Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Drittes Vierteljahr.Lrzberger und kein Ende Veranstaltung selbständig vor. Arotz Veto des Arbeitsministers Dr. Brauns, Man horchte auf. Die Zentrumspresse, an ihrer Spitze die "Kölnische Das war die berühmte "politische Zurückhaltung" des unwahrhaftigen, un¬ Das interessanteste an alle dem war, daß Erzberger nicht etwa den demü¬ Lrzberger und kein Ende Veranstaltung selbständig vor. Arotz Veto des Arbeitsministers Dr. Brauns, Man horchte auf. Die Zentrumspresse, an ihrer Spitze die „Kölnische Das war die berühmte „politische Zurückhaltung" des unwahrhaftigen, un¬ Das interessanteste an alle dem war, daß Erzberger nicht etwa den demü¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0108" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/339257"/> <fw type="header" place="top"> Lrzberger und kein Ende</fw><lb/> <p xml:id="ID_358" prev="#ID_357"> Veranstaltung selbständig vor. Arotz Veto des Arbeitsministers Dr. Brauns,<lb/> womit gewissermaßen der Einspruch der Partei und der christlichen Ge¬<lb/> werkschaften zugleich ausgesprochen wurde, sand die sensationelle Kundgebung<lb/> .für Erzbergers Programm, den christlichen Solidarismus statt. Wieder ein<lb/> glatter Erfolg. Das Organ der katholischen Arbeitervereine Westdeutschlands<lb/> druckte die Rede im Wortlaut ab, und ließ sie als Propagandaschrift erscheinen.</p><lb/> <p xml:id="ID_359"> Man horchte auf. Die Zentrumspresse, an ihrer Spitze die „Kölnische<lb/> Bolkszeituug", berichtete „objektiv" über die neue Erzberger-Tätigkeit, das heißt,<lb/> sie verbeugte sich vor dem Erfolg und machte für den christlichen Solidarismus<lb/> Erzbergers die nötige Spalten-Reklame. Die Führung der Christlichen Gcwerk-<lb/> schaftsbeiveguiig gab sich damit nicht zufrieden. Der Arbeitsminister Dr. Brauns<lb/> vno ber preußische Ministerpräsident Stegerwald, die verantwortlichen Führer<lb/> des katholischen Flügels der Christlich-nationalen Arbeiterbewegung, fühlten sich<lb/> durch den sogenannten christlichen Solidarismus und die Werkgenossenschafts¬<lb/> propaganda Erzbergers ins Gesicht geschlagen. Der Kerl brachte ja mit seinen<lb/> Jdcenverfücschuilgen, mit seinen Massenvorführungen, mit seiner aufdringlichen<lb/> Propaganda, nicht zuletzt mit seiner Kritik an der Zentrumsführnng die ganze<lb/> Partei in Aufruhr. Höchst unangenehm! Bei all den Regierungssorgen im Reich<lb/> und in Preußen noch den Erzbergerstunk in der eigenen Partei! Die Erzbergcrei<lb/> breitete sich wie eine Pest aus. Vou Erfolg getragen, wanderte Erzberger selbst<lb/> von Stadt zu Stadt. Ein Massentriumph folgte dem andern. Im Frankfurter<lb/> Hippodrom sprach er vor fünftausend Zuhörern und ließ sich vou begeisterten<lb/> Massen zum Hotel begleiten. In den rheinisch-westfälischen Arbeiterhochburgen<lb/> ließ er sich von den Arbeitern auf die Schulter» heben. Ju Hagicn, in Iserlohn,<lb/> .in Schwelln, in Bochum tauchte er auf und ließ sich als Retter in der Not preisen.<lb/> Einen Höhepunkt bildete in Düsseldorf am 22. Mai das goldene Jubelfest eines<lb/> katholischen Arbeitervereins. Erzberger mußte gleich in zwei.großen Parallelver-<lb/> sammlungcu spreche». Am Erzbergcrfest nahm die gesamte Geistlichkeit von<lb/> Düsseldorf und Umgebung teil, sowie auch der Kölner Weihbischof Dr. Lausberg.<lb/> Ani dieselbe Zeit veranstalteten seine Freunde ihm zu Ehren einen „internatio¬<lb/> nalen Katholikentag", wobei sich Erzberger in Ermangelung von wirklichen<lb/> Würdenträgern der Kirche wie ein Laienpapst gerierte.</p><lb/> <p xml:id="ID_360"> Das war die berühmte „politische Zurückhaltung" des unwahrhaftigen, un¬<lb/> anständigen und korrupten Herrn Erzberger. Wenn es nicht in allen Einzelheiten<lb/> nachzukontrollieren wäre, würde man geneigt sein, diese ganze Erzbergerei als<lb/> einen faulen Witz zu bezeichnen Es war eine nur zu traurige Wirklichkeit!</p><lb/> <p xml:id="ID_361" next="#ID_362"> Das interessanteste an alle dem war, daß Erzberger nicht etwa den demü¬<lb/> tigen Dienst an der Partei er-t, um. sich durch fleißige Prvpagandaarbeit zu.<lb/> rehabilitieren. Naive Gemüter in der Provinz mögen vielleicht die rastlose.<lb/> Agitations- und Aufklürungstätigkeit des „großen Staatsmannes" so aufgefaßt<lb/> haben. Praktisch und inhaltlich war die ganze Tätigkeit Erzbergers gegen die<lb/> offizielle Zentrumspolitik gerichtet. Erzberger machte kein Hehl daraus, daß er<lb/> die jetzigen Autoritäten der Zentrumspartei mißachtete. Vom „alten Spahn"<lb/> .wurde draußen kolportiert, daß in der Meineidssache eigentlich der „alte Manu"<lb/> auf die Anklagebank gehöre, aber nicht Erzberger, den Spahn dummerweise be¬<lb/> lastet habe. Vom Reichskanzler Fehreubach wagte Erzberger in dessen Heimat</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0108]
Lrzberger und kein Ende
Veranstaltung selbständig vor. Arotz Veto des Arbeitsministers Dr. Brauns,
womit gewissermaßen der Einspruch der Partei und der christlichen Ge¬
werkschaften zugleich ausgesprochen wurde, sand die sensationelle Kundgebung
.für Erzbergers Programm, den christlichen Solidarismus statt. Wieder ein
glatter Erfolg. Das Organ der katholischen Arbeitervereine Westdeutschlands
druckte die Rede im Wortlaut ab, und ließ sie als Propagandaschrift erscheinen.
