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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Zweites Vierteljahr.

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Unordnungen des Führers der 2, Armee betroffen wird, nicht mehr die Objektivität
zeigt, die der Geschichtsforscher haben muß. Das Verhalten der 3. Armee, der
er in. W. damals angehörte, und ihres Führers erscheint ihm tadelfrei, während
er an dem der beiden Nachbararmeen zum Teil vernichtende Kritik übt. Ich kann
ihm darin nicht völlig beistimmen. Wenn er der 2. und 3. Armee zu geringes Ent¬
gegenkommen, geradezu unkameradschaftliches Verhalten vorwirft, so kann man
vom A. O, K, 3 sagen, daß es den Hilferufen der beiden Nachbararmccn zu bereit--
willig nachkam, in einem Maße, das für den Verlauf der Gesamtvperatiouen nicht
immer vorteilhaft war. Zweimal, bei den Kämpfen um den Maasübergang und
während der Marneschlacht zerfiel die 3. Armee in zwei nicht mehr zusammen¬
hängende Teile. Das A. O. K. 3 schaltete sich in der Marncschlacht hierdurch selbst
vollständig aus. Der mehrfach dem Führer der 2. Armee gemachte Vorwurf, daß
er bei Erteilung des Rückzugsbefehles an die rechte Hälfte der 3. Armee in die
Befehlsbefugnisse des A. O. K. 3 eingegriffen habe, ist daher nicht ganz berechtigt.
Die rechte Hälfte der 3. Armee focht eben tatsächlich im Verbände der 2., wie die
linke Hälfte in dem der 4. Armee focht. Eigene Schlachtenziele hatte die 3. Armee
als solche nicht. Ihr damals schwer kranker Führer hatte sich der einheitlichen Füh¬
rung seiner Armee selbst begeben. Ich. bin der Ansicht, daß Vorwürfe, wie sie auf
S. 111 und in noch höherem Maße auf S. 181 gegen die 4. Armee und deren
tapferen Führer, wie insbesondere auch gegen das wackere VIII. A. K. erhoben
werden, die Grenzen einer objektiven Kritik überschreiten. Es mag dies ja die
subjektive Ansicht des Verfassers sein; daß er sie in dieser Weise vor aller
Öffentlichkeit ausspricht, halte ich für bedauerlich. Leider fehlt immer noch eine
Darstellung der Operationen von dem Gesichtswinkel des A. O. K. 4 aus, die erst
eine begründete sachliche Kritik seines Verhaltens ermöglichen würde.

Im übrigen handelt es sich bei diesem Buche um eine sehr verdienstvolle
Arbeit, die zwar nicht selbst Geschichtsschreibung ist -- dafür ist ja auch der Ab-
stand von den Geschehnissen zu gering --, die aber dem künftigen Geschichts¬
schreiber wichtiges Quellenmaterial an die Hand gibt.

Die im Buche enthaltenen sehr deutlichen Textskizzeu wären wohl besser
durch eine besondere Karte ersetzt worden, die man beim Lesen neben sich aus¬
breiten kann.


Heinrich Servaes, Gbcrst a. Z>.


Weltspiegel

Bündnisse und Kombinationen. Während die am Ende des Krieges in
ungeahnter Selbständigkeit dastehenden Kleinstaaten Südost. und Osteuropas nichts
Eiligeres zu tun gehabt haben, als ihr etwas fadenscheiniges Dasein in Bünd¬
nissen zu verankern, stehen die Großmächte noch immer wie verlegen und zögernd
da. Der große Verband aller gegen die Mittelmächte ist durch den Sieg gegen-
standslos geworden; unter allen Siegern hat es heftige Auseinandersetzungen ge-
geben, die nur darum nicht zu Konflikten geführt haben, weil jeder hinreichend
mit sich selbst beschäftigt war und genug zu tun hatte, die durch den Raub-
bau der Kriegführung entstandene Erschütterung wieder auszugleichen. Nun
aber, da die innere Lage abgesehen von England, wo aber innere Konflikte
nie zu außenpolitischen Katastrophen führen werden, überall mehr oder minder
notdürftig konsolidiert ist (am besten wohl in den Vereinigten Staaten), sieht


