Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Zweites Vierteljahr.Deutschlands Beruf gebrauche, welche der Krieg geschaffen hat. Das strenge Gebot der Pflicht, der Kaufmannschaft, Industrie, Technik, Handwerk, Gewerbe -- alle jene Fak¬ Diese moralische Wandlung trägt nicht allein zur Gesundung der Wirtschafts¬ Die progressive Gesundung deö sittlichen Selbstgefühls, welche natürlich Deutschlands Beruf gebrauche, welche der Krieg geschaffen hat. Das strenge Gebot der Pflicht, der Kaufmannschaft, Industrie, Technik, Handwerk, Gewerbe — alle jene Fak¬ Diese moralische Wandlung trägt nicht allein zur Gesundung der Wirtschafts¬ Die progressive Gesundung deö sittlichen Selbstgefühls, welche natürlich <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0035" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/338836"/> <fw type="header" place="top"> Deutschlands Beruf</fw><lb/> <p xml:id="ID_118" prev="#ID_117"> gebrauche, welche der Krieg geschaffen hat. Das strenge Gebot der Pflicht, der<lb/> Grundsatz von Treu und Glauben muß wieder zum wirtschaftlichen, beruflichen<lb/> Dogma werden. Industrie und Kaufmannschaft müssen selbst davon überzeugt<lb/> sein, daß die Gesetze des Anstandes ebensowenig umgangen oder verletzt werden<lb/> dürfen, wie die, für welche der Richter und der Staatsanwalt bürgen. Nichts<lb/> ist so sehr geeignet, unseren Kredit in der Welt, auf den wir heute schwerlich<lb/> werden verzichten können, geistig, und praktisch zu heben, wie ein durchaus<lb/> gesundes, sittliches Fundament unserer deutschen Geschäftswelt. Sein pul¬<lb/> sierender Blutstrom ist aber das Kapital. Ohne dessen Tatkraft und dessen<lb/> Bewegungsfreiheit irgendwie anzutasten, müssen wir ernstlich fordern, daß es der<lb/> Diener und Helfer, der Schützer und Bundesgenosse des neudeutschen Staates<lb/> sei,' daß es sich selbst als Mittel zu einem größeren Zweck — als unentbehrliches<lb/> Werkzeug zum Emporkommen Deutschlands fühlt. Und daß es infolgedessen das<lb/> Recht seiner Existenz nur durch Wirtschaftserfolge, die uns in nationaler und<lb/> Polnischer Hinsicht fördern, faktisch erweisen wird. — Die Wirtschaftslage des<lb/> Reiches, welche von ihm gestützt, beherrscht und beeinflußt wird, ist in so hohem<lb/> Maße Sache der Allgemeinheit, daß sich die reinliche Scheidung aller Spezial-<lb/> interessen von den praktischen Zielen, Bedürfnissen der Nation, die es befriedigen<lb/> hilft, ganz von selber versteht.</p><lb/> <p xml:id="ID_119"> Kaufmannschaft, Industrie, Technik, Handwerk, Gewerbe — alle jene Fak¬<lb/> toren deutscher WirtschaftSentfaltung, die Blutträger unseres großen, nationalen<lb/> Volkskörpers sind, können ihre Mission aber nur dann erfüllen, d. h. ihr Arbeits¬<lb/> feld auf die sittliche Daseinsbedingung der deutschen Volksmasse gründen, wenn<lb/> das Bürgertum als Gesamtheit, wenn alle Schichten des Volkes sie wirksam dabei<lb/> unterstützen, auf eine sehr gesunde und selbstverständliche Art: indem sie sich<lb/> gleichfalls entschließen, das Wohl der Allgemeinheit dem eigenen Vorteil und<lb/> Nutzen selbstlos voranzustellen. Ist das Bürgertum erst einmal zu der Erkenntnis<lb/> gelangt, daß Eigennutz und Genußsucht dem deutschen WirtschaftSkörper nicht bloß<lb/> wertvolle Kräfte, sondern den sittlichen Boden, die geistigen Stützen entzieht,^ ist<lb/> es ernstlich bereit, auf die Befriedigung jener Wünsche, Begierden, Ansprüche zu<lb/> verzichten, die nur durch Diebstahl am Wohl des Ganzen erreichbar sind! so wird<lb/> die Parvdiefigur des Unternehmertums, der Schieber und Kriegsgewinner aus<lb/> dem Weichbild des Landes unwiderruflich verschwinden.</p><lb/> <p xml:id="ID_120"> Diese moralische Wandlung trägt nicht allein zur Gesundung der Wirtschafts¬<lb/> verhältnisse bei, sie wirkt, da sie Denken und Handeln unausgesetzt bestimmt, auf<lb/> alle anderen Faktoren unseres völkischen Lebens, auf die Gesellschaftsformen, den<lb/> Umgang und den Verkehrston, besonders aber auch auf die intimste Beziehung der<lb/> Menschen untereinander: auf die sittliche Lebensführung im Kreise der Familie<lb/> zurück. Mit dem Verzicht auf Vergnügen, Wohlleben, Eleganz, Dinge, die keinem<lb/> tiefen, geistigen Lebensbedürfnis, nur der sinnlichen Habgier und Genußsucht ent¬<lb/> springen, kehrt der Deutsche zu jenen Begriffen von Glück und Befriedigung denn,<lb/> die früher das Ziel seiner Sehnsucht, seiner Arbeit und Mühsal waren. Das<lb/> Ethos des einst so reichen deutschen Familienlebens wird damit wieder von neuem<lb/> gefestigt und ausgebaut.</p><lb/> <p xml:id="ID_121" next="#ID_122"> Die progressive Gesundung deö sittlichen Selbstgefühls, welche natürlich<lb/> zunächst in jenen Gesellschaftskreisen ernsthaft Platz greifen wird, die dank ihrer</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0035]
