Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Zweites Vierteljahr.Grundfragen der deutschen Wirtschaftsgeschichte Zusammenschlusses bedürfen. Die Zünfte sind nicht herausgewachsen aus den Die sechste Abhandlung "Großhändler und Kleinhändler im Zur Neuzeit leitet über die nächste Abhandlung über //Die Entstehung Grundfragen der deutschen Wirtschaftsgeschichte Zusammenschlusses bedürfen. Die Zünfte sind nicht herausgewachsen aus den Die sechste Abhandlung „Großhändler und Kleinhändler im Zur Neuzeit leitet über die nächste Abhandlung über //Die Entstehung <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0206" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/339007"/> <fw type="header" place="top"> Grundfragen der deutschen Wirtschaftsgeschichte</fw><lb/> <p xml:id="ID_701" prev="#ID_700"> Zusammenschlusses bedürfen. Die Zünfte sind nicht herausgewachsen aus den<lb/> hofrechtlichen Verbänden der unfreien Handwerker der Grundherrschaften, sie gehen<lb/> auch nicht zurück auf verwaltungstechnische Erwägungen des Stadtherrn, sondern<lb/> sind dem eigenen Antriebe der Handwerker entsprungen. Der Zweck, den die Hand¬<lb/> werker mit der Begründung einer Zunft verfolgen, ist in erster Reihe die Er¬<lb/> langung des Zunftzwanges. Die Zunft tritt uns als ein unter Sanktion der<lb/> Gemeindcgewalt errichteter Zwangsverband entgegen, dessen Mitgliedschaft die<lb/> Voraussetzung für die Ausübung eines bestimmten Gewerbes innerhalb der Ge¬<lb/> meinde bildet. Der Zunftzwang als bloßer formaler Beitrittszwang ist allerdings<lb/> nur das Mittel zur Errichtung weiterer sachlicher Zwecke, namentlich der Fern¬<lb/> haltung unbequemer Wettbewerber. Die Zünfte entstehen hiernach als wirtschaft¬<lb/> liche Verbände wesentlich aus wirtschaftlichen Beweggründen, wenngleich sie viel¬<lb/> fach religiöse und gesellige Zwecke mit übernehmen. In denjenigen Städten, in<lb/> denen sie im Kampfe mit den Patriziern siegen, verändert sich meistens ihr Wesen,<lb/> sie werden zu politischen Zünften, deren Gliederung und Aufbau sich nach den<lb/> Bedürfnissen der Stadtverfassung bestimmt.</p><lb/> <p xml:id="ID_702"> Die sechste Abhandlung „Großhändler und Kleinhändler im<lb/> deutschen Mittelalter" (S. 302—398) tritt der Ansicht von Nitzsch und<lb/> anderen entgegen, die den mittelalterlichen Handel zu hoch anschlagen, fast ganz<lb/> wie einen neuzeitlichen auffassen und in den alten Städten insbesondere Scharen<lb/> von berufsmäßigen Großhändlern zu sehen glauben. Dem Mittelalter eigentümlich<lb/> ist die Vereinigung von Groß- und Kleinhandel in einer Hand, der Kleinhändler<lb/> übt regelmäßig den Großhandel im Nebenberuf aus. Wareneinbringer sind regel¬<lb/> mäßig die Erzeuger und Kleinhändler. Der Kaufmann, der sich berufsmäßig auf<lb/> die Ausübung des Großhandels beschränkt, ist eine späte Ausnahmeerscheinung.<lb/> Reine Großhändlergilden hat es nicht gegeben. Die Gründe für das Fehlen eines<lb/> Großkaufmannstandes sind zu suchen einmal in dem verhältnismäßig geringen<lb/> Kapitalvorrat und in den schwierigen Verkehrsverhältnissen und sodann in der<lb/> städtischen Sozial- und Wirtschaftspolitik (Abschließung der Städte gegeneinander,<lb/> Beherrschung des platten Landes durch die Bürgerschaft, Gästerecht und Zunft-<lb/> verfassung).</p><lb/> <p xml:id="ID_703" next="#ID_704"> Zur Neuzeit leitet über die nächste Abhandlung über //Die Entstehung<lb/> des modernen Kapitalismus" (S. 399—500). Im ausgehenden Mittel-<lb/> alter zeigen sich die ersten Ansätze zur kapitalistischen Wirtschaftsweise, deren<lb/> Hauptkennzeichen v. Below in der Verwendung von viel Kapital erblickt. Wo<lb/> und aus welchen Quellen hat sich während des Mittelalters so viel Kapital an¬<lb/> gehäuft/ daß an dessen Schluß diese Ansätze zur kapitalistischen Wirtschaftsweise<lb/> hervortreten konnten? W. Sombarr hat als Erster die Frage nach der Entstehung<lb/> des modernen Kapitalismus planmäßig gestellt und in einer größeren Darstellung<lb/> zu beantworten versucht (Sombart/ Moderner Kapitalismus/ 1. Auflage 1902).<lb/> Er bemühte sich nachzuweisen, daß die Kapitalansammlung im Mittelalter nicht<lb/> etwa aus Handelsgewinn entstanden sei — der Bürger der mittelalterlichen Stadt<lb/> habe es durch Handelsbetrieb schlechterdings nicht zum reichen Mann bringen<lb/> können — sondern durch Anhäufung von ländlicher und städtischer Grundrente.<lb/> Mit dieser Lehre Sombarts setzt sich v. Below hier kritisch auseinander. Er<lb/> legt dar, daß an der Bildung großer Vermögen eine Reihe von Ursachen neben-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0206]
