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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Zweites Vierteljahr.

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Karl Marx

und Shakespeare kennzeichnet das geistige Herrentum, das prometheische Molo
seiner Erstlingsschrift die "große geistige Leidenschaft" des Mannes von allgemeinen
Strebungen, wie er sich nennt. So sehen wir ihn Macht gewinnen in der
"Rheinischen Zeitung" des radikalen Bürgertums von 1849, herrschen im
Kommunistenbund von 1847, der ihm 1848 ausdrücklich die Diktatvrschaft des
Bundes überträgt. Nicht so sehr den im "Kommunistischen Manifest" eben ge¬
prägten Marxismus, wie den "Redakteur en eliot' Karl 'Marx" finden wir als
geistigen Herrscher der "Neue" Rheinischen Zeitung" im Sturmjahr 1848/49. Ob
er sich im Exil mit Engels selber zu Vertretern der proletarischen Partei bestellt,
ob er die sogenannte 1. Internationale leitet, ob er die liberale Ökonomie der
Engländer für seine revolutionären Ziele umschmiedet, niemals finden wir ihn
abhängig oder sich eingliedernd in ein unpersönliches Gefüge. Eher sprengt er
mit einem "Staatsstreich" den Kommunistenbund, den er nach Köln, die Inter¬
nationale, die er nach Neuyork verlegt. Wie er anfänglich das Duell nicht und
später keinen geistigen Zweikampf scheut, duldet er keine Niederlage, kein Zurück ^
weichen: weder in der Liebe noch in der Freudschait, noch selbst "im Schachspiel.
Sogar von Engels hält er andere zurück/ der Freund sei ja "einige Eifersucht"
an ihm gewohnt. Seine Güte wie seine Stalle entfließen dem gleichen Quell, und
nicht zuletzt jene völlige Ehrfurchtslosigkeit in seinein Wesen. Grenzenlos in allen
Räumen ist sein Wille zur Macht/ "sie machte ihn froh und zufrieden". Wer sich
ihm entgegenstellt, soll zerschmettert werden: vao viotis! Staaten wie Preußen
oder Nußland, ganze Rassen wie die Slawen, ja die bisherige Weltordnung schlecht¬
hin will er vernichten -- mit deu Waffen der Theorie wie des politischen Kampfes.
Terrorismus und "Exzesse" vermag er zu billigen. Was der "Mönch" Luther
begann, will der "Philosoph" Marx vollenden. Weder Lassalle noch Liebknecht
genügen seinem Drang, geschweige denn geringere Geistero der gar die "Knoten" und
Massenmenschen) "lieben wird uns der rote oder selbst kommunistische Mob doch nie".-

So stempelt seine vulkanische Persönlichkeit als "utopische" Sozialsten und
"Vulgär"-Ökonomen ab, was neben ihm sich in der Theorie behaupten will,' ein
Hegel und ein Ranke selber müssen zum Widerspiel Marxens als "bürgerliche"
Tendenzschriftsteller erscheinen. Noch un Jahre 1864 "kennzeichnet" Marx in der
Weise Köppens und späterer politisierender Historiker "das tanzende Wurzelmännchen
Ranke": dieser geborene "Kammerdiener der Geschichte" habe "spielende Anekdoten -
krämerei und die Rückführung aller großen Ereignisse auf Kleinigkeiten und Laufe¬
reien" für den "objektiven" Geist der Geschichte gehalten. -- Es gibt nur eine
Wissenschaft der politischen Ökonomie und der Gesellschaft -- die seine,' wobei es
dahingestellt bleiben mag, bis wann wir danach in Marxens eigenem Denken die
"biirgerliche" Tendcnzschreiberei zu datieren hätten! Denn die Tendenz beseelt ihn
selber durch alle Stadien seines Werdens: sie ist ein und dieselbe in seiner philo¬
sophischen Dissertation wie in seinen Theorien über den Mehrwert wie in seinen
ästhetischen Urteilen. Sie läßt ihn kritiklos, leidenschaftlich werden. Wie hätten
einem solchen Manne Borns oder Lassalles "friedliche Arbeiterassoziationen mit
StaatShilfe" genügen können,- eben jenen Staat, den Lassalle anrief, wollte er
zerstören. Der "Untertanenglaube der 'Lassalleschen Sekte an den Staat" habe
noch das Gothaer Programm von 1875 "verpestet".

