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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Zweites Vierteljahr.

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Wirkungen des Krieges auf Dstcisicn

Wirkungen des Arieges auf Ostasien ^)
Gskar Scholz von
II. Das englisch-japanische Bündnis

is im Jahre 1901 die ersten diplomatischen Besprechungen über
eine "englisch-japanische Verständigung zur Aufrechterhaltung des
Friedens in Ostasien" stattfanden/die Anfang 1902 zum Abschluß
des englisch-japanischen Bündnisses führten, da war,
wie Graf Hayashi, der damalige japanische Gesandte in London,
in seinen Erinnerungen erzählt, beabsichtigt, auch Deutschland zu" diesem
Bündnis zuzuziehen. Erst Nach Vollzug des englisch-japanischen Vertrages ist
die Zuziehung Deutschlands endgültig aufgegeben worden. Es mag hier dahin¬
gestellt bleiben, ob Deutschlands Teilnahme gescheitert ist an Japans Erinne¬
rungen an das ungeschickte Auftreten Deutschlands bei seinem Einspruch gegen
den japanisch-chinesischen Frieden von Schimonoscki von 1895 (wie Hayashi in
seinen Aufzeichnungen andeutet) oder an Englands Mißgunst gegen Deutschland
(wie der britische, in ostasiatischer Politik erfahrene Herausgeber der Memoiren
des Grafen Hayashi anzunehmen scheint) oder an der auf Zwischenfälle und Nach¬
wirkungen des Burenkrieges zurückzuführenden scharfen Verstimmung zwischen
den beiden Monarchen (wie deren von dem damaligen deutschen Geschäftsträger
in London von Eckardstein berichteten Äußerungen vermuten lassen) oder (wie
von Eckardstein selbst es darstellt) an der ablehnenden Haltung des Berliner Aus¬
wärtigen Amts, das einen allgemeineren Anschluß Englands an den mittel¬
europäischen Dreibund erstrebte und ohne einen solchen eine Entzweiung mit Ru߬
land vermeiden wollte. Jedenfalls ist bei Abschluß jenes ersten englisch-japa¬
nischen Bündnisses sowohl von englischer als auch von japanischer Seite an die
Zuziehung eines Dritten gedacht worden. Wir wissen, daß Japans großer Staats¬
mann Fürst Jto anstatt deS Bündnisses mit England ein Bündnis mit Ru߬
land vorgezogen haben würde, auch er dachte dabei an einen Dreibund, indem
er mit Nußland zugleich dessen französischen Bundesgenossen auch für die ost¬
asiatische Politik zu gewinnen hoffte. Offenbar waren die leitenden japanischen
Staatsmänner sich bewußt, daß ein Bund mit nur einer europäischen Macht
sich für Japans politische Interessen in Ostasien leicht als zu schwach erweisen
könnte. Die Verträge über China, die Japan später mit Rußland und mit Frank¬
reich schloß, dienten zwar dazu, China auch da, wo es sich noch frei von aus¬
ländischem Druck bewegen konnte, zu umfassen und den Wettbewerb anderer
Völker, namentlich Deutschlands und Amerikas zu erschweren, aber einen wirk¬
samen Schutz bis zum Äußersten gegen machtpolitische Bestrebungen anderer Völker
und für die eigenen Ausdehnungsbestrebungen gewährte doch nur das Bündnis
mit England. Wie sehr diesem Bunde der Dritte fehlte, zeigte sich für Japan
schon zwei Jahre später in seinem Kriege mit Nußland. Zwar hatte man Ru߬
lands Macht überschätzt; aber auch gegenüber dein Rußland ^mit all den Schwächen,
die sich in diesem Kriege herausstellten, zeigte sich die Unvollkommenheit des



-) Vergl. Grenzboten, Heft 18/19.
Wirkungen des Krieges auf Dstcisicn

Wirkungen des Arieges auf Ostasien ^)
Gskar Scholz von
II. Das englisch-japanische Bündnis