Grundfragen der deutschen Wirtschaftsgeschichte
Zusammenschlusses bedürfen. Die Zünfte sind nicht herausgewachsen aus den
hofrechtlichen Verbänden der unfreien Handwerker der Grundherrschaften, sie gehen
auch nicht zurück auf verwaltungstechnische Erwägungen des Stadtherrn, sondern
sind dem eigenen Antriebe der Handwerker entsprungen. Der Zweck, den die Hand¬
werker mit der Begründung einer Zunft verfolgen, ist in erster Reihe die Er¬
langung des Zunftzwanges. Die Zunft tritt uns als ein unter Sanktion der
Gemeindcgewalt errichteter Zwangsverband entgegen, dessen Mitgliedschaft die
Voraussetzung für die Ausübung eines bestimmten Gewerbes innerhalb der Ge¬
meinde bildet. Der Zunftzwang als bloßer formaler Beitrittszwang ist allerdings
nur das Mittel zur Errichtung weiterer sachlicher Zwecke, namentlich der Fern¬
haltung unbequemer Wettbewerber. Die Zünfte entstehen hiernach als wirtschaft¬
liche Verbände wesentlich aus wirtschaftlichen Beweggründen, wenngleich sie viel¬
fach religiöse und gesellige Zwecke mit übernehmen. In denjenigen Städten, in
denen sie im Kampfe mit den Patriziern siegen, verändert sich meistens ihr Wesen,
sie werden zu politischen Zünften, deren Gliederung und Aufbau sich nach den
Bedürfnissen der Stadtverfassung bestimmt.
Die sechste Abhandlung „Großhändler und Kleinhändler im
deutschen Mittelalter" (S. 302—398) tritt der Ansicht von Nitzsch und
anderen entgegen, die den mittelalterlichen Handel zu hoch anschlagen, fast ganz
wie einen neuzeitlichen auffassen und in den alten Städten insbesondere Scharen
von berufsmäßigen Großhändlern zu sehen glauben. Dem Mittelalter eigentümlich
ist die Vereinigung von Groß- und Kleinhandel in einer Hand, der Kleinhändler
übt regelmäßig den Großhandel im Nebenberuf aus. Wareneinbringer sind regel¬
mäßig die Erzeuger und Kleinhändler. Der Kaufmann, der sich berufsmäßig auf
die Ausübung des Großhandels beschränkt, ist eine späte Ausnahmeerscheinung.
Reine Großhändlergilden hat es nicht gegeben. Die Gründe für das Fehlen eines
Großkaufmannstandes sind zu suchen einmal in dem verhältnismäßig geringen
Kapitalvorrat und in den schwierigen Verkehrsverhältnissen und sodann in der
städtischen Sozial- und Wirtschaftspolitik (Abschließung der Städte gegeneinander,
Beherrschung des platten Landes durch die Bürgerschaft, Gästerecht und Zunft-
verfassung).
Zur Neuzeit leitet über die nächste Abhandlung über //Die Entstehung
des modernen Kapitalismus" (S. 399—500). Im ausgehenden Mittel-
alter zeigen sich die ersten Ansätze zur kapitalistischen Wirtschaftsweise, deren
Hauptkennzeichen v. Below in der Verwendung von viel Kapital erblickt. Wo
und aus welchen Quellen hat sich während des Mittelalters so viel Kapital an¬
gehäuft/ daß an dessen Schluß diese Ansätze zur kapitalistischen Wirtschaftsweise
hervortreten konnten? W. Sombarr hat als Erster die Frage nach der Entstehung
des modernen Kapitalismus planmäßig gestellt und in einer größeren Darstellung
zu beantworten versucht (Sombart/ Moderner Kapitalismus/ 1. Auflage 1902).
Er bemühte sich nachzuweisen, daß die Kapitalansammlung im Mittelalter nicht
etwa aus Handelsgewinn entstanden sei — der Bürger der mittelalterlichen Stadt
habe es durch Handelsbetrieb schlechterdings nicht zum reichen Mann bringen
können — sondern durch Anhäufung von ländlicher und städtischer Grundrente.
Mit dieser Lehre Sombarts setzt sich v. Below hier kritisch auseinander. Er
legt dar, daß an der Bildung großer Vermögen eine Reihe von Ursachen neben-
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