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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Zweites Vierteljahr.

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Wirkungen des Krieges ans Gstasien

mehr als eine japanische Reederei, deren Dampfer regelmäßig zwischen Japan,
China und niederländisch Indien verkehren, ohne Singapore anzukaufen. Das-
selbe gilt, wenn auch nicht in gleichem Maße, für Australien. Schon hat man
dort angefangen, sich von der Verteuerung und Verzögerung, die der Warenver¬
kehr von und nach Neu-Guinea und anderen Südseeinseln durch die bisher übliche
Umladung in Sydney erfuhr, frei zu machen durch Einstellung direkter Dampfer¬
verbindung mit Singapore; und die Erkenntnis, daß auch Singapore als Um¬
schlagshafen für diesen Verkehr entbehrlich ist, wird zum nicht geringen Teil von
der Entwicklung abhängen, die die niederländisch-indische Schiffahrt nehmen wird.

Sieht die deutsche Weltwirtschaft die Stellung Singapores so an, so braucht
ihr die Ausschließung des deutschen Kaufmanns aus jener britischen Kolonie keine
große Sorge für die Zukunft zu bereiten.

Inzwischen hat aber Singapore noch eine andere Aufgabe zu erfüllen.
Lord Jellicoe, damals Chef der englischen Admiralität, jetzt Generalgouvemeur
von Neuseeland, hat sie uns enthüllt, als sein Bericht an seine Regierung ver¬
öffentlicht wurde, in welchem er betont, das Meer zwischen den Küsten Indiens
bis zur Küste von Kanada sei eins und bedürfe zu seiner Verteidigung einer ein¬
heitlichen Flotte, die von Singapore aus geleitet werden müsse. Daß diese Auf¬
fassung zustimmenden Widerhall auch in Singapore gefunden hat, zeigt die dortige
Presse, die nach allgemeiner Wehrpflicht für die Kolonie, nach Freiwilligenkorps,
und Bürgergarde zum Schutz gegen äußere Angriffe sowohl wie gegen innere
Unruhen ruft und Verstärkung der Garnison verlangt. Die Stationierung briti¬
scher Flugzeuge in Singapore hat es schon zum Mittelpunkt des englischen Flug¬
dienstes für Südostasien gemacht. Auch für den drahtlosen Telegrammdienst der
Marconi-Gesellschaft um die Welt ist Singapore als eine Hauptstation gedacht.
Singapores politische Bedeutung geht aber noch weiter: es ist das Tor -- zwar
nicht zwischen Europa und Asien, aber doch zwischen den europäischen und den
ostasiatischen Machtbereichen, wie sie sich heute ausgedehnt haben; das Bild er¬
scheint noch deutlicher und bedeutsamer, wenn man sich dazu die Kette der
holländischen Sundainseln und Australien als weiße Mauer vorstellt und bedenkt,
welche Bedeutung für das Tor in der weißen Mauer, für Singapore -- sowohl
in seiner wirtschaftlichen wie in seiner strategischen Stellung -- die heute in
amerikanischem Besitz befindlichen Philippinen vermöge ihrer geographischen Lage
haben. Japans oben geschildertes Auftreten in Singapore zeigt, daß man dort
seine Bedeutung erkannt hat.




Wirkungen des Krieges ans Gstasien

mehr als eine japanische Reederei, deren Dampfer regelmäßig zwischen Japan,
China und niederländisch Indien verkehren, ohne Singapore anzukaufen. Das-
selbe gilt, wenn auch nicht in gleichem Maße, für Australien. Schon hat man
dort angefangen, sich von der Verteuerung und Verzögerung, die der Warenver¬
kehr von und nach Neu-Guinea und anderen Südseeinseln durch die bisher übliche
Umladung in Sydney erfuhr, frei zu machen durch Einstellung direkter Dampfer¬
verbindung mit Singapore; und die Erkenntnis, daß auch Singapore als Um¬
schlagshafen für diesen Verkehr entbehrlich ist, wird zum nicht geringen Teil von
der Entwicklung abhängen, die die niederländisch-indische Schiffahrt nehmen wird.

Sieht die deutsche Weltwirtschaft die Stellung Singapores so an, so braucht
ihr die Ausschließung des deutschen Kaufmanns aus jener britischen Kolonie keine
große Sorge für die Zukunft zu bereiten.