Man horchte auf. Die Zentrumspresse, an ihrer Spitze die „Kölnische
Bolkszeituug", berichtete „objektiv" über die neue Erzberger-Tätigkeit, das heißt,
sie verbeugte sich vor dem Erfolg und machte für den christlichen Solidarismus
Erzbergers die nötige Spalten-Reklame. Die Führung der Christlichen Gcwerk-
schaftsbeiveguiig gab sich damit nicht zufrieden. Der Arbeitsminister Dr. Brauns
vno ber preußische Ministerpräsident Stegerwald, die verantwortlichen Führer
des katholischen Flügels der Christlich-nationalen Arbeiterbewegung, fühlten sich
durch den sogenannten christlichen Solidarismus und die Werkgenossenschafts¬
propaganda Erzbergers ins Gesicht geschlagen. Der Kerl brachte ja mit seinen
Jdcenverfücschuilgen, mit seinen Massenvorführungen, mit seiner aufdringlichen
Propaganda, nicht zuletzt mit seiner Kritik an der Zentrumsführnng die ganze
Partei in Aufruhr. Höchst unangenehm! Bei all den Regierungssorgen im Reich
und in Preußen noch den Erzbergerstunk in der eigenen Partei! Die Erzbergcrei
breitete sich wie eine Pest aus. Vou Erfolg getragen, wanderte Erzberger selbst
von Stadt zu Stadt. Ein Massentriumph folgte dem andern. Im Frankfurter
Hippodrom sprach er vor fünftausend Zuhörern und ließ sich vou begeisterten
Massen zum Hotel begleiten. In den rheinisch-westfälischen Arbeiterhochburgen
ließ er sich von den Arbeitern auf die Schulter» heben. Ju Hagicn, in Iserlohn,
.in Schwelln, in Bochum tauchte er auf und ließ sich als Retter in der Not preisen.
Einen Höhepunkt bildete in Düsseldorf am 22. Mai das goldene Jubelfest eines
katholischen Arbeitervereins. Erzberger mußte gleich in zwei.großen Parallelver-
sammlungcu spreche». Am Erzbergcrfest nahm die gesamte Geistlichkeit von
Düsseldorf und Umgebung teil, sowie auch der Kölner Weihbischof Dr. Lausberg.
Ani dieselbe Zeit veranstalteten seine Freunde ihm zu Ehren einen „internatio¬
nalen Katholikentag", wobei sich Erzberger in Ermangelung von wirklichen
Würdenträgern der Kirche wie ein Laienpapst gerierte.
Das war die berühmte „politische Zurückhaltung" des unwahrhaftigen, un¬
anständigen und korrupten Herrn Erzberger. Wenn es nicht in allen Einzelheiten
nachzukontrollieren wäre, würde man geneigt sein, diese ganze Erzbergerei als
einen faulen Witz zu bezeichnen Es war eine nur zu traurige Wirklichkeit!
Das interessanteste an alle dem war, daß Erzberger nicht etwa den demü¬
tigen Dienst an der Partei er-t, um. sich durch fleißige Prvpagandaarbeit zu.
rehabilitieren. Naive Gemüter in der Provinz mögen vielleicht die rastlose.
Agitations- und Aufklürungstätigkeit des „großen Staatsmannes" so aufgefaßt
haben. Praktisch und inhaltlich war die ganze Tätigkeit Erzbergers gegen die
offizielle Zentrumspolitik gerichtet. Erzberger machte kein Hehl daraus, daß er
die jetzigen Autoritäten der Zentrumspartei mißachtete. Vom „alten Spahn"
.wurde draußen kolportiert, daß in der Meineidssache eigentlich der „alte Manu"
auf die Anklagebank gehöre, aber nicht Erzberger, den Spahn dummerweise be¬
lastet habe. Vom Reichskanzler Fehreubach wagte Erzberger in dessen Heimat
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