Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Französische Erpressung?, und Einkreisungspolitik usw.

Die Notwehr, in der wir uns 1870 befanden, liegt klar zutage. Nicht
anders lägen die Dinge 1914.

Die Fäden, die durch den Sturz des französischen Kaiserreichs zerrissen
worden waren, nahmen die Leiter der französischen Republik wieder auf und
unter Englands Führung wurde der Feindbund geschlossen, dem wir heute
wehrlos gegenüberstehen. Mit ihm hat die Sozialdemokratie in ihrem Haß
gegen das feste Gefüge des Preußischen Staates, der der Verwirklichung ihrer
internationalen Verbrüderungstheorien im Wege stand, in der Fälschung geschicht¬
licher Wahrheiten gewetteifert.

Die deutsche Revolution ist nicht aus elementaren Kräften wie die französische
emporgewuchtet, sie ist von Menschen gemacht!

Sobald die hochgemute Stimmung von 1914 verflogen war, erhob sich
im eigenen Volk aufs neue, mit den radikalsten Leuten an der Spitze, der
Internationalismus. Nach dem Eingeständnis von Richard Müller sind die
Vorbereitungen zur Revolution schon im Juli 1916 getroffen worden. Die erste
Wirkung zeigte sich im Sommer 1917 in der offenen Auflehnung der Matrosen
in Kiel. Mit Beginn des Jahres 1918 setzte dann die Hetzaktion, wirksam unter¬
stützt durch die feindliche Propaganda, hinter der Front mit Hochdruck ein.
Albert Vater, der vorübergehend Polizeipräsident in Magdeburg war, bekennt:
"Uns ist diese Revolution nicht überraschend gekommen. Seit dem 25. Januar
haben wir den Umsturz systematisch vorbereitet. Die Partei hat eingesehen, daß
die großen Streiks nicht zur Revolution führen, es mußten andere Wege
beschritten werden. Die Arbeit hat sich gelohnt. Wir haben unsere Leute, die
an die Front gingen, zur Fahnenflucht veranlaßt, die Fahnenflüchtigen haben
wir organisiert, mit falschen Papieren ausgestattet, mit Geld und unterschrifts¬
losen Flugblättern versehen. Wir haben diese Leute nach allen Himmelsrichtungen/
hauptsächlich wieder an die Front geschickt, damit sie die Frontsoldaten bearbeiten
und die Front zermürben sollten. Sie haben die Soldaten bestimmt, überzulaufen,
und so hat sich der Zerfall allmählich, aber sicher vollzogen."

Nicht aus deutschem Munde, sondern von dem englischen General Maurice
stammt der Ausspruch: "Deutschlands Heer ist von rückwärts erdolcht worden!" --
Im Taumel ihrer pazifistischen Wahnideen erließ, nachdem die glorreiche Revolution
ihr Ziel erreicht hatte, die sozialistische Regierung den Demobilmachungsbefehl,
obgleich dies in den Bedingungen der Waffenruhe nicht verlangt war. Heute
sind wir durch die Entwaffnung wehrlos bis zur Nacktheit. Was uns noch
bevorsteht an Drangsal und Not, davon machen sich wohl die wenigsten eine
klare Vorstellung -- am, allerwenigsten aber die von der Sozialdemokratie ver¬
führten Massen.




Grenzboten II 192110
Französische Erpressung?, und Einkreisungspolitik usw.

Die Notwehr, in der wir uns 1870 befanden, liegt klar zutage. Nicht
anders lägen die Dinge 1914.

Die Fäden, die durch den Sturz des französischen Kaiserreichs zerrissen
worden waren, nahmen die Leiter der französischen Republik wieder auf und
unter Englands Führung wurde der Feindbund geschlossen, dem wir heute
wehrlos gegenüberstehen. Mit ihm hat die Sozialdemokratie in ihrem Haß
gegen das feste Gefüge des Preußischen Staates, der der Verwirklichung ihrer
internationalen Verbrüderungstheorien im Wege stand, in der Fälschung geschicht¬
licher Wahrheiten gewetteifert.

Die deutsche Revolution ist nicht aus elementaren Kräften wie die französische
emporgewuchtet, sie ist von Menschen gemacht!

