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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Zweites Vierteljahr.

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Adolf Bartels: "Die Jüngsten"

mit genau drei Worten als "im Urteil ungleich" zu einem Alfred Biese in den
Wursttopf werfen I Mag immerhin im einzelnen zu einer solchen Ausstellung
Anlaß da sein, z. B. im Hinblick auf Kochs anfängliche und unhaltbare Über¬
schätzung Sudermanns --, Koch hat doch auch, wie Bartels das seine, ein ganz
besonderes Verdienst, das ihm ein für allemal einen vordersten Platz unter den
Liieraturgeschichtslehrern des neunzehnten und zwanzigsten Jahrhunderts einräumt,
und das ist seine vorbildliche Einstellung Richard. Wagners und des Bay-
reuther Kunstwerks in die Entwickelung der deutschen Literatur, worin er Pro¬
fessor Bartels zweifellos -- leider -- hoch überragt. Koch ist nämlich heute
noch der einzige seines Faches, der vor der machtvollen Persönlichkeit des
Bayreuthers, weil sie aus dem engen Nahmen der rein literarischen, das heißt
papiernen, druckerschwärzlichen Sphäre hinauswächst, nicht verlegen den Kopf
versteckt, sondern im Gegenteil sie als die machtvolle Synthese, als Kulminations-
ereignis des gesamten germanischen Kunststrebvns von Jahrhunderten begreift und
überzeugend dartut, wie die Entwicklung der Literatur bis Goethe, Schiller, Herder,
Jean Paul, Kleist, Grillparzer. E. T. A. Hoffmann das Bayreuther Kunstwerk
-- unbewußt! -- nicht nur nicht ablehnt, sondern ersehnt, vorbereitet
und, als Erfüllung kühnster, künstlerischer Hoffnungsträmne langer Geschlechter¬
reihen, "her aufführen" haist Nur dadurch empfängt z. B.'die ganz merk¬
würdige vorwagnersche Epoche der literarischen "Romantik", die sicher nicht zu¬
fällig zeitlich mit der vollsten Entfaltung auch der Tonkunst als Sonderkunst
zusammenfällt, einen tiefen Sinn, den ihr die nicht musikalischen Verfasser unserer
übrigen Literaturgeschichten -- auch Bartels -- nicht zu geben wissen. Aber
auch den nationalen Aufschwung der Literatur zwischen 1850--1880 wird man
nie ganz ohne die mächtige Anziehungskraft des "Tannhäuser"-, "Lohengrin"-,
"Nibelungen"-, "Tristan"- und "Meistersinger"-Schöpfers für jene Zeit erklären
können, d.^h. jenes Mannes, der in Wort, Werk und Tat seit 1842 ununter¬
brochen die tiefsten Tiefen deutschen Wesens mit der vereinigten Eindruckswucht
aller lebendigen Sonderkünste in seine Zeit hincmsspicgelte und tönte. Ebenso
begreift sich die ganze Entwicklung des modernen Theaters nur von Wagners'
dämonischer Belebung des Bühnenzaubers in Wien und München (1861--1868)
und von den Anregungen seiner Bayreuther Festkunstveranstaltungen (1876 und
1882, im besonderen her. Eridlich weiß über den (notwendigen) Verfall aller
Sonderkünste seit den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts -- nicht nur
der Dichtkunst als solcher allein -- keiner eine zureichende Erklärung, der nicht
die von genialen Erhellungen überquillenden Schriften Richard Wagners,
vor allem sein Buch "Oper und Drama" kennt, und weiß, daß hier, anregend,
wie mahnend und warnend, der G r u n d l a g en b a u er einer vollblütig
germanischen Ästhetik allerKüuste. der "neue Lessing", den Professor
Bartels heute noch für Deutschland erwartet, bereits aus dem Vollen heraus sich
geoffenbart hat, leider ohne gehört zu werden; so daß der Verfall unserer
Künste, der ja nur aus der Unklarheit jeder Kunst über ihre Kräfte und Kraft-
gränzen erflvß, nur durch die Nichtachtung dieses Klärers und Offenbarers
als ganz unabwendbare Folge sich ergeben mußte, wie meinetwegen Troja verfiel
an der Nichtachtung, ja Verhöhnung der Stimme, der Warnungen und Antriebe
einer Kasscmdm...

Das alles vermittelt Max Kochs Betrachtung der Literatur seit den Klassiker¬
jagen bis heute, wie gesagt, ganz einzigartig und, ob für oder wider, bei einer
Abschätzung durch den Fnchkollegen darf diese besondere Eigenart seiner Litemtur-
und Kunstschau doch nicht geflissentlich übersehen werden I Aber leider -- und
jetzt komme ich zu dem wichtigsten meiner Anliegen an Adolf Bartels -- gerade
Kochs Stellung zu Wagner scheint ihn für Bartels reif zu geringschätziger Be¬
handlung zu machen I Denn in der Verkennung Wagners übertrifft auch
der judenUberalfle Söldner der "Frankfurter Zeitung" -- Gott sei's geklagt! --
nicht unseren prächtigen Adolf Bartels I Hierin geht Bartels bis zur Unsichtig¬
keit und Ungerechtigkeit; und in seinen "Jüngsten" schreibt er (S. 12) sogar diese


