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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Zweites Vierteljahr.

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Französische Erpressung?, und Linkreisungspolitik usw.

Von geheimen Verhandlungen, die gegen Preußen gerichtet waren, erhielt
König Wilhelm 1869 aus Florenz Kunde. Ihren Gang kennen wir nicht, aber wir
wissen durch Ollivier, daß, als am 6. Juli 1870 in Se. Cloud von den Ministern
die Bündnisfrage erwogen wurde, Napoleon zwei eigenhändige Briefe vom Sep¬
tember 1869 von Franz Joseph und Viktor Emanuel herbeiholte und sie vorlas.
Der Kaiser erklärte, er könne auf diese beiden Bundesgenossen mit Sicherheit
rechnen. Im September 1869 waren also die drei Monarchen dazu gelangt, sich
gegenseitig gleichartiges Vorgehen zu versprechen, doch kam es nicht zu einem
förmlichen Vertrage. Im März 1870 jedoch kam man um einen großen Schritt
weiter. Der angesehenste Feldherr der Österreicher, Erzherzog Albrecht, Oheim
des Kaisers, kam nach Frankreich. Nachdem er sich von der Kriegstüchtigkeit des
französischen Heeres überzeugt hatte und verschiedene Beratungen mit Napoleon
stattgefunden hatten, berief dieser seinen Generaladjutanten Lebrun zu sich und
empfahl den baldigen Entwurf eines gemeinsamen Feldzugsplanes. Der Erzherzog
werde nach Wien zurückkehren, um sich des Einverständnisses seines Souveräns
zu versichern,' dann solle ein französischer General nach Wien kommen, um mit
dem Prinzen die Grundzüge des Planes festzustellen. -- Lebrun wurde hierfür
bestimmt. Am 18. Mai 1870 empfing Napoleon in den Tuilerien die Generale
Leboeuf, Frossard, Jarras und Lebrun, erklärte ihnen, daß man auf die Teil¬
nahme Italiens rechnen könne und beriet mit ihnen einen Plan, der einen Bor¬
marsch der drei Heere über Bayern nach Leipzig zum Ziele hatte.

Am 5. Juni traf Lebrun mit einem eigenhändigen Schreiben Napoleons an
den Erzherzog in Wien ein und verhandelte mit ihm sehr eingehend 5 Tage.
Er berichtete, die französische Armee werde in 14 Tagen mobil sein und am 15.
die Grenze überschreiten. Die österreichische sollte am gleichen Tage vorrücken.
Albrecht erklärte jedoch, Osterreich bedürfe 42 Tage, um seine Armee schlagfertig
zu machen. So wurde denn verabredet, Osterreich solle wenigstens sofort am
Tage der Kriegserklärung Frankreichs ein der Grenze von Schlesien und von
Sachsen je 40 000 Mann aufstellen und dadurch mehrere preußische Armeekorps
im Osten fesseln. Nach Vollendung der Mobilisierung solle es die Maske
der Neutralität abwerfen und sich mit Frankreich vereinigen. Am 14. Juni hatte
Lebrun auf Schloß Laxenburg eine Audienz bei Franz Joseph. Dieser, weniger
kriegslustig als sein Oheim, erklärte, er könne nur dann in den Krieg eintreten,
wenn die Franzosen in Bayern eingedrungen, sich zu Beschützern der Süddeutschen
gegen die Anmaßungen Preußens aufgeworfen hätten- Am 22. Juni traf
Lebrun wiederum Paris ein und erstattete darauf dem Kaiser ausführlichen
Bericht.

Zwei Tage später, als der vom Erzherzog Albrecht entworfene, durch Kabinetts¬
kurier übersandte Feldzugsplan eingetroffen war, trug Lebrun denselben demKai'er
vor. Napoleon war enttäuscht dadurch, daß Franz Joseph sich auf gleichzetttge
Kriegserklärung nicht einlassen wollte, doch Lebrun sagte, die Stimmung in
Österreich sei Frankreich durchaus günstig, das Zusammenziehen von Truppen in
Böhmen werde in Berlin einen erschütternden Eindruck machen, der noch acht
wdgültig abgeschlossene Vertrag könne ja noch im Sinne Napoleons ergänzt werden.

Von dem ausführlichen Feldzugsplan des Erzherzogs, der nach dessen Tode
von Lebrun veröffentlicht worden ist, einige Hauptsachen:


Französische Erpressung?, und Linkreisungspolitik usw.

