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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Drittes Vierteljahr.

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Wirkungen des Krieges auf Vstasien

Wirkungen des Krieges auf Ostasien *)
v Oskar Scholz, Konsul z. D. on V. Schankung

^ ^grüßen Sie das deutsche Volk und sage,: Sie ihm, daß nicht nur ich
persönlich, sondern das chinesische Volk Deutschland
einen baldigen Sieg wünscht. Aus allen Teilen des
Landes höre ich diesen Wunsch und besonders aus Schankung,
wo die Bevölkerung jetzt leidet unter den neuen Herren."
Dies waren die Worte, die mir Feng Kuo chang, der damalige Vizepräsi¬
dent der chinesischen Republik, Ende 1916 mit auf den Weg gab. Ein halbes
Jahr später hat derselbe Mann als Präsident des Chinesischen Reiches dem Deut¬
schen Reiche deu Krieg erklärt, und wahrscheinlich hatte er schon bei den Ver¬
handlungen in der chinesischen Regierung, die zum Abbruch der diplomatischen
Beziehungen im Frühjahr 1917 führten, den entscheidenden Ausschlag gegeben.
Nichts liegt mir ferner, als ihm oder seinen Landsleuten, die ihm dabei zur
Seite standen, den Vorwurf der Treulosigkeit oder auch nur der Deutschfeind-
lirhkeit zu machen. Feng Kuo chang war ein aufrichtiger Bewunderer Deutsch¬
lands und fand gerade bei uns viel Wertvolles, das er gern auch ans sein eigenes
Volk und Land übertragen hätte; er war dnrch eine militärische Schulung nach
deutschem Vorbild gegangen; er hörte gern deutschen Rat und deutsche An¬
regungen; er war einer der ersten Vorkämpfer für eine bundesstaatliche Ver¬
fassung Chinas nach deutschem Muster, wie sie jetzt von anderen Chinesen auf
anderen Wegen wieder angestrebt wird. Aber so sehr er das deutsche Volk auch
schützte und bewunderte, das Schicksal des chinesischen Volkes stand ihm selbst¬
verständlich höher, und wenn er im Vertrauen auf die als Gegenleistung für
Chinas Kriegsbcitritt gegebenen Versprechungen der Bundesgenossen sich zu
diesem Schritt entschloß, so handelte er nicht viel anders als unsere eigenen
Landsleute, die im Laufe des Krieges zu dein Glauben gebracht werden konnten,
wir brauchten nur unseren Verzicht ans Kriegserwerbuugen und -entschädigungen
auszusprechen, unser Staatsoberhaupt zu vertreiben, unsere Regierungsform zu
demokratisieren und die Waffen niederzulegen, um sofort deu in 14 feierlichen
Punkten vorgegaukelten Frieden höchster Gerechtigkeit zu gewinnen. Auch Feng
Kilo chang hat sich getäuscht, und das chinesische Volk seufzt heute unter den
Folgen jeues großen Irrtums, besonders das Volk von Schankung.

Schankung liegt von allen Teilen Chinas uns Deutschen deshalb besonders
nahe, weil es die Provinz ist, in der die von der chinesischen NegieruiM an die
deutsche Negierun.g im Jahre 1899 auf 99 Jahre verpachtete Kiautschou-Bucht
lag, deren natürlichen Hafen die Deutschen zu^dein in der Folgezeit so berühmt
gewordenen Hafen von Tsingtäu entwickelt hatten, Von dem aus sie die
Schankung-Eisenbahn ins Innere bis zur Provinzhauptstadt Tsinanfu gebaut
und von wo aus sie die längs dieser Eisenbahn liegenden Kohleufelder erschlossen
hatten. Der Hafen sowohl wie das Städtchen galten bei Freund und Feind als
mustergültige Anlagen, das Seebad zog Gäste aus allen Gegenden Ostasiens an,