lveltspiegel

Unordnungen des Führers der 2, Armee betroffen wird, nicht mehr die Objektivität
zeigt, die der Geschichtsforscher haben muß. Das Verhalten der 3. Armee, der
er in. W. damals angehörte, und ihres Führers erscheint ihm tadelfrei, während
er an dem der beiden Nachbararmeen zum Teil vernichtende Kritik übt. Ich kann
ihm darin nicht völlig beistimmen. Wenn er der 2. und 3. Armee zu geringes Ent¬
gegenkommen, geradezu unkameradschaftliches Verhalten vorwirft, so kann man
vom A. O, K, 3 sagen, daß es den Hilferufen der beiden Nachbararmccn zu bereit--
willig nachkam, in einem Maße, das für den Verlauf der Gesamtvperatiouen nicht
immer vorteilhaft war. Zweimal, bei den Kämpfen um den Maasübergang und
während der Marneschlacht zerfiel die 3. Armee in zwei nicht mehr zusammen¬
hängende Teile. Das A. O. K. 3 schaltete sich in der Marncschlacht hierdurch selbst
vollständig aus. Der mehrfach dem Führer der 2. Armee gemachte Vorwurf, daß
er bei Erteilung des Rückzugsbefehles an die rechte Hälfte der 3. Armee in die
Befehlsbefugnisse des A. O. K. 3 eingegriffen habe, ist daher nicht ganz berechtigt.
Die rechte Hälfte der 3. Armee focht eben tatsächlich im Verbände der 2., wie die
linke Hälfte in dem der 4. Armee focht. Eigene Schlachtenziele hatte die 3. Armee
als solche nicht. Ihr damals schwer kranker Führer hatte sich der einheitlichen Füh¬
rung seiner Armee selbst begeben. Ich. bin der Ansicht, daß Vorwürfe, wie sie auf
S. 111 und in noch höherem Maße auf S. 181 gegen die 4. Armee und deren
tapferen Führer, wie insbesondere auch gegen das wackere VIII. A. K. erhoben
werden, die Grenzen einer objektiven Kritik überschreiten. Es mag dies ja die
subjektive Ansicht des Verfassers sein; daß er sie in dieser Weise vor aller
Öffentlichkeit ausspricht, halte ich für bedauerlich. Leider fehlt immer noch eine
Darstellung der Operationen von dem Gesichtswinkel des A. O. K. 4 aus, die erst
eine begründete sachliche Kritik seines Verhaltens ermöglichen würde.

Im übrigen handelt es sich bei diesem Buche um eine sehr verdienstvolle
Arbeit, die zwar nicht selbst Geschichtsschreibung ist — dafür ist ja auch der Ab-
stand von den Geschehnissen zu gering —, die aber dem künftigen Geschichts¬
schreiber wichtiges Quellenmaterial an die Hand gibt.

Die im Buche enthaltenen sehr deutlichen Textskizzeu wären wohl besser
durch eine besondere Karte ersetzt worden, die man beim Lesen neben sich aus¬
breiten kann.


Heinrich Servaes, Gbcrst a. Z>.


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Bündnisse und Kombinationen. Während die am Ende des Krieges in
ungeahnter Selbständigkeit dastehenden Kleinstaaten Südost. und Osteuropas nichts
Eiligeres zu tun gehabt haben, als ihr etwas fadenscheiniges Dasein in Bünd¬
nissen zu verankern, stehen die Großmächte noch immer wie verlegen und zögernd
da. Der große Verband aller gegen die Mittelmächte ist durch den Sieg gegen-
standslos geworden; unter allen Siegern hat es heftige Auseinandersetzungen ge-
geben, die nur darum nicht zu Konflikten geführt haben, weil jeder hinreichend
mit sich selbst beschäftigt war und genug zu tun hatte, die durch den Raub-
bau der Kriegführung entstandene Erschütterung wieder auszugleichen. Nun
aber, da die innere Lage abgesehen von England, wo aber innere Konflikte
nie zu außenpolitischen Katastrophen führen werden, überall mehr oder minder
notdürftig konsolidiert ist (am besten wohl in den Vereinigten Staaten), sieht


