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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Zweites Vierteljahr.

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tränkt und drittens von so viel Vorsichtsklauseln umgeben, daß man sich seine
Haltbarkeit nur sehr schwer vorstellen kann. Dennoch unterscheidet es sich sehr
vorteilhaft von sämtlichen seit dem 11. November 1918 geschlossenen Friedens-
verträgen und kann als eine erste wirkliche Friedenstaube begrüßt werden. Bildet
es doch ein Anzeichen dafür, daß die allgemeine, auf Jntrcmsigenz, auf unerreich¬
bare Ideale gerichtete Kriegsmentalität der ruhigeren Auffassung zu weichen
beginnt, daß hauptsächlich infolge der Entwicklung, die der Welthandel genommen
hat, in der modernen Politik immer wieder nur der Kompromiß möglich ist, daß
das Ringen hart auf hart nur zu weiterer beiderseitiger, nicht nur wirtschaftlicher,
sondern' auch sittlicher Verelendung führt, daß Regieren nicht Bewegen und
Proklamieren, sondern Durchdringen und Wirken heißt. Es ist jschwer zu sagen,
welche von beiden Parteien mehr nachgegeben hat und mit der Unterzeichnung
dieses Abkommens daS größere Opfer bringt: ob die Sowjetrcgierung, die damit
die Hoffnung auf die Weltrevolution scheinbar aufgegeben hat und mit einer
kcrpitalistischen Negierung verhandelt, oder die englische, die ein Regime, das jahre¬
lang als nicht nur verbrecherisch, sondern auch morsch hingestellt und mit viel
Aufwand an Blut und noch mehr an Geld bekämpft wurde, as l'aeto anerkannt
und sich dadurch bei den nächsten Verbündeten äußerst unbeliebt macht. Der
größere positive Vorteil aber scheint auf feiten Rußlands zu liegen, selbst wenn
man dein Umstand Rechnung trägt, daß England infolge der Herstellung des
Friedenszustandes mit Rußland die für seinen Handel unentbehrliche, baldige fried¬
liche Einigung zwischen Frankreich und Deutschland nicht mehr so nötig braucht,
irr Gegenteil infolge der Fortdauer des deutsch-französischen.Konflikts nicht nur
die drohende deutsche .Konkurrenz in Rußland lähmt, sondern auch den französischen
Bundesgenossen Amerika gegenüber an der Stange hält. Denn die Hauptbedingung,
von deren Innchaltung das ganze Abkommen" gleich eingangs abhängig gemacht
wird: die Einstellung der russischen Propaganda in Asien, steht doch im wesent¬
lichen auf dem Papier, ihre Beobachtung auf feiten Rußlands kann, zumal da die
asiatische Sowjetpropaganda jetzt schon fast überall in der Form einheimischer
Brandherde auftritt, nur sehr schwer kontrolliert werden, jedenfalls schwieriger als
eine etwaige englische Antibolschewistenprvpaganda in Rußland oder in den Raub-
staaten, die ja, soweit sie gegen eine starke russische Zentralgewalt gerichtet ist,
nur alter, von der russischen Revolution von 1905 her genugsam bekannter
Tradition entsprechen würde. Bezeichnend genug ist denn auch, daß das Abkommen
zwar von Indien und Afghanistan namentlich spricht, Persien aber unerwähnt
läßt, obgleich es den Russen dort jetzt beinahe gelungen ist, wieder den Zustand
von 1907 herbeizuführen, und die Engländer trotz abermaligen Regierungswechsels
in Persien die heiß erstrebte Ratifizicrung des englisch-Persischen Vertrages noch
immer nicht haben durchsetzen können.

Über die Ausdehnung und Bedrohlichkeit dieser sowjetistischcn Asienpropaganda
gibt das bei Unterzeichnung des Abkommens Krassin überreichte Schreiben Sir
Robert Hornes Auskunft, das um so bemerkenswerter ist, als es nicht nur den
latent zwischen beiden Ländern mit fast unverminderter Schärfe weiter bestehenden
Kriegszustand erkennen läßt, sondern auch ein seltenes authentisches englisches Ein¬
geständnis der Wirksamkeit dieser Propaganda bildet.

