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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Zweites Vierteljahr.

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Zur Schuldfrage

liest sich ungemein reizvoll, weil man überall die Fürstenbegegnungen und Dialoge
an Hand der geschichtlichen Quellen nachkontrollieren kann. Das auf mehrere
Bände berechnete Werk ist ein äußerst anziehendes Novum. Aus wessen Feder es
wohl stammt? -- Mühlmanns Verlag bringt daneben noch ein ähnliches anonymes
(mehrbändiges) Werk "Die sterbende Monarchie" heraus, welches im reinen,
irgendwo spielenden Romon angewandte Geschichte Preußens geben will, dabei
aber einerseits im trockenen Material erstickt, andrerseits in arge Filmmanier
versinkt. Das Buch ist gewiß gutgemeint, will jedem etwas bringen und bis zu
den Abdankungen von 1913 hinführen, aber es bewahrheitet nur ein altes Wort:
(M trop einhi'Asse, mal entrg,wo. Wer dagegen ein echtes Buch des aveisu röglin"
lesen will, wer die Zeit des "Alten Herrn" mit all ihrem weichen Glanz der
Güte und Einfachheit, des preußischen Pflichtbewußtseins noch einmal ganz auf sich
einwirken lassen will, der lese Otto von Gottbergs ebenso flottes wie pietät¬
volles Buch aus den besten Tagen des alten Kaisers Wilhelm und seines preußischen
Berlin "Kaiserglanz" (Buchverlag der Täglichen Rundschau, Berlin). Da ist
über alle neumodisch versuchten Schlüsselromane hinaus der Versuch gelungen, jene
Zeit wahrhaft lebendig zu machen, welche die Älteren unter uns noch erlebten und
welche den Jüngsten in Deutschland so bitter not tut, weil wir kein Heer und
kaum noch eine Ehr' haben -- das Zeitalter der Pflichterfüllung!




Zur Schuldfrage

^le Anklage, die das Ultimatum der Entente vom 16. Juni 1919
enthält und die die Begründung für den Artikel 231 des
Friedensvertrages darstellt, lautet zusammengefaßt auf einen
längst vorbereiteten, mit Vorbedacht herbeigeführten Angriffs-,
, Eroberungs- und Unterjochungskrieg seitens Deutschland.^>

Il2 Graf Montgelas unternimmt es in einer kleinen Broschüre, die
im Verlage der Kulturliga unter^obigemTitel erschienen ist und nur 2 Mark kostet, diese
Anklage zu zergliedern und zu widerlegen. Leider kann der bekannte Graf sich
nicht freimachen davon, gleich auf der ersten Seite den Anteil Deutschlands an
der gemeinsamen Schuld anzuerkennen. Wir sind anderer Ansicht: die Schuld am Kriege
nlcyts an dem on eigen Werte ver BrcWUre, un ^egemeu, lyr ^mya" or^u>"u
unsere Ansicht. Das zeigt insbesondere der Abschnitt "Die Gelegenheiten zum Kriege"

Daß Zahlen beweisen, ergibt sich aus Abschnitt 3, "Deutschlands Haltung
"ach dem Russisch-Japanischen Kriege". Der Graf sagt:

"Völlig unvereinbar mit der Wahrheit ist die Behauptung des Ultimatums
der Entente, die deutsche Negierung habe


unmittelbar nachdem Rußland von Japan im fernen Osten geschlagen und
durch die nachfolgende Revolution nahezu gelähmt war, sofort ihre Bemühungen
verdoppelt, die Rüstungen zu vergrößern und ihre Nachbarn unter Androhung
des Krieges zu tyrannisieren/

Zur Schuldfrage

liest sich ungemein reizvoll, weil man überall die Fürstenbegegnungen und Dialoge
an Hand der geschichtlichen Quellen nachkontrollieren kann. Das auf mehrere
Bände berechnete Werk ist ein äußerst anziehendes Novum. Aus wessen Feder es
wohl stammt? — Mühlmanns Verlag bringt daneben noch ein ähnliches anonymes
(mehrbändiges) Werk „Die sterbende Monarchie" heraus, welches im reinen,
irgendwo spielenden Romon angewandte Geschichte Preußens geben will, dabei
aber einerseits im trockenen Material erstickt, andrerseits in arge Filmmanier
versinkt. Das Buch ist gewiß gutgemeint, will jedem etwas bringen und bis zu
den Abdankungen von 1913 hinführen, aber es bewahrheitet nur ein altes Wort:
(M trop einhi'Asse, mal entrg,wo. Wer dagegen ein echtes Buch des aveisu röglin«
lesen will, wer die Zeit des „Alten Herrn" mit all ihrem weichen Glanz der
Güte und Einfachheit, des preußischen Pflichtbewußtseins noch einmal ganz auf sich
einwirken lassen will, der lese Otto von Gottbergs ebenso flottes wie pietät¬
volles Buch aus den besten Tagen des alten Kaisers Wilhelm und seines preußischen
Berlin „Kaiserglanz" (Buchverlag der Täglichen Rundschau, Berlin). Da ist
über alle neumodisch versuchten Schlüsselromane hinaus der Versuch gelungen, jene
Zeit wahrhaft lebendig zu machen, welche die Älteren unter uns noch erlebten und
welche den Jüngsten in Deutschland so bitter not tut, weil wir kein Heer und
kaum noch eine Ehr' haben — das Zeitalter der Pflichterfüllung!