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[0335] lveltspiegel Unordnungen des Führers der 2, Armee betroffen wird, nicht mehr die Objektivität zeigt, die der Geschichtsforscher haben muß. Das Verhalten der 3. Armee, der er in. W. damals angehörte, und ihres Führers erscheint ihm tadelfrei, während er an dem der beiden Nachbararmeen zum Teil vernichtende Kritik übt. Ich kann ihm darin nicht völlig beistimmen. Wenn er der 2. und 3. Armee zu geringes Ent¬ gegenkommen, geradezu unkameradschaftliches Verhalten vorwirft, so kann man vom A. O, K, 3 sagen, daß es den Hilferufen der beiden Nachbararmccn zu bereit-- willig nachkam, in einem Maße, das für den Verlauf der Gesamtvperatiouen nicht immer vorteilhaft war. Zweimal, bei den Kämpfen um den Maasübergang und während der Marneschlacht zerfiel die 3. Armee in zwei nicht mehr zusammen¬ hängende Teile. Das A. O. K. 3 schaltete sich in der Marncschlacht hierdurch selbst vollständig aus. Der mehrfach dem Führer der 2. Armee gemachte Vorwurf, daß er bei Erteilung des Rückzugsbefehles an die rechte Hälfte der 3. Armee in die Befehlsbefugnisse des A. O. K. 3 eingegriffen habe, ist daher nicht ganz berechtigt. Die rechte Hälfte der 3. Armee focht eben tatsächlich im Verbände der 2., wie die linke Hälfte in dem der 4. Armee focht. Eigene Schlachtenziele hatte die 3. Armee als solche nicht. Ihr damals schwer kranker Führer hatte sich der einheitlichen Füh¬ rung seiner Armee selbst begeben. Ich. bin der Ansicht, daß Vorwürfe, wie sie auf S. 111 und in noch höherem Maße auf S. 181 gegen die 4. Armee und deren tapferen Führer, wie insbesondere auch gegen das wackere VIII. A. K. erhoben werden, die Grenzen einer objektiven Kritik überschreiten. Es mag dies ja die subjektive Ansicht des Verfassers sein; daß er sie in dieser Weise vor aller Öffentlichkeit ausspricht, halte ich für bedauerlich. Leider fehlt immer noch eine Darstellung der Operationen von dem Gesichtswinkel des A. O. K. 4 aus, die erst eine begründete sachliche Kritik seines Verhaltens ermöglichen würde. Im übrigen handelt es sich bei diesem Buche um eine sehr verdienstvolle Arbeit, die zwar nicht selbst Geschichtsschreibung ist — dafür ist ja auch der Ab- stand von den Geschehnissen zu gering —, die aber dem künftigen Geschichts¬ schreiber wichtiges Quellenmaterial an die Hand gibt. Die im Buche enthaltenen sehr deutlichen Textskizzeu wären wohl besser durch eine besondere Karte ersetzt worden, die man beim Lesen neben sich aus¬ breiten kann. Heinrich Servaes, Gbcrst a. Z>. Weltspiegel Bündnisse und Kombinationen. Während die am Ende des Krieges in ungeahnter Selbständigkeit dastehenden Kleinstaaten Südost. und Osteuropas nichts Eiligeres zu tun gehabt haben, als ihr etwas fadenscheiniges Dasein in Bünd¬ nissen zu verankern, stehen die Großmächte noch immer wie verlegen und zögernd da. Der große Verband aller gegen die Mittelmächte ist durch den Sieg gegen- standslos geworden; unter allen Siegern hat es heftige Auseinandersetzungen ge- geben, die nur darum nicht zu Konflikten geführt haben, weil jeder hinreichend mit sich selbst beschäftigt war und genug zu tun hatte, die durch den Raub- bau der Kriegführung entstandene Erschütterung wieder auszugleichen. Nun aber, da die innere Lage abgesehen von England, wo aber innere Konflikte nie zu außenpolitischen Katastrophen führen werden, überall mehr oder minder notdürftig konsolidiert ist (am besten wohl in den Vereinigten Staaten), sieht

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_338800/335>, abgerufen am 23.11.2024.