Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Zweites Vierteljahr.Bewirtschaftung der Arbeit lichst reibungsarm zergliedern und harmonisch ordnen (nationale Arbeitsteilung Die Arbeit eines Volkes vereint in heißen Brennpunkten die verschiedensten a) der Kultur und ideellen Pflege, d. H. der vorhandenen Welt¬ b) der Wirtschaft und Technik, d. h. als Teil des Produktionsprozesses c) des Rechts, einschließlich Staatsform, sowie der materiellen Im Leben der modernen Völker läßt sich sehr deutlich die Zeitspanns auf- 14*
Bewirtschaftung der Arbeit lichst reibungsarm zergliedern und harmonisch ordnen (nationale Arbeitsteilung Die Arbeit eines Volkes vereint in heißen Brennpunkten die verschiedensten a) der Kultur und ideellen Pflege, d. H. der vorhandenen Welt¬ b) der Wirtschaft und Technik, d. h. als Teil des Produktionsprozesses c) des Rechts, einschließlich Staatsform, sowie der materiellen Im Leben der modernen Völker läßt sich sehr deutlich die Zeitspanns auf- 14*
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0233" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/339034"/> <fw type="header" place="top"> Bewirtschaftung der Arbeit</fw><lb/> <p xml:id="ID_805" prev="#ID_804"> lichst reibungsarm zergliedern und harmonisch ordnen (nationale Arbeitsteilung<lb/> ^ innere Wirtschaftspolitik), sie gleichzeitig klug-vorbeugend Pflegen (Sozialpolitik)<lb/> und nach außen hin energisch und zielbewußt zusammenfassen und in die welt¬<lb/> wirtschaftliche Wagschale werfen (natürlicher Wirtschaftsimperialismus). Die<lb/> Lösung dieser Aufgabe ist schon normalerweise schwierig und stellt an die Politik<lb/> des Staates und der privaten Beteiligten hohe Ansprüche. Tragisch zwingend,<lb/> weil lebensnotwendig im höchsten Grade, drängt sich aber die Lösung dieser Auf¬<lb/> gabe dem deutschen Volke auf: Es litt unter einem gigantischen Kriege, dessen<lb/> Ausgang seine geographisch-wirtschaftlichen Produktionsmittel scharf schmälerte und<lb/> sein Volksvermögen durch riesige Verschuldung unter das Existenzminimu.n preßte,<lb/> während noch dauernd die Blutegel wahnwitziger Forderungen an seinen kranken<lb/> Wirtschaftskörper gesetzt werden. Deutschlands Zukunft steht und fällt mit der<lb/> Lösung seines Wiederaufbauproblems, dessen Hauptforderung sich am klarsten auf<lb/> die nationalökonomische Formel: Bewirtschaftung der nationalen Arbeit bringen<lb/> läßt. Die praktische Beschäftigung mit diesem Problem, insbesondere auch im<lb/> einzelnen, fordert immerhin, sich in knappen, plastischen Gedankengängen in seine<lb/> historischen und dynamischen Voraussetzungen Hmemzufühlen, sich über die Ent¬<lb/> wicklungsgesetze und treibenden Energien klar zu werden, welche die Gesamtlösung<lb/> dieser Aufgabe bisher bestimmten und Richtungspunkte für ihre wahrscheinliche<lb/> zukünftige Gestaltung darbieten.</p><lb/> <p xml:id="ID_806"> Die Arbeit eines Volkes vereint in heißen Brennpunkten die verschiedensten<lb/> Ausstrahlungen und Sphären seiner Kultur oder Zivilisation. Sie ist, wenn<lb/> man bei der Flüssigkeit und Elastizität des ganzen Problems überhaupt wagen<lb/> will, planvoll zu ordnen, hauptsächlich Gegenstand dreier nationaler Sphären, die<lb/> sich oft in ihr überschneiden:</p><lb/> <p xml:id="ID_807"> a) der Kultur und ideellen Pflege, d. H. der vorhandenen Welt¬<lb/> anschauungen, der praktischen Ethik und typischen nationalen Haltung, der Bil¬<lb/> dung, der planvollen Standespflege, des bewußten Familienlebens. — Ergebnis:<lb/> Arbeit als Persönlichkeitsgehalt und Befriedigung, klassisch gefaßt: Arbeit ist des<lb/> Bürgers Zierde;</p><lb/> <p xml:id="ID_808"> b) der Wirtschaft und Technik, d. h. als Teil des Produktionsprozesses<lb/> und Belcher und Verwirklicher von Projekten. — Ergebnis: die Arbeitsleistung,<lb/> der wirtschaftliche Gewinn, der technische Fortschritt;</p><lb/> <p xml:id="ID_809"> c) des Rechts, einschließlich Staatsform, sowie der materiellen<lb/> Pflege, d. h. der Verfassung, des zivilem und öffentlichen Rechts, die Arbeit der<lb/> Zivilisation im Gegensatz zum Arbeitsbegriff der Kultur, insbesondere als Erreger<lb/> der sogenannten sozialen Frage. — Ergebnis: Freies und staatliches Arbeits¬<lb/> recht, freie und staatliche Sozialpolitik.