Sobald die hochgemute Stimmung von 1914 verflogen war, erhob sich
im eigenen Volk aufs neue, mit den radikalsten Leuten an der Spitze, der
Internationalismus. Nach dem Eingeständnis von Richard Müller sind die
Vorbereitungen zur Revolution schon im Juli 1916 getroffen worden. Die erste
Wirkung zeigte sich im Sommer 1917 in der offenen Auflehnung der Matrosen
in Kiel. Mit Beginn des Jahres 1918 setzte dann die Hetzaktion, wirksam unter¬
stützt durch die feindliche Propaganda, hinter der Front mit Hochdruck ein.
Albert Vater, der vorübergehend Polizeipräsident in Magdeburg war, bekennt:
„Uns ist diese Revolution nicht überraschend gekommen. Seit dem 25. Januar
haben wir den Umsturz systematisch vorbereitet. Die Partei hat eingesehen, daß
die großen Streiks nicht zur Revolution führen, es mußten andere Wege
beschritten werden. Die Arbeit hat sich gelohnt. Wir haben unsere Leute, die
an die Front gingen, zur Fahnenflucht veranlaßt, die Fahnenflüchtigen haben
wir organisiert, mit falschen Papieren ausgestattet, mit Geld und unterschrifts¬
losen Flugblättern versehen. Wir haben diese Leute nach allen Himmelsrichtungen/
hauptsächlich wieder an die Front geschickt, damit sie die Frontsoldaten bearbeiten
und die Front zermürben sollten. Sie haben die Soldaten bestimmt, überzulaufen,
und so hat sich der Zerfall allmählich, aber sicher vollzogen."

Nicht aus deutschem Munde, sondern von dem englischen General Maurice
stammt der Ausspruch: „Deutschlands Heer ist von rückwärts erdolcht worden!" —
Im Taumel ihrer pazifistischen Wahnideen erließ, nachdem die glorreiche Revolution
ihr Ziel erreicht hatte, die sozialistische Regierung den Demobilmachungsbefehl,
obgleich dies in den Bedingungen der Waffenruhe nicht verlangt war. Heute
sind wir durch die Entwaffnung wehrlos bis zur Nacktheit. Was uns noch
bevorsteht an Drangsal und Not, davon machen sich wohl die wenigsten eine
klare Vorstellung — am, allerwenigsten aber die von der Sozialdemokratie ver¬
führten Massen.