Deutschlands Beruf
gebrauche, welche der Krieg geschaffen hat. Das strenge Gebot der Pflicht, der
Grundsatz von Treu und Glauben muß wieder zum wirtschaftlichen, beruflichen
Dogma werden. Industrie und Kaufmannschaft müssen selbst davon überzeugt
sein, daß die Gesetze des Anstandes ebensowenig umgangen oder verletzt werden
dürfen, wie die, für welche der Richter und der Staatsanwalt bürgen. Nichts
ist so sehr geeignet, unseren Kredit in der Welt, auf den wir heute schwerlich
werden verzichten können, geistig, und praktisch zu heben, wie ein durchaus
gesundes, sittliches Fundament unserer deutschen Geschäftswelt. Sein pul¬
sierender Blutstrom ist aber das Kapital. Ohne dessen Tatkraft und dessen
Bewegungsfreiheit irgendwie anzutasten, müssen wir ernstlich fordern, daß es der
Diener und Helfer, der Schützer und Bundesgenosse des neudeutschen Staates
sei,' daß es sich selbst als Mittel zu einem größeren Zweck — als unentbehrliches
Werkzeug zum Emporkommen Deutschlands fühlt. Und daß es infolgedessen das
Recht seiner Existenz nur durch Wirtschaftserfolge, die uns in nationaler und
Polnischer Hinsicht fördern, faktisch erweisen wird. — Die Wirtschaftslage des
Reiches, welche von ihm gestützt, beherrscht und beeinflußt wird, ist in so hohem
Maße Sache der Allgemeinheit, daß sich die reinliche Scheidung aller Spezial-
interessen von den praktischen Zielen, Bedürfnissen der Nation, die es befriedigen
hilft, ganz von selber versteht.
Kaufmannschaft, Industrie, Technik, Handwerk, Gewerbe — alle jene Fak¬
toren deutscher WirtschaftSentfaltung, die Blutträger unseres großen, nationalen
Volkskörpers sind, können ihre Mission aber nur dann erfüllen, d. h. ihr Arbeits¬
feld auf die sittliche Daseinsbedingung der deutschen Volksmasse gründen, wenn
das Bürgertum als Gesamtheit, wenn alle Schichten des Volkes sie wirksam dabei
unterstützen, auf eine sehr gesunde und selbstverständliche Art: indem sie sich
gleichfalls entschließen, das Wohl der Allgemeinheit dem eigenen Vorteil und
Nutzen selbstlos voranzustellen. Ist das Bürgertum erst einmal zu der Erkenntnis
gelangt, daß Eigennutz und Genußsucht dem deutschen WirtschaftSkörper nicht bloß
wertvolle Kräfte, sondern den sittlichen Boden, die geistigen Stützen entzieht,^ ist
es ernstlich bereit, auf die Befriedigung jener Wünsche, Begierden, Ansprüche zu
verzichten, die nur durch Diebstahl am Wohl des Ganzen erreichbar sind! so wird
die Parvdiefigur des Unternehmertums, der Schieber und Kriegsgewinner aus
dem Weichbild des Landes unwiderruflich verschwinden.
Diese moralische Wandlung trägt nicht allein zur Gesundung der Wirtschafts¬
verhältnisse bei, sie wirkt, da sie Denken und Handeln unausgesetzt bestimmt, auf
alle anderen Faktoren unseres völkischen Lebens, auf die Gesellschaftsformen, den
Umgang und den Verkehrston, besonders aber auch auf die intimste Beziehung der
Menschen untereinander: auf die sittliche Lebensführung im Kreise der Familie
zurück. Mit dem Verzicht auf Vergnügen, Wohlleben, Eleganz, Dinge, die keinem
tiefen, geistigen Lebensbedürfnis, nur der sinnlichen Habgier und Genußsucht ent¬
springen, kehrt der Deutsche zu jenen Begriffen von Glück und Befriedigung denn,
die früher das Ziel seiner Sehnsucht, seiner Arbeit und Mühsal waren. Das
Ethos des einst so reichen deutschen Familienlebens wird damit wieder von neuem
gefestigt und ausgebaut.
Die progressive Gesundung deö sittlichen Selbstgefühls, welche natürlich
zunächst in jenen Gesellschaftskreisen ernsthaft Platz greifen wird, die dank ihrer
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