Inzwischen hat aber Singapore noch eine andere Aufgabe zu erfüllen.
Lord Jellicoe, damals Chef der englischen Admiralität, jetzt Generalgouvemeur
von Neuseeland, hat sie uns enthüllt, als sein Bericht an seine Regierung ver¬
öffentlicht wurde, in welchem er betont, das Meer zwischen den Küsten Indiens
bis zur Küste von Kanada sei eins und bedürfe zu seiner Verteidigung einer ein¬
heitlichen Flotte, die von Singapore aus geleitet werden müsse. Daß diese Auf¬
fassung zustimmenden Widerhall auch in Singapore gefunden hat, zeigt die dortige
Presse, die nach allgemeiner Wehrpflicht für die Kolonie, nach Freiwilligenkorps,
und Bürgergarde zum Schutz gegen äußere Angriffe sowohl wie gegen innere
Unruhen ruft und Verstärkung der Garnison verlangt. Die Stationierung briti¬
scher Flugzeuge in Singapore hat es schon zum Mittelpunkt des englischen Flug¬
dienstes für Südostasien gemacht. Auch für den drahtlosen Telegrammdienst der
Marconi-Gesellschaft um die Welt ist Singapore als eine Hauptstation gedacht.
Singapores politische Bedeutung geht aber noch weiter: es ist das Tor — zwar
nicht zwischen Europa und Asien, aber doch zwischen den europäischen und den
ostasiatischen Machtbereichen, wie sie sich heute ausgedehnt haben; das Bild er¬
scheint noch deutlicher und bedeutsamer, wenn man sich dazu die Kette der
holländischen Sundainseln und Australien als weiße Mauer vorstellt und bedenkt,
welche Bedeutung für das Tor in der weißen Mauer, für Singapore — sowohl
in seiner wirtschaftlichen wie in seiner strategischen Stellung — die heute in
amerikanischem Besitz befindlichen Philippinen vermöge ihrer geographischen Lage
haben. Japans oben geschildertes Auftreten in Singapore zeigt, daß man dort
seine Bedeutung erkannt hat.




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[0273] Wirkungen des Krieges ans Gstasien mehr als eine japanische Reederei, deren Dampfer regelmäßig zwischen Japan, China und niederländisch Indien verkehren, ohne Singapore anzukaufen. Das- selbe gilt, wenn auch nicht in gleichem Maße, für Australien. Schon hat man dort angefangen, sich von der Verteuerung und Verzögerung, die der Warenver¬ kehr von und nach Neu-Guinea und anderen Südseeinseln durch die bisher übliche Umladung in Sydney erfuhr, frei zu machen durch Einstellung direkter Dampfer¬ verbindung mit Singapore; und die Erkenntnis, daß auch Singapore als Um¬ schlagshafen für diesen Verkehr entbehrlich ist, wird zum nicht geringen Teil von der Entwicklung abhängen, die die niederländisch-indische Schiffahrt nehmen wird. Sieht die deutsche Weltwirtschaft die Stellung Singapores so an, so braucht ihr die Ausschließung des deutschen Kaufmanns aus jener britischen Kolonie keine große Sorge für die Zukunft zu bereiten. Inzwischen hat aber Singapore noch eine andere Aufgabe zu erfüllen. Lord Jellicoe, damals Chef der englischen Admiralität, jetzt Generalgouvemeur von Neuseeland, hat sie uns enthüllt, als sein Bericht an seine Regierung ver¬ öffentlicht wurde, in welchem er betont, das Meer zwischen den Küsten Indiens bis zur Küste von Kanada sei eins und bedürfe zu seiner Verteidigung einer ein¬ heitlichen Flotte, die von Singapore aus geleitet werden müsse. Daß diese Auf¬ fassung zustimmenden Widerhall auch in Singapore gefunden hat, zeigt die dortige Presse, die nach allgemeiner Wehrpflicht für die Kolonie, nach Freiwilligenkorps, und Bürgergarde zum Schutz gegen äußere Angriffe sowohl wie gegen innere Unruhen ruft und Verstärkung der Garnison verlangt. Die Stationierung briti¬ scher Flugzeuge in Singapore hat es schon zum Mittelpunkt des englischen Flug¬ dienstes für Südostasien gemacht. Auch für den drahtlosen Telegrammdienst der Marconi-Gesellschaft um die Welt ist Singapore als eine Hauptstation gedacht. Singapores politische Bedeutung geht aber noch weiter: es ist das Tor — zwar nicht zwischen Europa und Asien, aber doch zwischen den europäischen und den ostasiatischen Machtbereichen, wie sie sich heute ausgedehnt haben; das Bild er¬ scheint noch deutlicher und bedeutsamer, wenn man sich dazu die Kette der holländischen Sundainseln und Australien als weiße Mauer vorstellt und bedenkt, welche Bedeutung für das Tor in der weißen Mauer, für Singapore — sowohl in seiner wirtschaftlichen wie in seiner strategischen Stellung — die heute in amerikanischem Besitz befindlichen Philippinen vermöge ihrer geographischen Lage haben. Japans oben geschildertes Auftreten in Singapore zeigt, daß man dort seine Bedeutung erkannt hat.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_338800/273>, abgerufen am 23.11.2024.