Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Zweites Vierteljahr.Grundfragen der deutschen Wirtschaftsgeschichte einander mitgewirkt haben^ daß insbesondere Ertrag aus Handel, aus Grund¬ Mit der Frage, durch welche Verhältnisse die mittelalterliche Stadtwirt¬ Wirtschafts- und verfassungsgeschichtlichen Inhalts zugleich ist die letzte Grundfragen der deutschen Wirtschaftsgeschichte einander mitgewirkt haben^ daß insbesondere Ertrag aus Handel, aus Grund¬ Mit der Frage, durch welche Verhältnisse die mittelalterliche Stadtwirt¬ Wirtschafts- und verfassungsgeschichtlichen Inhalts zugleich ist die letzte <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0207" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/339008"/> <fw type="header" place="top"> Grundfragen der deutschen Wirtschaftsgeschichte</fw><lb/> <p xml:id="ID_704" prev="#ID_703"> einander mitgewirkt haben^ daß insbesondere Ertrag aus Handel, aus Grund¬<lb/> besitz und Bergwerksbesitz zusammengekommen sind. Wenn der Handelsgewinn<lb/> damals auch aus bescheideneren Betrieben floß, war er immerhin beträchtlich<lb/> genug, um manchen Kaufmann zum reichen Mann zu machen. Der Gewinn aus<lb/> der Grundrente wurde erst durch die Entwicklung von Handel und Gewerbe in<lb/> den Städten erheblich.</p><lb/> <p xml:id="ID_705"> Mit der Frage, durch welche Verhältnisse die mittelalterliche Stadtwirt¬<lb/> schaft abgelöst worden ist, beschäftigt sich die achte Abhandlung „Der Unter¬<lb/> gang der mittelalterlichen Stadtwirtschaft. Qber den Begriff der<lb/> Territorialwirtschaft" (S. 501—621). Im Gegensatz zu Schmoller, der<lb/> eine Stufe der „Territorialwirtschaft" annahm, betont sie, daß es wohl eine<lb/> bemerkenswerte territoriale Wirtschaftspolitik gegeben hat, aber darum noch nicht<lb/> eine „Territorialwirtschaft". Mit dem 16. Jahrhundert beginnt eine Wirtschafts¬<lb/> politik der Landesherren, die durch Gewerbe- und Polizeiordnungen in das<lb/> Gewerbewesen ihrer Gebiete ordnend eingreifen. Die landesherrliche Gewerbe-<lb/> und Handelspolitik gipfelt im Merkantilismus, der in der Hauptsache eine Fort¬<lb/> führung stadtwirtschaftlicher Gedanken und ihre Übertragung von der Stadt auf<lb/> das Territorium ist. Die Grundlagen der mittelalterlichen Handwerks- und<lb/> Gewerbeverfassung, insbesondere der Zunftzwang und die Regelung der Erzeugung<lb/> der einzelnen Handwerker zugunsten der ganzen Genossenschaft, bleiben bis zum<lb/> Beginn des 19. Jahrhunderts bestehen. Sie müssen sich aber im einzelnen<lb/> manche Abbröcklungen gefallen lassen, so durch die beschränkte Zulassung von<lb/> Freimeistern und die ebenfalls beschränkte Anerkennung einer großindustriellcn<lb/> Tätigkeit (Verlegertum und Fabriken). Die Zahl der großindustriellcn Unter¬<lb/> nehmungen ist indes in den ersten Jahrhunderten der Neuzeit noch immer eine<lb/> ziemlich bescheidene. Einen erheblichen Aufschwung nehmen sie erst im 18. Jahr¬<lb/> hundert mit den unter dem Einfluß des Merkantilsystems gegründeten Fabriken,<lb/> die der Mehrzahl nach teils staatliche Begünstigung erfuhren, teils unmittelbare<lb/> staatliche Unternehmungen waren und deshalb auch vielfach einen künstlichen<lb/> Charakter trugen.</p><lb/> <p xml:id="ID_706" next="#ID_707"> Wirtschafts- und verfassungsgeschichtlichen Inhalts zugleich ist die letzte<lb/> Abhandlung über „Die älteste deutsche Steuer" (S. 622 bis 662). Der<lb/> altdeutsche Staat kannte noch keine Steuer, weil kein Bedürfnis dafür vorhanden<lb/> war. Staats- und Kriegsdienst wurden von den Staatsbürgern in eigener<lb/> Person und auf eigene Kosten geleistet. Als die Franken Gallien eroberten,<lb/> fanden sie dort das römische Steuerwesen vor, ließen es aber verfallen,- auf die<lb/> deutschen Stammesgebiete wurde es nicht ausgedehnt. Die älteste deutsche Steuer<lb/> ist die Bete, die seit dem Ende des 12. Jahrhunderts uns in voller Deutlichkeit<lb/> als landesherrliche Abgabe begegnet, aber schon eine längere Geschichte hinter sich<lb/> hat. Rechtsgrundlage der Bete ist nicht die Grundherrschaft, sondern die von<lb/> den fränkischen Herrschern geschaffene gräfliche Gewalt. Der Ausbau der Bete<lb/> füllt zusammen mit der Begründung und Festigung der landesherrlichen Gewalt.<lb/> In der Tatsache, daß nicht der König, sondern die Landesherren sich dieses<lb/> Machtmittels der Steuer bemächtigen, spiegelt sich der ganze Verlauf der deut¬<lb/> schen Verfassungsgeschichte des Mittelalters wieder. Ihrem Grundgedanken nach<lb/> sollte die Bete Vermögenssteuer sein, tatsächlich wurden jedoch bei ihr regelmäßig-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0207]
Grundfragen der deutschen Wirtschaftsgeschichte
einander mitgewirkt haben^ daß insbesondere Ertrag aus Handel, aus Grund¬
besitz und Bergwerksbesitz zusammengekommen sind. Wenn der Handelsgewinn
damals auch aus bescheideneren Betrieben floß, war er immerhin beträchtlich
genug, um manchen Kaufmann zum reichen Mann zu machen. Der Gewinn aus
der Grundrente wurde erst durch die Entwicklung von Handel und Gewerbe in
den Städten erheblich.