Adolf Bartels: „Die Jüngsten"

mit genau drei Worten als „im Urteil ungleich" zu einem Alfred Biese in den
Wursttopf werfen I Mag immerhin im einzelnen zu einer solchen Ausstellung
Anlaß da sein, z. B. im Hinblick auf Kochs anfängliche und unhaltbare Über¬
schätzung Sudermanns —, Koch hat doch auch, wie Bartels das seine, ein ganz
besonderes Verdienst, das ihm ein für allemal einen vordersten Platz unter den
Liieraturgeschichtslehrern des neunzehnten und zwanzigsten Jahrhunderts einräumt,
und das ist seine vorbildliche Einstellung Richard. Wagners und des Bay-
reuther Kunstwerks in die Entwickelung der deutschen Literatur, worin er Pro¬
fessor Bartels zweifellos — leider — hoch überragt. Koch ist nämlich heute
noch der einzige seines Faches, der vor der machtvollen Persönlichkeit des
Bayreuthers, weil sie aus dem engen Nahmen der rein literarischen, das heißt
papiernen, druckerschwärzlichen Sphäre hinauswächst, nicht verlegen den Kopf
versteckt, sondern im Gegenteil sie als die machtvolle Synthese, als Kulminations-
ereignis des gesamten germanischen Kunststrebvns von Jahrhunderten begreift und
überzeugend dartut, wie die Entwicklung der Literatur bis Goethe, Schiller, Herder,
Jean Paul, Kleist, Grillparzer. E. T. A. Hoffmann das Bayreuther Kunstwerk
— unbewußt! — nicht nur nicht ablehnt, sondern ersehnt, vorbereitet
und, als Erfüllung kühnster, künstlerischer Hoffnungsträmne langer Geschlechter¬
reihen, „her aufführen" haist Nur dadurch empfängt z. B.'die ganz merk¬
würdige vorwagnersche Epoche der literarischen „Romantik", die sicher nicht zu¬
fällig zeitlich mit der vollsten Entfaltung auch der Tonkunst als Sonderkunst
zusammenfällt, einen tiefen Sinn, den ihr die nicht musikalischen Verfasser unserer
übrigen Literaturgeschichten — auch Bartels — nicht zu geben wissen. Aber
auch den nationalen Aufschwung der Literatur zwischen 1850—1880 wird man
nie ganz ohne die mächtige Anziehungskraft des „Tannhäuser"-, „Lohengrin"-,
„Nibelungen"-, „Tristan"- und „Meistersinger"-Schöpfers für jene Zeit erklären
können, d.^h. jenes Mannes, der in Wort, Werk und Tat seit 1842 ununter¬
brochen die tiefsten Tiefen deutschen Wesens mit der vereinigten Eindruckswucht
aller lebendigen Sonderkünste in seine Zeit hincmsspicgelte und tönte. Ebenso
begreift sich die ganze Entwicklung des modernen Theaters nur von Wagners'
dämonischer Belebung des Bühnenzaubers in Wien und München (1861—1868)
und von den Anregungen seiner Bayreuther Festkunstveranstaltungen (1876 und
1882, im besonderen her. Eridlich weiß über den (notwendigen) Verfall aller
Sonderkünste seit den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts — nicht nur
der Dichtkunst als solcher allein — keiner eine zureichende Erklärung, der nicht
die von genialen Erhellungen überquillenden Schriften Richard Wagners,
vor allem sein Buch „Oper und Drama" kennt, und weiß, daß hier, anregend,
wie mahnend und warnend, der G r u n d l a g en b a u er einer vollblütig
germanischen Ästhetik allerKüuste. der „neue Lessing", den Professor
Bartels heute noch für Deutschland erwartet, bereits aus dem Vollen heraus sich
geoffenbart hat, leider ohne gehört zu werden; so daß der Verfall unserer
Künste, der ja nur aus der Unklarheit jeder Kunst über ihre Kräfte und Kraft-
gränzen erflvß, nur durch die Nichtachtung dieses Klärers und Offenbarers
als ganz unabwendbare Folge sich ergeben mußte, wie meinetwegen Troja verfiel
an der Nichtachtung, ja Verhöhnung der Stimme, der Warnungen und Antriebe
einer Kasscmdm...

Das alles vermittelt Max Kochs Betrachtung der Literatur seit den Klassiker¬
jagen bis heute, wie gesagt, ganz einzigartig und, ob für oder wider, bei einer
Abschätzung durch den Fnchkollegen darf diese besondere Eigenart seiner Litemtur-
und Kunstschau doch nicht geflissentlich übersehen werden I Aber leider — und
jetzt komme ich zu dem wichtigsten meiner Anliegen an Adolf Bartels — gerade
Kochs Stellung zu Wagner scheint ihn für Bartels reif zu geringschätziger Be¬
handlung zu machen I Denn in der Verkennung Wagners übertrifft auch
der judenUberalfle Söldner der „Frankfurter Zeitung" — Gott sei's geklagt! —
nicht unseren prächtigen Adolf Bartels I Hierin geht Bartels bis zur Unsichtig¬
keit und Ungerechtigkeit; und in seinen „Jüngsten" schreibt er (S. 12) sogar diese


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_338800/326>, abgerufen am 23.11.2024.