Grenzboten II 192110
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0151" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/338952"/>
          <fw type="header" place="top"> Französische Erpressung?, und Einkreisungspolitik usw.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_540"> Die Notwehr, in der wir uns 1870 befanden, liegt klar zutage. Nicht<lb/>
anders lägen die Dinge 1914.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_541"> Die Fäden, die durch den Sturz des französischen Kaiserreichs zerrissen<lb/>
worden waren, nahmen die Leiter der französischen Republik wieder auf und<lb/>
unter Englands Führung wurde der Feindbund geschlossen, dem wir heute<lb/>
wehrlos gegenüberstehen. Mit ihm hat die Sozialdemokratie in ihrem Haß<lb/>
gegen das feste Gefüge des Preußischen Staates, der der Verwirklichung ihrer<lb/>
internationalen Verbrüderungstheorien im Wege stand, in der Fälschung geschicht¬<lb/>
licher Wahrheiten gewetteifert.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_542"> Die deutsche Revolution ist nicht aus elementaren Kräften wie die französische<lb/>
emporgewuchtet, sie ist von Menschen gemacht!</p><lb/>
          <p xml:id="ID_543"> Sobald die hochgemute Stimmung von 1914 verflogen war, erhob sich<lb/>
im eigenen Volk aufs neue, mit den radikalsten Leuten an der Spitze, der<lb/>
Internationalismus. Nach dem Eingeständnis von Richard Müller sind die<lb/>
Vorbereitungen zur Revolution schon im Juli 1916 getroffen worden. Die erste<lb/>
Wirkung zeigte sich im Sommer 1917 in der offenen Auflehnung der Matrosen<lb/>
in Kiel. Mit Beginn des Jahres 1918 setzte dann die Hetzaktion, wirksam unter¬<lb/>
stützt durch die feindliche Propaganda, hinter der Front mit Hochdruck ein.<lb/>
Albert Vater, der vorübergehend Polizeipräsident in Magdeburg war, bekennt:<lb/>
&#x201E;Uns ist diese Revolution nicht überraschend gekommen. Seit dem 25. Januar<lb/>
haben wir den Umsturz systematisch vorbereitet. Die Partei hat eingesehen, daß<lb/>
die großen Streiks nicht zur Revolution führen, es mußten andere Wege<lb/>
beschritten werden. Die Arbeit hat sich gelohnt. Wir haben unsere Leute, die<lb/>
an die Front gingen, zur Fahnenflucht veranlaßt, die Fahnenflüchtigen haben<lb/>
wir organisiert, mit falschen Papieren ausgestattet, mit Geld und unterschrifts¬<lb/>
losen Flugblättern versehen. Wir haben diese Leute nach allen Himmelsrichtungen/<lb/>
hauptsächlich wieder an die Front geschickt, damit sie die Frontsoldaten bearbeiten<lb/>
und die Front zermürben sollten. Sie haben die Soldaten bestimmt, überzulaufen,<lb/>
und so hat sich der Zerfall allmählich, aber sicher vollzogen."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_544"> Nicht aus deutschem Munde, sondern von dem englischen General Maurice<lb/>
stammt der Ausspruch: &#x201E;Deutschlands Heer ist von rückwärts erdolcht worden!" &#x2014;<lb/>
Im Taumel ihrer pazifistischen Wahnideen erließ, nachdem die glorreiche Revolution<lb/>
ihr Ziel erreicht hatte, die sozialistische Regierung den Demobilmachungsbefehl,<lb/>
obgleich dies in den Bedingungen der Waffenruhe nicht verlangt war. Heute<lb/>
sind wir durch die Entwaffnung wehrlos bis zur Nacktheit. Was uns noch<lb/>
bevorsteht an Drangsal und Not, davon machen sich wohl die wenigsten eine<lb/>
klare Vorstellung &#x2014; am, allerwenigsten aber die von der Sozialdemokratie ver¬<lb/>
führten Massen.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten II 192110</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0151] Französische Erpressung?, und Einkreisungspolitik usw. Die Notwehr, in der wir uns 1870 befanden, liegt klar zutage. Nicht anders lägen die Dinge 1914. Die Fäden, die durch den Sturz des französischen Kaiserreichs zerrissen worden waren, nahmen die Leiter der französischen Republik wieder auf und unter Englands Führung wurde der Feindbund geschlossen, dem wir heute wehrlos gegenüberstehen. Mit ihm hat die Sozialdemokratie in ihrem Haß gegen das feste Gefüge des Preußischen Staates, der der Verwirklichung ihrer internationalen Verbrüderungstheorien im Wege stand, in der Fälschung geschicht¬ licher Wahrheiten gewetteifert. Die deutsche Revolution ist nicht aus elementaren Kräften wie die französische emporgewuchtet, sie ist von Menschen gemacht! Sobald die hochgemute Stimmung von 1914 verflogen war, erhob sich im eigenen Volk aufs neue, mit den radikalsten Leuten an der Spitze, der Internationalismus. Nach dem Eingeständnis von Richard Müller sind die Vorbereitungen zur Revolution schon im Juli 1916 getroffen worden. Die erste Wirkung zeigte sich im Sommer 1917 in der offenen Auflehnung der Matrosen in Kiel. Mit Beginn des Jahres 1918 setzte dann die Hetzaktion, wirksam unter¬ stützt durch die feindliche Propaganda, hinter der Front mit Hochdruck ein. Albert Vater, der vorübergehend Polizeipräsident in Magdeburg war, bekennt: „Uns ist diese Revolution nicht überraschend gekommen. Seit dem 25. Januar haben wir den Umsturz systematisch vorbereitet. Die Partei hat eingesehen, daß die großen Streiks nicht zur Revolution führen, es mußten andere Wege beschritten werden. Die Arbeit hat sich gelohnt. Wir haben unsere Leute, die an die Front gingen, zur Fahnenflucht veranlaßt, die Fahnenflüchtigen haben wir organisiert, mit falschen Papieren ausgestattet, mit Geld und unterschrifts¬ losen Flugblättern versehen. Wir haben diese Leute nach allen Himmelsrichtungen/ hauptsächlich wieder an die Front geschickt, damit sie die Frontsoldaten bearbeiten und die Front zermürben sollten. Sie haben die Soldaten bestimmt, überzulaufen, und so hat sich der Zerfall allmählich, aber sicher vollzogen." Nicht aus deutschem Munde, sondern von dem englischen General Maurice stammt der Ausspruch: „Deutschlands Heer ist von rückwärts erdolcht worden!" — Im Taumel ihrer pazifistischen Wahnideen erließ, nachdem die glorreiche Revolution ihr Ziel erreicht hatte, die sozialistische Regierung den Demobilmachungsbefehl, obgleich dies in den Bedingungen der Waffenruhe nicht verlangt war. Heute sind wir durch die Entwaffnung wehrlos bis zur Nacktheit. Was uns noch bevorsteht an Drangsal und Not, davon machen sich wohl die wenigsten eine klare Vorstellung — am, allerwenigsten aber die von der Sozialdemokratie ver¬ führten Massen. Grenzboten II 192110

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_338800
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_338800/151
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_338800/151>, abgerufen am 23.11.2024.