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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Drittes Vierteljahr.

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Weltspiegel

lag selber und die Idylle des mit den Seinen bei einem kleinen Konditor unter¬
gekommenen entthronten Herzogs. Das alles ist weder Satire noch Persiflage --
dazu ist ja auch Presber von Herzen viel zu gutmütig und von Verstand viel
zu unpolitisch -- nein, das ist wahrer Humor, der uns mit einem lachenden und
einem weinenden Auge anblickt. Wenn man dagegen die etwas leicht hingelegte
Liebesgeschichte des einstigen Erbprinzen Wolf-Dietrich mit der Tochter Schau¬
spielerin des Hofkammerrates in die Abfindungsfrage verstrickt sieht und zuletzt
erleben muß, daß sie sich doch "kriegen, weil . . . und weil . .. und weil . ..
(aus tausend Gründen der NomanlogikI), so möchte man mit Presber schelten,
sein rotbäckiger Nachtischapsel sei doch recht wurmstichig und der ganze Roman
bloß eine Spekulation auf Masseninstinkte, die sich von je gern mit der Unter¬
wäsche der Fürsten befaßten, aber dieser "silberne Kranich" -- könnte es nicht
gar ein weißer Falke sein, dieser Mappenvogel und Vrdenssinnbild? -- er ist
weit mehr und will uns mehr sein, will dem Leser sagen: Sieh, so sieht es im
Leben und im Herzen jener hohen Kreise aus, die mitzgeleiteter Trotz und Haß
am 9. November'1918 schimpflich weggejagt hat! So leben sie und denken sie,
sind Menschen, die hoffen oder verzagen. Und dann das Völkchen rings um sie,
Schranzen und Schleppenträger, aber auch Treue und Tapfere. Nimm dir, Leser,
doch einmal die Mühe, in deiner Hast eine einzige Stunde, gedanklich bei denen
zu verweilen, welche einst Deutschlands Fürsten hießen. Sie sind nicht so ver¬
blendet, als man wähnt; sie sehen ein, was richtig war und was verfehlt --
auch sie sind Deutsche und lieben ihr Vaterland über alles, obgleich es sie verstieß.

Mit Recht dürfte wohl nach Rofners so andersartigen Buche vom Kaiser
dieser von deutscher Herzensheitcrkeit lächelnde Roman Rudolf Presbers das ge-
lesenste Buch des Sommers sein, denn es ist wirklich kein wurmstichiger Apfel,
sondern eine Nachspeise nach 1918, die Verstand und Gemüt anregt.




Weltspiegel

Oberschlesien und die Washingtoner Konferenz. "Die deutsche Negierung
hat an die Reparationskommission eine neue Zahlung im Betrage von ungefähr
31 Millionen Goldmark in europäischen Valuten geleistet .... Die gegenwärtige
Lage hinsichtlich der Ausführung des Artikels 5 des Zahlungsplanes ist die fol¬
gende (Zahlen in Goldmark): Tratten auf drei Monate Ende Mai übergeben:
839S73 000. Barzahlungen zur Vervollständigung der Milliarde l 60 427 000.
Deutschland hat bis heut" für die Amorlisierung der Tratten eine Summe von
114 949 690 Goldmark gezahlt____. wodurch die Gesamtsumme der Barzahlungen
von Monat Mai ab auf 275 376 690 Goldmark gebracht wird---- Außerdem
hat die Kriegslastenkommission soeben die Neparationskommission davon in Kenntnis
gesetzt, daß die deutsche Regierung eine abermalige Zahlung von etwa 41M>llionen
Goldmark in verschiedenen europäischen Valuten anbietet". So Wolffs Buro am
18. Juli. Gleichzeitig gehen die französischen Versuche, durch erneute und ver-


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lag selber und die Idylle des mit den Seinen bei einem kleinen Konditor unter¬
gekommenen entthronten Herzogs. Das alles ist weder Satire noch Persiflage —
dazu ist ja auch Presber von Herzen viel zu gutmütig und von Verstand viel
zu unpolitisch — nein, das ist wahrer Humor, der uns mit einem lachenden und
einem weinenden Auge anblickt. Wenn man dagegen die etwas leicht hingelegte
Liebesgeschichte des einstigen Erbprinzen Wolf-Dietrich mit der Tochter Schau¬
spielerin des Hofkammerrates in die Abfindungsfrage verstrickt sieht und zuletzt
erleben muß, daß sie sich doch „kriegen, weil . . . und weil . .. und weil . ..
(aus tausend Gründen der NomanlogikI), so möchte man mit Presber schelten,
sein rotbäckiger Nachtischapsel sei doch recht wurmstichig und der ganze Roman
bloß eine Spekulation auf Masseninstinkte, die sich von je gern mit der Unter¬
wäsche der Fürsten befaßten, aber dieser „silberne Kranich" — könnte es nicht
gar ein weißer Falke sein, dieser Mappenvogel und Vrdenssinnbild? — er ist
weit mehr und will uns mehr sein, will dem Leser sagen: Sieh, so sieht es im
Leben und im Herzen jener hohen Kreise aus, die mitzgeleiteter Trotz und Haß
am 9. November'1918 schimpflich weggejagt hat! So leben sie und denken sie,
sind Menschen, die hoffen oder verzagen. Und dann das Völkchen rings um sie,
Schranzen und Schleppenträger, aber auch Treue und Tapfere. Nimm dir, Leser,
doch einmal die Mühe, in deiner Hast eine einzige Stunde, gedanklich bei denen
zu verweilen, welche einst Deutschlands Fürsten hießen. Sie sind nicht so ver¬
blendet, als man wähnt; sie sehen ein, was richtig war und was verfehlt —
auch sie sind Deutsche und lieben ihr Vaterland über alles, obgleich es sie verstieß.