Von geheimen Verhandlungen, die gegen Preußen gerichtet waren, erhielt
König Wilhelm 1869 aus Florenz Kunde. Ihren Gang kennen wir nicht, aber wir
wissen durch Ollivier, daß, als am 6. Juli 1870 in Se. Cloud von den Ministern
die Bündnisfrage erwogen wurde, Napoleon zwei eigenhändige Briefe vom Sep¬
tember 1869 von Franz Joseph und Viktor Emanuel herbeiholte und sie vorlas.
Der Kaiser erklärte, er könne auf diese beiden Bundesgenossen mit Sicherheit
rechnen. Im September 1869 waren also die drei Monarchen dazu gelangt, sich
gegenseitig gleichartiges Vorgehen zu versprechen, doch kam es nicht zu einem
förmlichen Vertrage. Im März 1870 jedoch kam man um einen großen Schritt
weiter. Der angesehenste Feldherr der Österreicher, Erzherzog Albrecht, Oheim
des Kaisers, kam nach Frankreich. Nachdem er sich von der Kriegstüchtigkeit des
französischen Heeres überzeugt hatte und verschiedene Beratungen mit Napoleon
stattgefunden hatten, berief dieser seinen Generaladjutanten Lebrun zu sich und
empfahl den baldigen Entwurf eines gemeinsamen Feldzugsplanes. Der Erzherzog
werde nach Wien zurückkehren, um sich des Einverständnisses seines Souveräns
zu versichern,' dann solle ein französischer General nach Wien kommen, um mit
dem Prinzen die Grundzüge des Planes festzustellen. — Lebrun wurde hierfür
bestimmt. Am 18. Mai 1870 empfing Napoleon in den Tuilerien die Generale
Leboeuf, Frossard, Jarras und Lebrun, erklärte ihnen, daß man auf die Teil¬
nahme Italiens rechnen könne und beriet mit ihnen einen Plan, der einen Bor¬
marsch der drei Heere über Bayern nach Leipzig zum Ziele hatte.

Am 5. Juni traf Lebrun mit einem eigenhändigen Schreiben Napoleons an
den Erzherzog in Wien ein und verhandelte mit ihm sehr eingehend 5 Tage.
Er berichtete, die französische Armee werde in 14 Tagen mobil sein und am 15.
die Grenze überschreiten. Die österreichische sollte am gleichen Tage vorrücken.
Albrecht erklärte jedoch, Osterreich bedürfe 42 Tage, um seine Armee schlagfertig
zu machen. So wurde denn verabredet, Osterreich solle wenigstens sofort am
Tage der Kriegserklärung Frankreichs ein der Grenze von Schlesien und von
Sachsen je 40 000 Mann aufstellen und dadurch mehrere preußische Armeekorps
im Osten fesseln. Nach Vollendung der Mobilisierung solle es die Maske
der Neutralität abwerfen und sich mit Frankreich vereinigen. Am 14. Juni hatte
Lebrun auf Schloß Laxenburg eine Audienz bei Franz Joseph. Dieser, weniger
kriegslustig als sein Oheim, erklärte, er könne nur dann in den Krieg eintreten,
wenn die Franzosen in Bayern eingedrungen, sich zu Beschützern der Süddeutschen
gegen die Anmaßungen Preußens aufgeworfen hätten- Am 22. Juni traf
Lebrun wiederum Paris ein und erstattete darauf dem Kaiser ausführlichen
Bericht.

Zwei Tage später, als der vom Erzherzog Albrecht entworfene, durch Kabinetts¬
kurier übersandte Feldzugsplan eingetroffen war, trug Lebrun denselben demKai'er
vor. Napoleon war enttäuscht dadurch, daß Franz Joseph sich auf gleichzetttge
Kriegserklärung nicht einlassen wollte, doch Lebrun sagte, die Stimmung in
Österreich sei Frankreich durchaus günstig, das Zusammenziehen von Truppen in
Böhmen werde in Berlin einen erschütternden Eindruck machen, der noch acht
wdgültig abgeschlossene Vertrag könne ja noch im Sinne Napoleons ergänzt werden.

Von dem ausführlichen Feldzugsplan des Erzherzogs, der nach dessen Tode
von Lebrun veröffentlicht worden ist, einige Hauptsachen:


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_338800/149>, abgerufen am 23.11.2024.