') Vergl. Grenzboten Hefte 17/18. 22/23, 2". 2S/26, 27/28.
Wirkungen des Krieges auf Vstasien

Wirkungen des Krieges auf Ostasien *)
v Oskar Scholz, Konsul z. D. on V. Schankung

^ ^grüßen Sie das deutsche Volk und sage,: Sie ihm, daß nicht nur ich
persönlich, sondern das chinesische Volk Deutschland
einen baldigen Sieg wünscht. Aus allen Teilen des
Landes höre ich diesen Wunsch und besonders aus Schankung,
wo die Bevölkerung jetzt leidet unter den neuen Herren."
Dies waren die Worte, die mir Feng Kuo chang, der damalige Vizepräsi¬
dent der chinesischen Republik, Ende 1916 mit auf den Weg gab. Ein halbes
Jahr später hat derselbe Mann als Präsident des Chinesischen Reiches dem Deut¬
schen Reiche deu Krieg erklärt, und wahrscheinlich hatte er schon bei den Ver¬
handlungen in der chinesischen Regierung, die zum Abbruch der diplomatischen
Beziehungen im Frühjahr 1917 führten, den entscheidenden Ausschlag gegeben.
Nichts liegt mir ferner, als ihm oder seinen Landsleuten, die ihm dabei zur
Seite standen, den Vorwurf der Treulosigkeit oder auch nur der Deutschfeind-
lirhkeit zu machen. Feng Kuo chang war ein aufrichtiger Bewunderer Deutsch¬
lands und fand gerade bei uns viel Wertvolles, das er gern auch ans sein eigenes
Volk und Land übertragen hätte; er war dnrch eine militärische Schulung nach
deutschem Vorbild gegangen; er hörte gern deutschen Rat und deutsche An¬
regungen; er war einer der ersten Vorkämpfer für eine bundesstaatliche Ver¬
fassung Chinas nach deutschem Muster, wie sie jetzt von anderen Chinesen auf
anderen Wegen wieder angestrebt wird. Aber so sehr er das deutsche Volk auch
schützte und bewunderte, das Schicksal des chinesischen Volkes stand ihm selbst¬
verständlich höher, und wenn er im Vertrauen auf die als Gegenleistung für
Chinas Kriegsbcitritt gegebenen Versprechungen der Bundesgenossen sich zu
diesem Schritt entschloß, so handelte er nicht viel anders als unsere eigenen
Landsleute, die im Laufe des Krieges zu dein Glauben gebracht werden konnten,
wir brauchten nur unseren Verzicht ans Kriegserwerbuugen und -entschädigungen
auszusprechen, unser Staatsoberhaupt zu vertreiben, unsere Regierungsform zu
demokratisieren und die Waffen niederzulegen, um sofort deu in 14 feierlichen
Punkten vorgegaukelten Frieden höchster Gerechtigkeit zu gewinnen. Auch Feng
Kilo chang hat sich getäuscht, und das chinesische Volk seufzt heute unter den
Folgen jeues großen Irrtums, besonders das Volk von Schankung.

Schankung liegt von allen Teilen Chinas uns Deutschen deshalb besonders
nahe, weil es die Provinz ist, in der die von der chinesischen NegieruiM an die
deutsche Negierun.g im Jahre 1899 auf 99 Jahre verpachtete Kiautschou-Bucht
lag, deren natürlichen Hafen die Deutschen zu^dein in der Folgezeit so berühmt
gewordenen Hafen von Tsingtäu entwickelt hatten, Von dem aus sie die
Schankung-Eisenbahn ins Innere bis zur Provinzhauptstadt Tsinanfu gebaut
und von wo aus sie die längs dieser Eisenbahn liegenden Kohleufelder erschlossen
hatten. Der Hafen sowohl wie das Städtchen galten bei Freund und Feind als
mustergültige Anlagen, das Seebad zog Gäste aus allen Gegenden Ostasiens an,



