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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Zweites Vierteljahr.

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Das baltische Deutschtum und die Ostpolitik

wir unter den Ballen. Wenn auch daS Baltentum sich gegen alle ehemaligen
Angriffe und Russistkationsversuche zu schützen gewußt hat, so hat man doch auch
in Beziehungen zu Rußland gestanden, weniger auf geistigem als auf praktischem
Gebiete. Neben der allgemeinen Wehrpflicht, welche meistenteils in Petersburg
abgedient wurde, hat der Balle auch in kaufmännischen Beziehungen zu Nußland
gestanden, ja dazwischen auch an leitender Stelle in der Reichshauptstadt gewirkt.
Wir werden in Zukunft den Ballen als den Vermittler zwischen Ost und West
brauchen, das Baltikum wird wieder seine Rolle als Vorposten des deutschen
Gedankens aufnehmen müssen, ein Land mit alt-deutscher Kultur, nicht als deutsche
Kolonie, im eigentlichen Sinne des Wortes, sondern als Brücke, auf der auch in
Zukunft die Annäherung mit unserem östlichen Nachbar erfolgen wird.

Damals vor siebenhundert Jahren waren es religiöse Beweggründe, die die
deutschen Ordensritter hinaustrieben, und den Grund legten zu blühendem,
deutschem Leben, jetzt werden es friedlichere Leute sein, die die Ufer des Baltischen
Meeres aufsuchen müssen. Jedes neue Unternehmen braucht sachkundige Männer,
um sicheren Erfolg zu versprechen. In der Ostenbewegung wird diese Rolle dem
Ballen überlassen sein. Es wird das Auslanddeutschtum seine Pionierarbeit
aufs neue aufnehmen. Unsere Rettung wird Rußland sein. Nicht das bolsche¬
wistische Rußland von heute, sondern das zukünftige. Unsere Zukunft wird mit
ihm eng verbunden sein. Dann wird auch für den Deutschen aus dem Baltikum
die Zeit kommen, da er seine historische Mission wird durchführen können.

Das baltische Deutschtum ist eine Bewegung -- die Bewegung des
Deutschtums nach Osten. Der Feldzug und die schweren Jahre der Revolution
haben den Deutschen im Reiche daran erinnert, daß auch außerhalb der
Reichsgrenzen Deutsche wohnen, welche zur Erhaltung und Verbreitung des
deutschen Gedankens beigetragen haben und noch beitragen.




Totentanz
[Beginn Spaltensatz] Wer möchte heut sich freuen
An Tanz und Spiel und Tand?
Es trauern alle Treuen
Um dich, mein Vaterland. Dein Schimpf muß uns gereuen,
Dein Schatz ist uns geraubt,
Wir gehn in Schwarz und streuen
Uns Asche auf das Haupt. Wir singen Miserere
Und tragen Büßerkleid:
Zu Schanden war die Ehre,
Zu Staub die Herrlichkeit. Fürwahr, du kannst mich dauern,
Mich jammerts, junges Blut!
Ich weiß ja wohl, wie Trauern
Im Mai des Lebens tut. [Spaltenumbruch] Ihr lächelt wohl verstohlen
Und wißt es selber kaum,
Es heben junge Sohlen
Im Takt sich wie im Traum. Und junge Augen zünden
Von selbst einander an
Und leuchten auf und künden
Von jungen Herzen dann. Da schreckt ihr auf und schauet
Mit scheuem Blick euch um --
Ich weiß wovor euch grauet.
Daß ihr so bleich und stumm. Es blickt durch jedes Fenster
Voll Gram ins alte Haus,
Es droht wie Nachlgespenster
Und löscht das Lachen aus: [Ende Spaltensatz] Des Kirchleins graue Hallen,
Fünf Gräber längs der Wand,
Auf jedem steht: gefallen
Umsonst fürs Vaterland. F. Gänsen

Das baltische Deutschtum und die Ostpolitik

wir unter den Ballen. Wenn auch daS Baltentum sich gegen alle ehemaligen
Angriffe und Russistkationsversuche zu schützen gewußt hat, so hat man doch auch
in Beziehungen zu Rußland gestanden, weniger auf geistigem als auf praktischem
Gebiete. Neben der allgemeinen Wehrpflicht, welche meistenteils in Petersburg
abgedient wurde, hat der Balle auch in kaufmännischen Beziehungen zu Nußland
gestanden, ja dazwischen auch an leitender Stelle in der Reichshauptstadt gewirkt.
Wir werden in Zukunft den Ballen als den Vermittler zwischen Ost und West
brauchen, das Baltikum wird wieder seine Rolle als Vorposten des deutschen
Gedankens aufnehmen müssen, ein Land mit alt-deutscher Kultur, nicht als deutsche
Kolonie, im eigentlichen Sinne des Wortes, sondern als Brücke, auf der auch in
Zukunft die Annäherung mit unserem östlichen Nachbar erfolgen wird.

Damals vor siebenhundert Jahren waren es religiöse Beweggründe, die die
deutschen Ordensritter hinaustrieben, und den Grund legten zu blühendem,
deutschem Leben, jetzt werden es friedlichere Leute sein, die die Ufer des Baltischen
Meeres aufsuchen müssen. Jedes neue Unternehmen braucht sachkundige Männer,
um sicheren Erfolg zu versprechen. In der Ostenbewegung wird diese Rolle dem
Ballen überlassen sein. Es wird das Auslanddeutschtum seine Pionierarbeit
aufs neue aufnehmen. Unsere Rettung wird Rußland sein. Nicht das bolsche¬
wistische Rußland von heute, sondern das zukünftige. Unsere Zukunft wird mit
ihm eng verbunden sein. Dann wird auch für den Deutschen aus dem Baltikum
die Zeit kommen, da er seine historische Mission wird durchführen können.

Das baltische Deutschtum ist eine Bewegung — die Bewegung des
Deutschtums nach Osten. Der Feldzug und die schweren Jahre der Revolution
haben den Deutschen im Reiche daran erinnert, daß auch außerhalb der
Reichsgrenzen Deutsche wohnen, welche zur Erhaltung und Verbreitung des
deutschen Gedankens beigetragen haben und noch beitragen.




Totentanz
[Beginn Spaltensatz] Wer möchte heut sich freuen
An Tanz und Spiel und Tand?
Es trauern alle Treuen
Um dich, mein Vaterland. Dein Schimpf muß uns gereuen,
Dein Schatz ist uns geraubt,
Wir gehn in Schwarz und streuen
Uns Asche auf das Haupt. Wir singen Miserere
Und tragen Büßerkleid:
Zu Schanden war die Ehre,
Zu Staub die Herrlichkeit. Fürwahr, du kannst mich dauern,
Mich jammerts, junges Blut!
Ich weiß ja wohl, wie Trauern
Im Mai des Lebens tut. [Spaltenumbruch] Ihr lächelt wohl verstohlen
Und wißt es selber kaum,
Es heben junge Sohlen
Im Takt sich wie im Traum. Und junge Augen zünden
Von selbst einander an
Und leuchten auf und künden
Von jungen Herzen dann. Da schreckt ihr auf und schauet
Mit scheuem Blick euch um —
Ich weiß wovor euch grauet.
Daß ihr so bleich und stumm. Es blickt durch jedes Fenster
Voll Gram ins alte Haus,
Es droht wie Nachlgespenster
Und löscht das Lachen aus: [Ende Spaltensatz] Des Kirchleins graue Hallen,
Fünf Gräber längs der Wand,
Auf jedem steht: gefallen
Umsonst fürs Vaterland. F. Gänsen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_338800/322>, abgerufen am 23.11.2024.