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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Zweites Vierteljahr.

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Selbsthilfe

Fidus entwarf, denn welche Kräfte und Mittel wurden mit einem Male für das
goldene Zeitalter der menschlichen Organisation frei in dem Augenblick, da wir
uns alle das Wort darauf gaben, die Begriffe Macht, Nation und Raub
abzuschwören.,

Stiller wurde es von diesem Traum und immer stiller. Und heute ist es
davon fast ganz still, und heimlich sieht sich der deutsche Schwärmer um nach
harten Männern. Aber sie finden sich in seinem Staat nicht mehr und der Staat
kann und darf sie nicht mehr finden. Denn unser Staat ist unfrei geworden, ein
Gefangener des Feindes und des Versailler Vertrages, ein Gefangener seiner
eigenen durch so viele Jahre bethätigten Grundsätze, welche den Lebensnotwendigkeiteu
unseres Volkes widersprechen und nun das Leben der Nation selbst zum äußersten
Rande der Not und des Unterganges zurückgedrängt haben.


2. Deutsche Freiheit

Da der Staat nicht mehr frei ist und er sich seine Freiheit nicht wieder
schaffen kann, so erwacht die Gesellschaft langsam zu der Notwendigkeit und der
Pflicht der Selbsthilfe. Der Begriff der Macht ist für sie erloschen. Aufgestiegen
ist neu für sie der Begriff der Freiheit. Nachdem alle Hoffnungen auf England,
Amerika, die französischen Sozialisten usw. so und so oft vergeblich abgetastet und
als Nebelbilder erkannt werden mußten, ist eine dunkle, noch ziellose Freiheits¬
sehnsucht die Grundstimmung derer geworden, welche leben wollen, weil sie leben
müssen. Die anachronistische und widerwärtige französische Politik gehorcht ihrem
eigenen Gesetz, welches Napoleonismus heißt. Indem Deutschland entwaffnet ist,
wird Frankreichs Macht automatisch in das Vakuum Mitteleuropas hereingesaugt.
Wohin das führen soll, macht sich niemand klar und am wenigsten die französischen
Staatsmänner, die von ihren Eintagserfolgen ihren Lebensunterhalt bestreiten,
solange, bis das ganze Vakuum durch das vergebliche Klirren französischer Waffen
ausgefüllt sein wird. Was dann ist, weiß kein Mensch/ nur eines wächst und
wächst: die Klarheit in 80 Millionen Deutsch sprechender und fühlender Menschen:
daß jetzt kein Geldverdienen, kein Lebensgenuß, kein individuelles Streben mehr
Sinn und Geltung haben, bis alles zusammen durch die so notwendige Freiheit
seinen Wert zurück empfängt. Die deutsche Freiheit hat wieder ihren alten
goldenen Klang, und es gibt auch im Innern keine Freiheit mehr ohne Freiheit
nach außen.


3. was ist Selbsthilfe

Wenn dn Inder in das ihm vom Engländer infolge der geschickten indischen
Nationalistenpropaganda endlich eingeräumte Parlament nicht hineingeht, solange
bis der letzte Engländer herausgegangen sein wird, so ist das noch kein indischer
Staat und keine indische Macht, auch keine indische Freiheit) aber es ist Selbst¬
hilfe und eine unvermeidliche Etappe auf dem Weg zur Freiheit. Wenn der Ire
an seine Aepublik glaubt und ihr ideales Bild für wirklicher hält als die reale
Gestalt des Tom Aelius, der mit vollem Patronengürtel den Union Jack auf dein
Dach der Dubliner Statthalterburg schützt, so ist dies noch keine Macht, kein
Glück, keine Freiheit/ aber es ist eine unvermeidliche Etappe auf dem Weg zur
Freiheit. Wenn der Bürgermeister von Cork und andere mit ihm im englischen


Selbsthilfe

Fidus entwarf, denn welche Kräfte und Mittel wurden mit einem Male für das
goldene Zeitalter der menschlichen Organisation frei in dem Augenblick, da wir
uns alle das Wort darauf gaben, die Begriffe Macht, Nation und Raub
abzuschwören.,

Stiller wurde es von diesem Traum und immer stiller. Und heute ist es
davon fast ganz still, und heimlich sieht sich der deutsche Schwärmer um nach
harten Männern. Aber sie finden sich in seinem Staat nicht mehr und der Staat
kann und darf sie nicht mehr finden. Denn unser Staat ist unfrei geworden, ein
Gefangener des Feindes und des Versailler Vertrages, ein Gefangener seiner
eigenen durch so viele Jahre bethätigten Grundsätze, welche den Lebensnotwendigkeiteu
unseres Volkes widersprechen und nun das Leben der Nation selbst zum äußersten
Rande der Not und des Unterganges zurückgedrängt haben.