Damit kommen wir zu dem politischen Grundzug seines Wesens: die Politik
blieb das Element seines Denkens. Philosophie und Handeln verbanden sich Marx
zur Einheit, seitdem der Neunzehnjährige in den Berliner Strudel geraten war.
Tendenz, Individualität, Praxis: sie erfüllten die Seele des "Jungen Deutschland"
wie der Berliner Jungradikalen. Und erst, als der "Privilegienstaat" der Romantik
und Reaktion sie zurückgestoßen, warfen sie ihr nationales Fühlen von sich.
Niemand bewußter und nachhaltiger als Marx: im neuen Reich Bismarcks haßt
er den siegreichen "Militärdespotismus" von 1815 und 1849. Schon seine Lehrer,
Eduard Gans der Jurist und Friedrich Köppen als Historiker, waren Politiker
gewesen. Von Gans aus ist Marx erst Hegelianer geworden/ von der zentralen
Universität des damaligen Deutschland hat er, außer etwas Logik und juristischen


Karl Marx

und Shakespeare kennzeichnet das geistige Herrentum, das prometheische Molo
seiner Erstlingsschrift die „große geistige Leidenschaft" des Mannes von allgemeinen
Strebungen, wie er sich nennt. So sehen wir ihn Macht gewinnen in der
„Rheinischen Zeitung" des radikalen Bürgertums von 1849, herrschen im
Kommunistenbund von 1847, der ihm 1848 ausdrücklich die Diktatvrschaft des
Bundes überträgt. Nicht so sehr den im „Kommunistischen Manifest" eben ge¬
prägten Marxismus, wie den „Redakteur en eliot' Karl 'Marx" finden wir als
geistigen Herrscher der „Neue» Rheinischen Zeitung" im Sturmjahr 1848/49. Ob
er sich im Exil mit Engels selber zu Vertretern der proletarischen Partei bestellt,
ob er die sogenannte 1. Internationale leitet, ob er die liberale Ökonomie der
Engländer für seine revolutionären Ziele umschmiedet, niemals finden wir ihn
abhängig oder sich eingliedernd in ein unpersönliches Gefüge. Eher sprengt er
mit einem „Staatsstreich" den Kommunistenbund, den er nach Köln, die Inter¬
nationale, die er nach Neuyork verlegt. Wie er anfänglich das Duell nicht und
später keinen geistigen Zweikampf scheut, duldet er keine Niederlage, kein Zurück ^
weichen: weder in der Liebe noch in der Freudschait, noch selbst "im Schachspiel.
Sogar von Engels hält er andere zurück/ der Freund sei ja „einige Eifersucht"
an ihm gewohnt. Seine Güte wie seine Stalle entfließen dem gleichen Quell, und
nicht zuletzt jene völlige Ehrfurchtslosigkeit in seinein Wesen. Grenzenlos in allen
Räumen ist sein Wille zur Macht/ „sie machte ihn froh und zufrieden". Wer sich
ihm entgegenstellt, soll zerschmettert werden: vao viotis! Staaten wie Preußen
oder Nußland, ganze Rassen wie die Slawen, ja die bisherige Weltordnung schlecht¬
hin will er vernichten — mit deu Waffen der Theorie wie des politischen Kampfes.
Terrorismus und „Exzesse" vermag er zu billigen. Was der „Mönch" Luther
begann, will der „Philosoph" Marx vollenden. Weder Lassalle noch Liebknecht
genügen seinem Drang, geschweige denn geringere Geistero der gar die „Knoten" und
Massenmenschen) „lieben wird uns der rote oder selbst kommunistische Mob doch nie".-

