbst zehnmal zusammenwerfen in das Nichts überwundener Meinungen, was kurz vorher ihm noch als Wahrheit, aus sich selbst geschöpfte Wahrheit erschien — gleichviel) der wahrhaft denkende Geist baut sich ein neues System auf deu Trümmern des alten,' die Kraft seines Ringens, die wunderbare Kraft seiner nimmer endenden Beweglichkeit, in einer immer Neues Produzierenden Tätigkeit, ist ihm das Ziel — Religion, Alles." (18K8.) S, 48/9: „Das bayerische Volk und die bayerische Studentenschaft fühlte und wußte eS iir diesen Tagen und Wochen ganz genau, daß Deutschland einig sein mußte. Und dies wunderbare einmütige Wissen, dies übermächtige, alle erfassende Gefühl machte die Zeit so groß. Nationen lassen sich nicht gründen, auch nicht von einem Bismarck: sie müssen ins Leben treten durch den Sieg des Gedankens, daß sie ein Recht und eine Pflicht haben zu sein — dnrch das Bewußtsein ihres Wertes."..... „Wie kann sich heute jeder Deutsche so stolz und froh fühlen im Bewußtsein, dem ersten Volk der Welt anzugehören und aus dem Glück der Gegenwart ein unendliches Wachstum erwünschter Zustände erwarten zu dürfen." <187»/71„) „.........Meine Reise ist Programmmäßig verlaufen/ ich kam in sehr gehobener Stimmung aufs Schiff und genoß die herrliche Fahrt bis Coblenz mit regen Sinnen. Diese Verbindung deS Landschaftlich-Schönen mit so vielen Resten einer uralten Kultur, der gegebenen Wirklichkeit des Lebens mit dem Geschichtlichen und sagenhaften ans einem so großen Territorium lwie die Strecke von Mainz bis Bonn ist in der Tat ganz einzig/ ich habe bis jetzt ähnliches auf deutschem Voden uur an zwei Punkten empfunden: auf der Wartburg und in Meran, beim Anblick des burgenbesäteu Vintschgaus, In Italien findet' sich ja natürlich das gleiche: Niemand wird über die trümmerbedeckte Campagna oder am Golf von Bajae wandeln können, wo das uralte Kyme auf seiner Felsecke ragt, an Berg und See sich die ältesten Schiffersagen der Hellenen knüpfen, ohne daß ihn diese Verbindung mächtig ergriffe. Aber das Heimatliche, gibt doch ein anderes Gefühl als das Antike, und Wagener hat Wohl gewußt, warum er den den Rhein heraus¬ fahrenden Siegfried, dem die Rheintöchter Zukunft künden, in Musik gesetzt hat und nicht den 50^,^7--? M^-^s, dem die schaumumflossene Lcnkathca aus den Wellen emporsteigt, Eins aber ist mit bei dieser Rheinfahrt und über dem Heranf- raiischen uralten'SageustvsfeS und längst vertrauter lyrischer Stimmungen, das sie zur Folge hatte, wieder recht deutlich ins Bewußtsein getreten, was zum Theil zu einem wunderlichen Zwiespalt zwischen der äußeren und der inneren Anschauung führte, nämlich: Die Poesie haftet nicht an Ort und Raum, man kaun sie nicht sehen wie ein Bild, daS da oder dort ist — man muß sie erleben als ein Inner¬ liches, bei dem das Wo schließlich Nebensache ist. Freilich die Anregungen zu kennen, aus denen sie hervorwächst, sie miterlebt zu haben bis zu einem gewissen Grade, ist auch etwas werth und mag das nachempfindende Verstehen erleichtern/ und dazu kann auch das Schallen der Orte dienen, an die sie sich knüpft — obgleich da immer eine Kluft bleibt zwischen dem äußerlich mit innerlich Geschauten: natürlich/ liegt doch das ganze^unendliche Dichtergemüt mit allen seinen Geheimnissen lind Tiefen dazwischen. Dieser Versuch einer Philosophie des Rheins hat mich so „angegriffen", daß ich über meinen Anfenthalt in Coblenz in Kürze hinweggehen will. Derselbe dauerte vom Dienstag nachmittag bis Freitag morgen, und wenn ich ein^Buch darüber schreiben wollte, so könnte ich mit den Titel dazu mir von Paolo Mantc- gazza entlehnen und müßte es nennen: 'l?est<z ca odrox/.e'. . . . Endlich zog ich von dannen in das siebengebirgige Bonn, und der Abend desselbigen Tages fand mich bereits auf dem Cyornmqangc des Cölner Doms, hiustarrend auf das mündliche Gewimmel von spilen und Bögen und Pfeilern, das wie ein riesiges Gerüste die farbenglühende, lustige Pracht des Innern zusammenballt......."

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_339148/135>, abgerufen am 23.12.2024.