Mit Recht dürfte wohl nach Rofners so andersartigen Buche vom Kaiser
dieser von deutscher Herzensheitcrkeit lächelnde Roman Rudolf Presbers das ge-
lesenste Buch des Sommers sein, denn es ist wirklich kein wurmstichiger Apfel,
sondern eine Nachspeise nach 1918, die Verstand und Gemüt anregt.




Weltspiegel

Oberschlesien und die Washingtoner Konferenz. „Die deutsche Negierung
hat an die Reparationskommission eine neue Zahlung im Betrage von ungefähr
31 Millionen Goldmark in europäischen Valuten geleistet .... Die gegenwärtige
Lage hinsichtlich der Ausführung des Artikels 5 des Zahlungsplanes ist die fol¬
gende (Zahlen in Goldmark): Tratten auf drei Monate Ende Mai übergeben:
839S73 000. Barzahlungen zur Vervollständigung der Milliarde l 60 427 000.
Deutschland hat bis heut« für die Amorlisierung der Tratten eine Summe von
114 949 690 Goldmark gezahlt____. wodurch die Gesamtsumme der Barzahlungen
von Monat Mai ab auf 275 376 690 Goldmark gebracht wird---- Außerdem
hat die Kriegslastenkommission soeben die Neparationskommission davon in Kenntnis
gesetzt, daß die deutsche Regierung eine abermalige Zahlung von etwa 41M>llionen
Goldmark in verschiedenen europäischen Valuten anbietet". So Wolffs Buro am
18. Juli. Gleichzeitig gehen die französischen Versuche, durch erneute und ver-


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[0131] Weltspiegel lag selber und die Idylle des mit den Seinen bei einem kleinen Konditor unter¬ gekommenen entthronten Herzogs. Das alles ist weder Satire noch Persiflage — dazu ist ja auch Presber von Herzen viel zu gutmütig und von Verstand viel zu unpolitisch — nein, das ist wahrer Humor, der uns mit einem lachenden und einem weinenden Auge anblickt. Wenn man dagegen die etwas leicht hingelegte Liebesgeschichte des einstigen Erbprinzen Wolf-Dietrich mit der Tochter Schau¬ spielerin des Hofkammerrates in die Abfindungsfrage verstrickt sieht und zuletzt erleben muß, daß sie sich doch „kriegen, weil . . . und weil . .. und weil . .. (aus tausend Gründen der NomanlogikI), so möchte man mit Presber schelten, sein rotbäckiger Nachtischapsel sei doch recht wurmstichig und der ganze Roman bloß eine Spekulation auf Masseninstinkte, die sich von je gern mit der Unter¬ wäsche der Fürsten befaßten, aber dieser „silberne Kranich" — könnte es nicht gar ein weißer Falke sein, dieser Mappenvogel und Vrdenssinnbild? — er ist weit mehr und will uns mehr sein, will dem Leser sagen: Sieh, so sieht es im Leben und im Herzen jener hohen Kreise aus, die mitzgeleiteter Trotz und Haß am 9. November'1918 schimpflich weggejagt hat! So leben sie und denken sie, sind Menschen, die hoffen oder verzagen. Und dann das Völkchen rings um sie, Schranzen und Schleppenträger, aber auch Treue und Tapfere. Nimm dir, Leser, doch einmal die Mühe, in deiner Hast eine einzige Stunde, gedanklich bei denen zu verweilen, welche einst Deutschlands Fürsten hießen. Sie sind nicht so ver¬ blendet, als man wähnt; sie sehen ein, was richtig war und was verfehlt — auch sie sind Deutsche und lieben ihr Vaterland über alles, obgleich es sie verstieß. Mit Recht dürfte wohl nach Rofners so andersartigen Buche vom Kaiser dieser von deutscher Herzensheitcrkeit lächelnde Roman Rudolf Presbers das ge- lesenste Buch des Sommers sein, denn es ist wirklich kein wurmstichiger Apfel, sondern eine Nachspeise nach 1918, die Verstand und Gemüt anregt. Weltspiegel Oberschlesien und die Washingtoner Konferenz. „Die deutsche Negierung hat an die Reparationskommission eine neue Zahlung im Betrage von ungefähr 31 Millionen Goldmark in europäischen Valuten geleistet .... Die gegenwärtige Lage hinsichtlich der Ausführung des Artikels 5 des Zahlungsplanes ist die fol¬ gende (Zahlen in Goldmark): Tratten auf drei Monate Ende Mai übergeben: 839S73 000. Barzahlungen zur Vervollständigung der Milliarde l 60 427 000. Deutschland hat bis heut« für die Amorlisierung der Tratten eine Summe von 114 949 690 Goldmark gezahlt____. wodurch die Gesamtsumme der Barzahlungen von Monat Mai ab auf 275 376 690 Goldmark gebracht wird---- Außerdem hat die Kriegslastenkommission soeben die Neparationskommission davon in Kenntnis gesetzt, daß die deutsche Regierung eine abermalige Zahlung von etwa 41M>llionen Goldmark in verschiedenen europäischen Valuten anbietet". So Wolffs Buro am 18. Juli. Gleichzeitig gehen die französischen Versuche, durch erneute und ver-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_339148/131>, abgerufen am 04.07.2024.