So stempelt seine vulkanische Persönlichkeit als „utopische" Sozialsten und
„Vulgär"-Ökonomen ab, was neben ihm sich in der Theorie behaupten will,' ein
Hegel und ein Ranke selber müssen zum Widerspiel Marxens als „bürgerliche"
Tendenzschriftsteller erscheinen. Noch un Jahre 1864 „kennzeichnet" Marx in der
Weise Köppens und späterer politisierender Historiker „das tanzende Wurzelmännchen
Ranke": dieser geborene „Kammerdiener der Geschichte" habe „spielende Anekdoten -
krämerei und die Rückführung aller großen Ereignisse auf Kleinigkeiten und Laufe¬
reien" für den „objektiven" Geist der Geschichte gehalten. — Es gibt nur eine
Wissenschaft der politischen Ökonomie und der Gesellschaft — die seine,' wobei es
dahingestellt bleiben mag, bis wann wir danach in Marxens eigenem Denken die
„biirgerliche" Tendcnzschreiberei zu datieren hätten! Denn die Tendenz beseelt ihn
selber durch alle Stadien seines Werdens: sie ist ein und dieselbe in seiner philo¬
sophischen Dissertation wie in seinen Theorien über den Mehrwert wie in seinen
ästhetischen Urteilen. Sie läßt ihn kritiklos, leidenschaftlich werden. Wie hätten
einem solchen Manne Borns oder Lassalles „friedliche Arbeiterassoziationen mit
StaatShilfe" genügen können,- eben jenen Staat, den Lassalle anrief, wollte er
zerstören. Der „Untertanenglaube der 'Lassalleschen Sekte an den Staat" habe
noch das Gothaer Programm von 1875 „verpestet".

Damit kommen wir zu dem politischen Grundzug seines Wesens: die Politik
blieb das Element seines Denkens. Philosophie und Handeln verbanden sich Marx
zur Einheit, seitdem der Neunzehnjährige in den Berliner Strudel geraten war.
Tendenz, Individualität, Praxis: sie erfüllten die Seele des „Jungen Deutschland"
wie der Berliner Jungradikalen. Und erst, als der „Privilegienstaat" der Romantik
und Reaktion sie zurückgestoßen, warfen sie ihr nationales Fühlen von sich.
Niemand bewußter und nachhaltiger als Marx: im neuen Reich Bismarcks haßt
er den siegreichen „Militärdespotismus" von 1815 und 1849. Schon seine Lehrer,
Eduard Gans der Jurist und Friedrich Köppen als Historiker, waren Politiker
gewesen. Von Gans aus ist Marx erst Hegelianer geworden/ von der zentralen
Universität des damaligen Deutschland hat er, außer etwas Logik und juristischen