2. Deutsche Freiheit

Da der Staat nicht mehr frei ist und er sich seine Freiheit nicht wieder
schaffen kann, so erwacht die Gesellschaft langsam zu der Notwendigkeit und der
Pflicht der Selbsthilfe. Der Begriff der Macht ist für sie erloschen. Aufgestiegen
ist neu für sie der Begriff der Freiheit. Nachdem alle Hoffnungen auf England,
Amerika, die französischen Sozialisten usw. so und so oft vergeblich abgetastet und
als Nebelbilder erkannt werden mußten, ist eine dunkle, noch ziellose Freiheits¬
sehnsucht die Grundstimmung derer geworden, welche leben wollen, weil sie leben
müssen. Die anachronistische und widerwärtige französische Politik gehorcht ihrem
eigenen Gesetz, welches Napoleonismus heißt. Indem Deutschland entwaffnet ist,
wird Frankreichs Macht automatisch in das Vakuum Mitteleuropas hereingesaugt.
Wohin das führen soll, macht sich niemand klar und am wenigsten die französischen
Staatsmänner, die von ihren Eintagserfolgen ihren Lebensunterhalt bestreiten,
solange, bis das ganze Vakuum durch das vergebliche Klirren französischer Waffen
ausgefüllt sein wird. Was dann ist, weiß kein Mensch/ nur eines wächst und
wächst: die Klarheit in 80 Millionen Deutsch sprechender und fühlender Menschen:
daß jetzt kein Geldverdienen, kein Lebensgenuß, kein individuelles Streben mehr
Sinn und Geltung haben, bis alles zusammen durch die so notwendige Freiheit
seinen Wert zurück empfängt. Die deutsche Freiheit hat wieder ihren alten
goldenen Klang, und es gibt auch im Innern keine Freiheit mehr ohne Freiheit
nach außen.


3. was ist Selbsthilfe

Wenn dn Inder in das ihm vom Engländer infolge der geschickten indischen
Nationalistenpropaganda endlich eingeräumte Parlament nicht hineingeht, solange
bis der letzte Engländer herausgegangen sein wird, so ist das noch kein indischer
Staat und keine indische Macht, auch keine indische Freiheit) aber es ist Selbst¬
hilfe und eine unvermeidliche Etappe auf dem Weg zur Freiheit. Wenn der Ire
an seine Aepublik glaubt und ihr ideales Bild für wirklicher hält als die reale
Gestalt des Tom Aelius, der mit vollem Patronengürtel den Union Jack auf dein
Dach der Dubliner Statthalterburg schützt, so ist dies noch keine Macht, kein
Glück, keine Freiheit/ aber es ist eine unvermeidliche Etappe auf dem Weg zur
Freiheit. Wenn der Bürgermeister von Cork und andere mit ihm im englischen


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[0136] Selbsthilfe Fidus entwarf, denn welche Kräfte und Mittel wurden mit einem Male für das goldene Zeitalter der menschlichen Organisation frei in dem Augenblick, da wir uns alle das Wort darauf gaben, die Begriffe Macht, Nation und Raub abzuschwören., Stiller wurde es von diesem Traum und immer stiller. Und heute ist es davon fast ganz still, und heimlich sieht sich der deutsche Schwärmer um nach harten Männern. Aber sie finden sich in seinem Staat nicht mehr und der Staat kann und darf sie nicht mehr finden. Denn unser Staat ist unfrei geworden, ein Gefangener des Feindes und des Versailler Vertrages, ein Gefangener seiner eigenen durch so viele Jahre bethätigten Grundsätze, welche den Lebensnotwendigkeiteu unseres Volkes widersprechen und nun das Leben der Nation selbst zum äußersten Rande der Not und des Unterganges zurückgedrängt haben. 2. Deutsche Freiheit Da der Staat nicht mehr frei ist und er sich seine Freiheit nicht wieder schaffen kann, so erwacht die Gesellschaft langsam zu der Notwendigkeit und der Pflicht der Selbsthilfe. Der Begriff der Macht ist für sie erloschen. Aufgestiegen ist neu für sie der Begriff der Freiheit. Nachdem alle Hoffnungen auf England, Amerika, die französischen Sozialisten usw. so und so oft vergeblich abgetastet und als Nebelbilder erkannt werden mußten, ist eine dunkle, noch ziellose Freiheits¬ sehnsucht die Grundstimmung derer geworden, welche leben wollen, weil sie leben müssen. Die anachronistische und widerwärtige französische Politik gehorcht ihrem eigenen Gesetz, welches Napoleonismus heißt. Indem Deutschland entwaffnet ist, wird Frankreichs Macht automatisch in das Vakuum Mitteleuropas hereingesaugt. Wohin das führen soll, macht sich niemand klar und am wenigsten die französischen Staatsmänner, die von ihren Eintagserfolgen ihren Lebensunterhalt bestreiten, solange, bis das ganze Vakuum durch das vergebliche Klirren französischer Waffen ausgefüllt sein wird. Was dann ist, weiß kein Mensch/ nur eines wächst und wächst: die Klarheit in 80 Millionen Deutsch sprechender und fühlender Menschen: daß jetzt kein Geldverdienen, kein Lebensgenuß, kein individuelles Streben mehr Sinn und Geltung haben, bis alles zusammen durch die so notwendige Freiheit seinen Wert zurück empfängt. Die deutsche Freiheit hat wieder ihren alten goldenen Klang, und es gibt auch im Innern keine Freiheit mehr ohne Freiheit nach außen. 3. was ist Selbsthilfe Wenn dn Inder in das ihm vom Engländer infolge der geschickten indischen Nationalistenpropaganda endlich eingeräumte Parlament nicht hineingeht, solange bis der letzte Engländer herausgegangen sein wird, so ist das noch kein indischer Staat und keine indische Macht, auch keine indische Freiheit) aber es ist Selbst¬ hilfe und eine unvermeidliche Etappe auf dem Weg zur Freiheit. Wenn der Ire an seine Aepublik glaubt und ihr ideales Bild für wirklicher hält als die reale Gestalt des Tom Aelius, der mit vollem Patronengürtel den Union Jack auf dein Dach der Dubliner Statthalterburg schützt, so ist dies noch keine Macht, kein Glück, keine Freiheit/ aber es ist eine unvermeidliche Etappe auf dem Weg zur Freiheit. Wenn der Bürgermeister von Cork und andere mit ihm im englischen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_338800/136>, abgerufen am 23.11.2024.