Zur Schuldfrage

^le Anklage, die das Ultimatum der Entente vom 16. Juni 1919
enthält und die die Begründung für den Artikel 231 des
Friedensvertrages darstellt, lautet zusammengefaßt auf einen
längst vorbereiteten, mit Vorbedacht herbeigeführten Angriffs-,
, Eroberungs- und Unterjochungskrieg seitens Deutschland.^>

Il2 Graf Montgelas unternimmt es in einer kleinen Broschüre, die
im Verlage der Kulturliga unter^obigemTitel erschienen ist und nur 2 Mark kostet, diese
Anklage zu zergliedern und zu widerlegen. Leider kann der bekannte Graf sich
nicht freimachen davon, gleich auf der ersten Seite den Anteil Deutschlands an
der gemeinsamen Schuld anzuerkennen. Wir sind anderer Ansicht: die Schuld am Kriege
nlcyts an dem on eigen Werte ver BrcWUre, un ^egemeu, lyr ^mya» or^u>"u
unsere Ansicht. Das zeigt insbesondere der Abschnitt „Die Gelegenheiten zum Kriege"

Daß Zahlen beweisen, ergibt sich aus Abschnitt 3, „Deutschlands Haltung
»ach dem Russisch-Japanischen Kriege". Der Graf sagt:

„Völlig unvereinbar mit der Wahrheit ist die Behauptung des Ultimatums
der Entente, die deutsche Negierung habe


unmittelbar nachdem Rußland von Japan im fernen Osten geschlagen und
durch die nachfolgende Revolution nahezu gelähmt war, sofort ihre Bemühungen
verdoppelt, die Rüstungen zu vergrößern und ihre Nachbarn unter Androhung
des Krieges zu tyrannisieren/

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[0079] Zur Schuldfrage liest sich ungemein reizvoll, weil man überall die Fürstenbegegnungen und Dialoge an Hand der geschichtlichen Quellen nachkontrollieren kann. Das auf mehrere Bände berechnete Werk ist ein äußerst anziehendes Novum. Aus wessen Feder es wohl stammt? — Mühlmanns Verlag bringt daneben noch ein ähnliches anonymes (mehrbändiges) Werk „Die sterbende Monarchie" heraus, welches im reinen, irgendwo spielenden Romon angewandte Geschichte Preußens geben will, dabei aber einerseits im trockenen Material erstickt, andrerseits in arge Filmmanier versinkt. Das Buch ist gewiß gutgemeint, will jedem etwas bringen und bis zu den Abdankungen von 1913 hinführen, aber es bewahrheitet nur ein altes Wort: (M trop einhi'Asse, mal entrg,wo. Wer dagegen ein echtes Buch des aveisu röglin« lesen will, wer die Zeit des „Alten Herrn" mit all ihrem weichen Glanz der Güte und Einfachheit, des preußischen Pflichtbewußtseins noch einmal ganz auf sich einwirken lassen will, der lese Otto von Gottbergs ebenso flottes wie pietät¬ volles Buch aus den besten Tagen des alten Kaisers Wilhelm und seines preußischen Berlin „Kaiserglanz" (Buchverlag der Täglichen Rundschau, Berlin). Da ist über alle neumodisch versuchten Schlüsselromane hinaus der Versuch gelungen, jene Zeit wahrhaft lebendig zu machen, welche die Älteren unter uns noch erlebten und welche den Jüngsten in Deutschland so bitter not tut, weil wir kein Heer und kaum noch eine Ehr' haben — das Zeitalter der Pflichterfüllung! Zur Schuldfrage ^le Anklage, die das Ultimatum der Entente vom 16. Juni 1919 enthält und die die Begründung für den Artikel 231 des Friedensvertrages darstellt, lautet zusammengefaßt auf einen längst vorbereiteten, mit Vorbedacht herbeigeführten Angriffs-, , Eroberungs- und Unterjochungskrieg seitens Deutschland.^> Il2 Graf Montgelas unternimmt es in einer kleinen Broschüre, die im Verlage der Kulturliga unter^obigemTitel erschienen ist und nur 2 Mark kostet, diese Anklage zu zergliedern und zu widerlegen. Leider kann der bekannte Graf sich nicht freimachen davon, gleich auf der ersten Seite den Anteil Deutschlands an der gemeinsamen Schuld anzuerkennen. Wir sind anderer Ansicht: die Schuld am Kriege nlcyts an dem on eigen Werte ver BrcWUre, un ^egemeu, lyr ^mya» or^u>"u unsere Ansicht. Das zeigt insbesondere der Abschnitt „Die Gelegenheiten zum Kriege" Daß Zahlen beweisen, ergibt sich aus Abschnitt 3, „Deutschlands Haltung »ach dem Russisch-Japanischen Kriege". Der Graf sagt: „Völlig unvereinbar mit der Wahrheit ist die Behauptung des Ultimatums der Entente, die deutsche Negierung habe unmittelbar nachdem Rußland von Japan im fernen Osten geschlagen und durch die nachfolgende Revolution nahezu gelähmt war, sofort ihre Bemühungen verdoppelt, die Rüstungen zu vergrößern und ihre Nachbarn unter Androhung des Krieges zu tyrannisieren/

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_338800/79>, abgerufen am 27.11.2024.