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[0042] Karl Marx und Shakespeare kennzeichnet das geistige Herrentum, das prometheische Molo seiner Erstlingsschrift die „große geistige Leidenschaft" des Mannes von allgemeinen Strebungen, wie er sich nennt. So sehen wir ihn Macht gewinnen in der „Rheinischen Zeitung" des radikalen Bürgertums von 1849, herrschen im Kommunistenbund von 1847, der ihm 1848 ausdrücklich die Diktatvrschaft des Bundes überträgt. Nicht so sehr den im „Kommunistischen Manifest" eben ge¬ prägten Marxismus, wie den „Redakteur en eliot' Karl 'Marx" finden wir als geistigen Herrscher der „Neue» Rheinischen Zeitung" im Sturmjahr 1848/49. Ob er sich im Exil mit Engels selber zu Vertretern der proletarischen Partei bestellt, ob er die sogenannte 1. Internationale leitet, ob er die liberale Ökonomie der Engländer für seine revolutionären Ziele umschmiedet, niemals finden wir ihn abhängig oder sich eingliedernd in ein unpersönliches Gefüge. Eher sprengt er mit einem „Staatsstreich" den Kommunistenbund, den er nach Köln, die Inter¬ nationale, die er nach Neuyork verlegt. Wie er anfänglich das Duell nicht und später keinen geistigen Zweikampf scheut, duldet er keine Niederlage, kein Zurück ^ weichen: weder in der Liebe noch in der Freudschait, noch selbst "im Schachspiel. Sogar von Engels hält er andere zurück/ der Freund sei ja „einige Eifersucht" an ihm gewohnt. Seine Güte wie seine Stalle entfließen dem gleichen Quell, und nicht zuletzt jene völlige Ehrfurchtslosigkeit in seinein Wesen. Grenzenlos in allen Räumen ist sein Wille zur Macht/ „sie machte ihn froh und zufrieden". Wer sich ihm entgegenstellt, soll zerschmettert werden: vao viotis! Staaten wie Preußen oder Nußland, ganze Rassen wie die Slawen, ja die bisherige Weltordnung schlecht¬ hin will er vernichten — mit deu Waffen der Theorie wie des politischen Kampfes. Terrorismus und „Exzesse" vermag er zu billigen. Was der „Mönch" Luther begann, will der „Philosoph" Marx vollenden. Weder Lassalle noch Liebknecht genügen seinem Drang, geschweige denn geringere Geistero der gar die „Knoten" und Massenmenschen) „lieben wird uns der rote oder selbst kommunistische Mob doch nie".- So stempelt seine vulkanische Persönlichkeit als „utopische" Sozialsten und „Vulgär"-Ökonomen ab, was neben ihm sich in der Theorie behaupten will,' ein Hegel und ein Ranke selber müssen zum Widerspiel Marxens als „bürgerliche" Tendenzschriftsteller erscheinen. Noch un Jahre 1864 „kennzeichnet" Marx in der Weise Köppens und späterer politisierender Historiker „das tanzende Wurzelmännchen Ranke": dieser geborene „Kammerdiener der Geschichte" habe „spielende Anekdoten - krämerei und die Rückführung aller großen Ereignisse auf Kleinigkeiten und Laufe¬ reien" für den „objektiven" Geist der Geschichte gehalten. — Es gibt nur eine Wissenschaft der politischen Ökonomie und der Gesellschaft — die seine,' wobei es dahingestellt bleiben mag, bis wann wir danach in Marxens eigenem Denken die „biirgerliche" Tendcnzschreiberei zu datieren hätten! Denn die Tendenz beseelt ihn selber durch alle Stadien seines Werdens: sie ist ein und dieselbe in seiner philo¬ sophischen Dissertation wie in seinen Theorien über den Mehrwert wie in seinen ästhetischen Urteilen. Sie läßt ihn kritiklos, leidenschaftlich werden. Wie hätten einem solchen Manne Borns oder Lassalles „friedliche Arbeiterassoziationen mit StaatShilfe" genügen können,- eben jenen Staat, den Lassalle anrief, wollte er zerstören. Der „Untertanenglaube der 'Lassalleschen Sekte an den Staat" habe noch das Gothaer Programm von 1875 „verpestet". Damit kommen wir zu dem politischen Grundzug seines Wesens: die Politik blieb das Element seines Denkens. Philosophie und Handeln verbanden sich Marx zur Einheit, seitdem der Neunzehnjährige in den Berliner Strudel geraten war. Tendenz, Individualität, Praxis: sie erfüllten die Seele des „Jungen Deutschland" wie der Berliner Jungradikalen. Und erst, als der „Privilegienstaat" der Romantik und Reaktion sie zurückgestoßen, warfen sie ihr nationales Fühlen von sich. Niemand bewußter und nachhaltiger als Marx: im neuen Reich Bismarcks haßt er den siegreichen „Militärdespotismus" von 1815 und 1849. Schon seine Lehrer, Eduard Gans der Jurist und Friedrich Köppen als Historiker, waren Politiker gewesen. Von Gans aus ist Marx erst Hegelianer geworden/ von der zentralen Universität des damaligen Deutschland hat er, außer etwas Logik und juristischen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_338800/42>, abgerufen am 27.11.2024.