"Die englische Regierung", heißt es dort, "bat die gewichtigsten Ursachen zu der An¬
nahme, daß den Hauptgegenstand der zwischen der afghanischen und der Sowjetregierung ge¬
pflogenen Unterhandlungen die Erleichterung und Ermöglichung von Angriffen auf den Frieden
Indiens gebildet hat. Der russische Gesandte in Kabul, Suritz, hat als eine der wichtigsten
Konzessionen der afghanischen Regierung die Garantie sicheren und sofortigen Transportes
einer großen Zahl von Gewehren und bedeutenden Mnnitionsmengcn durch Afghanistan zu
den Grenzstämmen innerhalb der englisch-indischen Grenze bezeichnet, was eine offen feindliche
Handlung bedeutet. Die Sowjctregicrung weiß ganz genau, daß das Eintreffen von Waffen
und Munition schon hinreicht, diese Stämme zum Angriff auf indisches Gebiet aufzureizen.
Aber damit nicht genug, hat der Vertreter der Sowjets eine Verbindung'mit den ausgesprochen
antibritifchen Führern dieser Stämme hergestellt und Sorge getragen, führende Afghanen,
besonders den Oberlommandiercnden, Nadir Khan, in diese Unterhandlungen zu verwickeln.


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tränkt und drittens von so viel Vorsichtsklauseln umgeben, daß man sich seine
Haltbarkeit nur sehr schwer vorstellen kann. Dennoch unterscheidet es sich sehr
vorteilhaft von sämtlichen seit dem 11. November 1918 geschlossenen Friedens-
verträgen und kann als eine erste wirkliche Friedenstaube begrüßt werden. Bildet
es doch ein Anzeichen dafür, daß die allgemeine, auf Jntrcmsigenz, auf unerreich¬
bare Ideale gerichtete Kriegsmentalität der ruhigeren Auffassung zu weichen
beginnt, daß hauptsächlich infolge der Entwicklung, die der Welthandel genommen
hat, in der modernen Politik immer wieder nur der Kompromiß möglich ist, daß
das Ringen hart auf hart nur zu weiterer beiderseitiger, nicht nur wirtschaftlicher,
sondern' auch sittlicher Verelendung führt, daß Regieren nicht Bewegen und
Proklamieren, sondern Durchdringen und Wirken heißt. Es ist jschwer zu sagen,
welche von beiden Parteien mehr nachgegeben hat und mit der Unterzeichnung
dieses Abkommens daS größere Opfer bringt: ob die Sowjetrcgierung, die damit
die Hoffnung auf die Weltrevolution scheinbar aufgegeben hat und mit einer
kcrpitalistischen Negierung verhandelt, oder die englische, die ein Regime, das jahre¬
lang als nicht nur verbrecherisch, sondern auch morsch hingestellt und mit viel
Aufwand an Blut und noch mehr an Geld bekämpft wurde, as l'aeto anerkannt
und sich dadurch bei den nächsten Verbündeten äußerst unbeliebt macht. Der
größere positive Vorteil aber scheint auf feiten Rußlands zu liegen, selbst wenn
man dein Umstand Rechnung trägt, daß England infolge der Herstellung des
Friedenszustandes mit Rußland die für seinen Handel unentbehrliche, baldige fried¬
liche Einigung zwischen Frankreich und Deutschland nicht mehr so nötig braucht,
irr Gegenteil infolge der Fortdauer des deutsch-französischen.Konflikts nicht nur
die drohende deutsche .Konkurrenz in Rußland lähmt, sondern auch den französischen
Bundesgenossen Amerika gegenüber an der Stange hält. Denn die Hauptbedingung,
von deren Innchaltung das ganze Abkommen" gleich eingangs abhängig gemacht
wird: die Einstellung der russischen Propaganda in Asien, steht doch im wesent¬
lichen auf dem Papier, ihre Beobachtung auf feiten Rußlands kann, zumal da die
asiatische Sowjetpropaganda jetzt schon fast überall in der Form einheimischer
Brandherde auftritt, nur sehr schwer kontrolliert werden, jedenfalls schwieriger als
eine etwaige englische Antibolschewistenprvpaganda in Rußland oder in den Raub-
staaten, die ja, soweit sie gegen eine starke russische Zentralgewalt gerichtet ist,
nur alter, von der russischen Revolution von 1905 her genugsam bekannter
Tradition entsprechen würde. Bezeichnend genug ist denn auch, daß das Abkommen
zwar von Indien und Afghanistan namentlich spricht, Persien aber unerwähnt
läßt, obgleich es den Russen dort jetzt beinahe gelungen ist, wieder den Zustand
von 1907 herbeizuführen, und die Engländer trotz abermaligen Regierungswechsels
in Persien die heiß erstrebte Ratifizicrung des englisch-Persischen Vertrages noch
immer nicht haben durchsetzen können.