') Vergl. Grenzboten Hefte 17/18. 22/23, 2». 2S/26, 27/28.
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[0115] Wirkungen des Krieges auf Vstasien Wirkungen des Krieges auf Ostasien *) v Oskar Scholz, Konsul z. D. on V. Schankung ^ ^grüßen Sie das deutsche Volk und sage,: Sie ihm, daß nicht nur ich persönlich, sondern das chinesische Volk Deutschland einen baldigen Sieg wünscht. Aus allen Teilen des Landes höre ich diesen Wunsch und besonders aus Schankung, wo die Bevölkerung jetzt leidet unter den neuen Herren." Dies waren die Worte, die mir Feng Kuo chang, der damalige Vizepräsi¬ dent der chinesischen Republik, Ende 1916 mit auf den Weg gab. Ein halbes Jahr später hat derselbe Mann als Präsident des Chinesischen Reiches dem Deut¬ schen Reiche deu Krieg erklärt, und wahrscheinlich hatte er schon bei den Ver¬ handlungen in der chinesischen Regierung, die zum Abbruch der diplomatischen Beziehungen im Frühjahr 1917 führten, den entscheidenden Ausschlag gegeben. Nichts liegt mir ferner, als ihm oder seinen Landsleuten, die ihm dabei zur Seite standen, den Vorwurf der Treulosigkeit oder auch nur der Deutschfeind- lirhkeit zu machen. Feng Kuo chang war ein aufrichtiger Bewunderer Deutsch¬ lands und fand gerade bei uns viel Wertvolles, das er gern auch ans sein eigenes Volk und Land übertragen hätte; er war dnrch eine militärische Schulung nach deutschem Vorbild gegangen; er hörte gern deutschen Rat und deutsche An¬ regungen; er war einer der ersten Vorkämpfer für eine bundesstaatliche Ver¬ fassung Chinas nach deutschem Muster, wie sie jetzt von anderen Chinesen auf anderen Wegen wieder angestrebt wird. Aber so sehr er das deutsche Volk auch schützte und bewunderte, das Schicksal des chinesischen Volkes stand ihm selbst¬ verständlich höher, und wenn er im Vertrauen auf die als Gegenleistung für Chinas Kriegsbcitritt gegebenen Versprechungen der Bundesgenossen sich zu diesem Schritt entschloß, so handelte er nicht viel anders als unsere eigenen Landsleute, die im Laufe des Krieges zu dein Glauben gebracht werden konnten, wir brauchten nur unseren Verzicht ans Kriegserwerbuugen und -entschädigungen auszusprechen, unser Staatsoberhaupt zu vertreiben, unsere Regierungsform zu demokratisieren und die Waffen niederzulegen, um sofort deu in 14 feierlichen Punkten vorgegaukelten Frieden höchster Gerechtigkeit zu gewinnen. Auch Feng Kilo chang hat sich getäuscht, und das chinesische Volk seufzt heute unter den Folgen jeues großen Irrtums, besonders das Volk von Schankung. Schankung liegt von allen Teilen Chinas uns Deutschen deshalb besonders nahe, weil es die Provinz ist, in der die von der chinesischen NegieruiM an die deutsche Negierun.g im Jahre 1899 auf 99 Jahre verpachtete Kiautschou-Bucht lag, deren natürlichen Hafen die Deutschen zu^dein in der Folgezeit so berühmt gewordenen Hafen von Tsingtäu entwickelt hatten, Von dem aus sie die Schankung-Eisenbahn ins Innere bis zur Provinzhauptstadt Tsinanfu gebaut und von wo aus sie die längs dieser Eisenbahn liegenden Kohleufelder erschlossen hatten. Der Hafen sowohl wie das Städtchen galten bei Freund und Feind als mustergültige Anlagen, das Seebad zog Gäste aus allen Gegenden Ostasiens an, ') Vergl. Grenzboten Hefte 17/18. 22/23, 2». 2S/26, 27/28.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_339148/115>, abgerufen am 04.07.2024.