is im Jahre 1901 die ersten diplomatischen Besprechungen über
eine „englisch-japanische Verständigung zur Aufrechterhaltung des
Friedens in Ostasien" stattfanden/die Anfang 1902 zum Abschluß
des englisch-japanischen Bündnisses führten, da war,
wie Graf Hayashi, der damalige japanische Gesandte in London,
in seinen Erinnerungen erzählt, beabsichtigt, auch Deutschland zu» diesem
Bündnis zuzuziehen. Erst Nach Vollzug des englisch-japanischen Vertrages ist
die Zuziehung Deutschlands endgültig aufgegeben worden. Es mag hier dahin¬
gestellt bleiben, ob Deutschlands Teilnahme gescheitert ist an Japans Erinne¬
rungen an das ungeschickte Auftreten Deutschlands bei seinem Einspruch gegen
den japanisch-chinesischen Frieden von Schimonoscki von 1895 (wie Hayashi in
seinen Aufzeichnungen andeutet) oder an Englands Mißgunst gegen Deutschland
(wie der britische, in ostasiatischer Politik erfahrene Herausgeber der Memoiren
des Grafen Hayashi anzunehmen scheint) oder an der auf Zwischenfälle und Nach¬
wirkungen des Burenkrieges zurückzuführenden scharfen Verstimmung zwischen
den beiden Monarchen (wie deren von dem damaligen deutschen Geschäftsträger
in London von Eckardstein berichteten Äußerungen vermuten lassen) oder (wie
von Eckardstein selbst es darstellt) an der ablehnenden Haltung des Berliner Aus¬
wärtigen Amts, das einen allgemeineren Anschluß Englands an den mittel¬
europäischen Dreibund erstrebte und ohne einen solchen eine Entzweiung mit Ru߬
land vermeiden wollte. Jedenfalls ist bei Abschluß jenes ersten englisch-japa¬
nischen Bündnisses sowohl von englischer als auch von japanischer Seite an die
Zuziehung eines Dritten gedacht worden. Wir wissen, daß Japans großer Staats¬
mann Fürst Jto anstatt deS Bündnisses mit England ein Bündnis mit Ru߬
land vorgezogen haben würde, auch er dachte dabei an einen Dreibund, indem
er mit Nußland zugleich dessen französischen Bundesgenossen auch für die ost¬
asiatische Politik zu gewinnen hoffte. Offenbar waren die leitenden japanischen
Staatsmänner sich bewußt, daß ein Bund mit nur einer europäischen Macht
sich für Japans politische Interessen in Ostasien leicht als zu schwach erweisen
könnte. Die Verträge über China, die Japan später mit Rußland und mit Frank¬
reich schloß, dienten zwar dazu, China auch da, wo es sich noch frei von aus¬
ländischem Druck bewegen konnte, zu umfassen und den Wettbewerb anderer
Völker, namentlich Deutschlands und Amerikas zu erschweren, aber einen wirk¬
samen Schutz bis zum Äußersten gegen machtpolitische Bestrebungen anderer Völker
und für die eigenen Ausdehnungsbestrebungen gewährte doch nur das Bündnis
mit England. Wie sehr diesem Bunde der Dritte fehlte, zeigte sich für Japan
schon zwei Jahre später in seinem Kriege mit Nußland. Zwar hatte man Ru߬
lands Macht überschätzt; aber auch gegenüber dein Rußland ^mit all den Schwächen,
die sich in diesem Kriege herausstellten, zeigte sich die Unvollkommenheit des



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[0223] Wirkungen des Krieges auf Dstcisicn Wirkungen des Arieges auf Ostasien ^) Gskar Scholz von II. Das englisch-japanische Bündnis is im Jahre 1901 die ersten diplomatischen Besprechungen über eine „englisch-japanische Verständigung zur Aufrechterhaltung des Friedens in Ostasien" stattfanden/die Anfang 1902 zum Abschluß des englisch-japanischen Bündnisses führten, da war, wie Graf Hayashi, der damalige japanische Gesandte in London, in seinen Erinnerungen erzählt, beabsichtigt, auch Deutschland zu» diesem Bündnis zuzuziehen. Erst Nach Vollzug des englisch-japanischen Vertrages ist die Zuziehung Deutschlands endgültig aufgegeben worden. Es mag hier dahin¬ gestellt bleiben, ob Deutschlands Teilnahme gescheitert ist an Japans Erinne¬ rungen an das ungeschickte Auftreten Deutschlands bei seinem Einspruch gegen den japanisch-chinesischen Frieden von Schimonoscki von 1895 (wie Hayashi in seinen Aufzeichnungen andeutet) oder an Englands Mißgunst gegen Deutschland (wie der britische, in ostasiatischer Politik erfahrene Herausgeber der Memoiren des Grafen Hayashi anzunehmen scheint) oder an der auf Zwischenfälle und Nach¬ wirkungen des Burenkrieges zurückzuführenden scharfen Verstimmung zwischen den beiden Monarchen (wie deren von dem damaligen deutschen Geschäftsträger in London von Eckardstein berichteten Äußerungen vermuten lassen) oder (wie von Eckardstein selbst es darstellt) an der ablehnenden Haltung des Berliner Aus¬ wärtigen Amts, das einen allgemeineren Anschluß Englands an den mittel¬ europäischen Dreibund erstrebte und ohne einen solchen eine Entzweiung mit Ru߬ land vermeiden wollte. Jedenfalls ist bei Abschluß jenes ersten englisch-japa¬ nischen Bündnisses sowohl von englischer als auch von japanischer Seite an die Zuziehung eines Dritten gedacht worden. Wir wissen, daß Japans großer Staats¬ mann Fürst Jto anstatt deS Bündnisses mit England ein Bündnis mit Ru߬ land vorgezogen haben würde, auch er dachte dabei an einen Dreibund, indem er mit Nußland zugleich dessen französischen Bundesgenossen auch für die ost¬ asiatische Politik zu gewinnen hoffte. Offenbar waren die leitenden japanischen Staatsmänner sich bewußt, daß ein Bund mit nur einer europäischen Macht sich für Japans politische Interessen in Ostasien leicht als zu schwach erweisen könnte. Die Verträge über China, die Japan später mit Rußland und mit Frank¬ reich schloß, dienten zwar dazu, China auch da, wo es sich noch frei von aus¬ ländischem Druck bewegen konnte, zu umfassen und den Wettbewerb anderer Völker, namentlich Deutschlands und Amerikas zu erschweren, aber einen wirk¬ samen Schutz bis zum Äußersten gegen machtpolitische Bestrebungen anderer Völker und für die eigenen Ausdehnungsbestrebungen gewährte doch nur das Bündnis mit England. Wie sehr diesem Bunde der Dritte fehlte, zeigte sich für Japan schon zwei Jahre später in seinem Kriege mit Nußland. Zwar hatte man Ru߬ lands Macht überschätzt; aber auch gegenüber dein Rußland ^mit all den Schwächen, die sich in diesem Kriege herausstellten, zeigte sich die Unvollkommenheit des -) Vergl. Grenzboten, Heft 18/19.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_338800/223>, abgerufen am 23.11.2024.