Über die Ausdehnung und Bedrohlichkeit dieser sowjetistischcn Asienpropaganda
gibt das bei Unterzeichnung des Abkommens Krassin überreichte Schreiben Sir
Robert Hornes Auskunft, das um so bemerkenswerter ist, als es nicht nur den
latent zwischen beiden Ländern mit fast unverminderter Schärfe weiter bestehenden
Kriegszustand erkennen läßt, sondern auch ein seltenes authentisches englisches Ein¬
geständnis der Wirksamkeit dieser Propaganda bildet.

„Die englische Regierung", heißt es dort, „bat die gewichtigsten Ursachen zu der An¬
nahme, daß den Hauptgegenstand der zwischen der afghanischen und der Sowjetregierung ge¬
pflogenen Unterhandlungen die Erleichterung und Ermöglichung von Angriffen auf den Frieden
Indiens gebildet hat. Der russische Gesandte in Kabul, Suritz, hat als eine der wichtigsten
Konzessionen der afghanischen Regierung die Garantie sicheren und sofortigen Transportes
einer großen Zahl von Gewehren und bedeutenden Mnnitionsmengcn durch Afghanistan zu
den Grenzstämmen innerhalb der englisch-indischen Grenze bezeichnet, was eine offen feindliche
Handlung bedeutet. Die Sowjctregicrung weiß ganz genau, daß das Eintreffen von Waffen
und Munition schon hinreicht, diese Stämme zum Angriff auf indisches Gebiet aufzureizen.
Aber damit nicht genug, hat der Vertreter der Sowjets eine Verbindung'mit den ausgesprochen
antibritifchen Führern dieser Stämme hergestellt und Sorge getragen, führende Afghanen,
besonders den Oberlommandiercnden, Nadir Khan, in diese Unterhandlungen zu verwickeln.