Mit der Frage, durch welche Verhältnisse die mittelalterliche Stadtwirt¬
schaft abgelöst worden ist, beschäftigt sich die achte Abhandlung „Der Unter¬
gang der mittelalterlichen Stadtwirtschaft. Qber den Begriff der
Territorialwirtschaft" (S. 501—621). Im Gegensatz zu Schmoller, der
eine Stufe der „Territorialwirtschaft" annahm, betont sie, daß es wohl eine
bemerkenswerte territoriale Wirtschaftspolitik gegeben hat, aber darum noch nicht
eine „Territorialwirtschaft". Mit dem 16. Jahrhundert beginnt eine Wirtschafts¬
politik der Landesherren, die durch Gewerbe- und Polizeiordnungen in das
Gewerbewesen ihrer Gebiete ordnend eingreifen. Die landesherrliche Gewerbe-
und Handelspolitik gipfelt im Merkantilismus, der in der Hauptsache eine Fort¬
führung stadtwirtschaftlicher Gedanken und ihre Übertragung von der Stadt auf
das Territorium ist. Die Grundlagen der mittelalterlichen Handwerks- und
Gewerbeverfassung, insbesondere der Zunftzwang und die Regelung der Erzeugung
der einzelnen Handwerker zugunsten der ganzen Genossenschaft, bleiben bis zum
Beginn des 19. Jahrhunderts bestehen. Sie müssen sich aber im einzelnen
manche Abbröcklungen gefallen lassen, so durch die beschränkte Zulassung von
Freimeistern und die ebenfalls beschränkte Anerkennung einer großindustriellcn
Tätigkeit (Verlegertum und Fabriken). Die Zahl der großindustriellcn Unter¬
nehmungen ist indes in den ersten Jahrhunderten der Neuzeit noch immer eine
ziemlich bescheidene. Einen erheblichen Aufschwung nehmen sie erst im 18. Jahr¬
hundert mit den unter dem Einfluß des Merkantilsystems gegründeten Fabriken,
die der Mehrzahl nach teils staatliche Begünstigung erfuhren, teils unmittelbare
staatliche Unternehmungen waren und deshalb auch vielfach einen künstlichen
Charakter trugen.
Wirtschafts- und verfassungsgeschichtlichen Inhalts zugleich ist die letzte
Abhandlung über „Die älteste deutsche Steuer" (S. 622 bis 662). Der
altdeutsche Staat kannte noch keine Steuer, weil kein Bedürfnis dafür vorhanden
war. Staats- und Kriegsdienst wurden von den Staatsbürgern in eigener
Person und auf eigene Kosten geleistet. Als die Franken Gallien eroberten,
fanden sie dort das römische Steuerwesen vor, ließen es aber verfallen,- auf die
deutschen Stammesgebiete wurde es nicht ausgedehnt. Die älteste deutsche Steuer
ist die Bete, die seit dem Ende des 12. Jahrhunderts uns in voller Deutlichkeit
als landesherrliche Abgabe begegnet, aber schon eine längere Geschichte hinter sich
hat. Rechtsgrundlage der Bete ist nicht die Grundherrschaft, sondern die von
den fränkischen Herrschern geschaffene gräfliche Gewalt. Der Ausbau der Bete
füllt zusammen mit der Begründung und Festigung der landesherrlichen Gewalt.
In der Tatsache, daß nicht der König, sondern die Landesherren sich dieses
Machtmittels der Steuer bemächtigen, spiegelt sich der ganze Verlauf der deut¬
schen Verfassungsgeschichte des Mittelalters wieder. Ihrem Grundgedanken nach
sollte die Bete Vermögenssteuer sein, tatsächlich wurden jedoch bei ihr regelmäßig-
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