</p><lb/> <p xml:id="ID_810" next="#ID_811"> Im Leben der modernen Völker läßt sich sehr deutlich die Zeitspanns auf-<lb/> finden, in der die nationale Arbeit oder doch ihr wesentlicher Teil, der ihr vor<lb/> allem im Auslande das typische nationale Gepräge verleiht, den kritischen Schritt<lb/> aus dem Stilleben der Kultur in die nüchterne Zweckmäßigkeit der modernen<lb/> Zivilisation hineinwagt. England tat. diesen Schritt, der überall durch das auf¬<lb/> wuchtende industrielle Zeitalter bedingt wurde, bereits um die Wende des 18<lb/> Jahrhunderts. Deutschland folgte zaghaft in den fünfziger Jahren des 19., be-<lb/> wußter und energischer nach dem erfolgreichsten Dezennium preußischer Außen-</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 14*</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0233]
Bewirtschaftung der Arbeit
lichst reibungsarm zergliedern und harmonisch ordnen (nationale Arbeitsteilung
^ innere Wirtschaftspolitik), sie gleichzeitig klug-vorbeugend Pflegen (Sozialpolitik)
und nach außen hin energisch und zielbewußt zusammenfassen und in die welt¬
wirtschaftliche Wagschale werfen (natürlicher Wirtschaftsimperialismus). Die
Lösung dieser Aufgabe ist schon normalerweise schwierig und stellt an die Politik
des Staates und der privaten Beteiligten hohe Ansprüche. Tragisch zwingend,
weil lebensnotwendig im höchsten Grade, drängt sich aber die Lösung dieser Auf¬
gabe dem deutschen Volke auf: Es litt unter einem gigantischen Kriege, dessen
Ausgang seine geographisch-wirtschaftlichen Produktionsmittel scharf schmälerte und
sein Volksvermögen durch riesige Verschuldung unter das Existenzminimu.n preßte,
während noch dauernd die Blutegel wahnwitziger Forderungen an seinen kranken
Wirtschaftskörper gesetzt werden. Deutschlands Zukunft steht und fällt mit der
Lösung seines Wiederaufbauproblems, dessen Hauptforderung sich am klarsten auf
die nationalökonomische Formel: Bewirtschaftung der nationalen Arbeit bringen
läßt. Die praktische Beschäftigung mit diesem Problem, insbesondere auch im
einzelnen, fordert immerhin, sich in knappen, plastischen Gedankengängen in seine
historischen und dynamischen Voraussetzungen Hmemzufühlen, sich über die Ent¬
wicklungsgesetze und treibenden Energien klar zu werden, welche die Gesamtlösung
dieser Aufgabe bisher bestimmten und Richtungspunkte für ihre wahrscheinliche
zukünftige Gestaltung darbieten.
Die Arbeit eines Volkes vereint in heißen Brennpunkten die verschiedensten
Ausstrahlungen und Sphären seiner Kultur oder Zivilisation. Sie ist, wenn
man bei der Flüssigkeit und Elastizität des ganzen Problems überhaupt wagen
will, planvoll zu ordnen, hauptsächlich Gegenstand dreier nationaler Sphären, die
sich oft in ihr überschneiden:
a) der Kultur und ideellen Pflege, d. H. der vorhandenen Welt¬
anschauungen, der praktischen Ethik und typischen nationalen Haltung, der Bil¬
dung, der planvollen Standespflege, des bewußten Familienlebens. — Ergebnis:
Arbeit als Persönlichkeitsgehalt und Befriedigung, klassisch gefaßt: Arbeit ist des
Bürgers Zierde;
b) der Wirtschaft und Technik, d. h. als Teil des Produktionsprozesses
und Belcher und Verwirklicher von Projekten. — Ergebnis: die Arbeitsleistung,
der wirtschaftliche Gewinn, der technische Fortschritt;
c) des Rechts, einschließlich Staatsform, sowie der materiellen
Pflege, d. h. der Verfassung, des zivilem und öffentlichen Rechts, die Arbeit der
Zivilisation im Gegensatz zum Arbeitsbegriff der Kultur, insbesondere als Erreger
der sogenannten sozialen Frage. — Ergebnis: Freies und staatliches Arbeits¬
recht, freie und staatliche Sozialpolitik.
Im Leben der modernen Völker läßt sich sehr deutlich die Zeitspanns auf-
finden, in der die nationale Arbeit oder doch ihr wesentlicher Teil, der ihr vor
allem im Auslande das typische nationale Gepräge verleiht, den kritischen Schritt
aus dem Stilleben der Kultur in die nüchterne Zweckmäßigkeit der modernen
Zivilisation hineinwagt. England tat. diesen Schritt, der überall durch das auf¬
wuchtende industrielle Zeitalter bedingt wurde, bereits um die Wende des 18
Jahrhunderts. Deutschland folgte zaghaft in den fünfziger Jahren des 19., be-
wußter und energischer nach dem erfolgreichsten Dezennium preußischer Außen-
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