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[0044] Iveltspiegel tränkt und drittens von so viel Vorsichtsklauseln umgeben, daß man sich seine Haltbarkeit nur sehr schwer vorstellen kann. Dennoch unterscheidet es sich sehr vorteilhaft von sämtlichen seit dem 11. November 1918 geschlossenen Friedens- verträgen und kann als eine erste wirkliche Friedenstaube begrüßt werden. Bildet es doch ein Anzeichen dafür, daß die allgemeine, auf Jntrcmsigenz, auf unerreich¬ bare Ideale gerichtete Kriegsmentalität der ruhigeren Auffassung zu weichen beginnt, daß hauptsächlich infolge der Entwicklung, die der Welthandel genommen hat, in der modernen Politik immer wieder nur der Kompromiß möglich ist, daß das Ringen hart auf hart nur zu weiterer beiderseitiger, nicht nur wirtschaftlicher, sondern' auch sittlicher Verelendung führt, daß Regieren nicht Bewegen und Proklamieren, sondern Durchdringen und Wirken heißt. Es ist jschwer zu sagen, welche von beiden Parteien mehr nachgegeben hat und mit der Unterzeichnung dieses Abkommens daS größere Opfer bringt: ob die Sowjetrcgierung, die damit die Hoffnung auf die Weltrevolution scheinbar aufgegeben hat und mit einer kcrpitalistischen Negierung verhandelt, oder die englische, die ein Regime, das jahre¬ lang als nicht nur verbrecherisch, sondern auch morsch hingestellt und mit viel Aufwand an Blut und noch mehr an Geld bekämpft wurde, as l'aeto anerkannt und sich dadurch bei den nächsten Verbündeten äußerst unbeliebt macht. Der größere positive Vorteil aber scheint auf feiten Rußlands zu liegen, selbst wenn man dein Umstand Rechnung trägt, daß England infolge der Herstellung des Friedenszustandes mit Rußland die für seinen Handel unentbehrliche, baldige fried¬ liche Einigung zwischen Frankreich und Deutschland nicht mehr so nötig braucht, irr Gegenteil infolge der Fortdauer des deutsch-französischen.Konflikts nicht nur die drohende deutsche .Konkurrenz in Rußland lähmt, sondern auch den französischen Bundesgenossen Amerika gegenüber an der Stange hält. Denn die Hauptbedingung, von deren Innchaltung das ganze Abkommen" gleich eingangs abhängig gemacht wird: die Einstellung der russischen Propaganda in Asien, steht doch im wesent¬ lichen auf dem Papier, ihre Beobachtung auf feiten Rußlands kann, zumal da die asiatische Sowjetpropaganda jetzt schon fast überall in der Form einheimischer Brandherde auftritt, nur sehr schwer kontrolliert werden, jedenfalls schwieriger als eine etwaige englische Antibolschewistenprvpaganda in Rußland oder in den Raub- staaten, die ja, soweit sie gegen eine starke russische Zentralgewalt gerichtet ist, nur alter, von der russischen Revolution von 1905 her genugsam bekannter Tradition entsprechen würde. Bezeichnend genug ist denn auch, daß das Abkommen zwar von Indien und Afghanistan namentlich spricht, Persien aber unerwähnt läßt, obgleich es den Russen dort jetzt beinahe gelungen ist, wieder den Zustand von 1907 herbeizuführen, und die Engländer trotz abermaligen Regierungswechsels in Persien die heiß erstrebte Ratifizicrung des englisch-Persischen Vertrages noch immer nicht haben durchsetzen können. Über die Ausdehnung und Bedrohlichkeit dieser sowjetistischcn Asienpropaganda gibt das bei Unterzeichnung des Abkommens Krassin überreichte Schreiben Sir Robert Hornes Auskunft, das um so bemerkenswerter ist, als es nicht nur den latent zwischen beiden Ländern mit fast unverminderter Schärfe weiter bestehenden Kriegszustand erkennen läßt, sondern auch ein seltenes authentisches englisches Ein¬ geständnis der Wirksamkeit dieser Propaganda bildet. „Die englische Regierung", heißt es dort, „bat die gewichtigsten Ursachen zu der An¬ nahme, daß den Hauptgegenstand der zwischen der afghanischen und der Sowjetregierung ge¬ pflogenen Unterhandlungen die Erleichterung und Ermöglichung von Angriffen auf den Frieden Indiens gebildet hat. Der russische Gesandte in Kabul, Suritz, hat als eine der wichtigsten Konzessionen der afghanischen Regierung die Garantie sicheren und sofortigen Transportes einer großen Zahl von Gewehren und bedeutenden Mnnitionsmengcn durch Afghanistan zu den Grenzstämmen innerhalb der englisch-indischen Grenze bezeichnet, was eine offen feindliche Handlung bedeutet. Die Sowjctregicrung weiß ganz genau, daß das Eintreffen von Waffen und Munition schon hinreicht, diese Stämme zum Angriff auf indisches Gebiet aufzureizen. Aber damit nicht genug, hat der Vertreter der Sowjets eine Verbindung'mit den ausgesprochen antibritifchen Führern dieser Stämme hergestellt und Sorge getragen, führende Afghanen, besonders den Oberlommandiercnden, Nadir Khan, in diese Unterhandlungen zu verwickeln.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_338800/44>, abgerufen am 22.07.2024.