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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Zweites Vierteljahr.

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Lichts der Liebe mit der Finsternis des Unwahrhaftigen in unzähligen Schattieruugei?,
und die Auferstehung wird von ihr wesentlich gedeutet als Wiedergeburt der
Seele, die sich in der "Schmerzensfmsternis ihres Grabes" fühlt.

Nachdem Asja gestorben ist, fällt der Held des Buches in das Netz der
irdischen, der vergänglichen Liebe. Sein drängendes Blut, seine Sinne werden
gestillt, der Höhepunkt des Lebens wird erlebt. ' Aber die Kraft dieses Glücks hat
wesentlich in sich die Merkmale der Vergänglichkeit^ sie kommt aus der Erde und
erfüllt sich in ihr. Der Held lehnt sich auf gegen die "trügerische Standhaftigkeit
- des Vergänglichen". Es mag eine Erinnerung an Dante sein, wie der Wanderer
nun, von der irdischen Liebe sich scheidend, in der Nacht am Meeresstrand und
im Wald Pilgert, bis seine Beatrice, die verstorbene ASja, dem Gebrochenen und
Erschöpften als Vision erscheint und ihn aufstehen heißt. An der Formlosigkeit
der Komposition, der gekünstelter Schwere des Gedankens und der gesuchten
Diktion ermessen wir den Abstand solcher spirituellen Kultur zu der echten alten,
ähnlich etwa wie bei einem Vergleich moderner Christusmalerei mit derjenigen
des Mittelalters. Immerhin aber: Leben und Geist, Weltgenuß und Erlösung,
Ode und Wiederauferstehung sind wieder Themen der Modernsten geworden. Es
mag zweifelhaft erscheinen, was mehr dazu beiträgt, heute derartige Bücher zur
Mode zu machen, ihre gezierte Poesie -- also der ungebildete Geschmack unserer
Zeitgenossen --, oder das Stammeln einer neuen Weltanschauung, also das
Zarteste und in seiner ganzen Verschwommenheit und Zerfahrenheit vielleicht doch
I. lV. Zukunftskräftigste, was unsere rauhe Zeit aufweist.


Kommunismus.

Das Westeuropäische Sekretariat der Kommunistischen
Internationale erfüllt seine Aufgabe, West- und Mitteleuropa mit der Gedanken¬
welt der Moskaner kommunistischen Cäsaren und ihres internationalen Anhangs
bekannt zu machen, in ausgiebiger Weise. Am meisten interessieren zweifellos
die Schriften Lenins, von denen die eine "Die Wahlen zur Konstituierenden
Versammlung und die Diktatur des Proletariats" (M. 1,20) behandelt, während
eine andere "Die Weltlage und die Aufgaben der Kommunistischen Internationale"
(Rede in der ersten Sitzung des Zweiten Weltkongresses der Kommunistischen
Internationale, Petrograd, 19. Juli 1920 (M. 1,30) wiedergibt. Zahlreich sind
die Schriften Sinowjews, der durch sein Auftreten in Halle im Oktober vorigen
Jahres unmittelbar in die deutschen Verhältnisse eingegriffen hat. Bon ihm
interessieren besonders der "Bericht des Exekutivkomitees der Kommunistischen
Internationale" (M. 3) und seine Programmschrift: "Was die Kommunistische
Internationale bisher war und was sie nun werden muß" (M. 1). Das wort¬
reiche Manifest des II. Kongresses der Kommunistischen Internationale: "Die
kapitalistische Welt und die Kommunistische Internationale" (M. 1) leitet hinüber
zu der besonders für deutsche Propaganda geschriebenen Kampfschrift Karl Nabels:
"Die Entwicklung der Weltrevolution und die Taktik der Kommunistischen Parteien
im Kampfe" um die Diktatur des Proletariats" (M. 3) und zu seinem Dioskuren¬
kampf mit den Unabhängigen "Die Masken sind gefallen. Eine Antwort an
Crispien, Dittmann und Hilferding" (M. 1,50). Der Moskaner Volks¬
beauftragte für Außenpolitik, Tschitscherin, spricht über "Die internationale
Politik zweier Internationalen!" (M. --,75). Von deutschen Parteigängern
schreiben Heinrich Laufenberg und Fritz Wolffheim gemeinsam über "Nation und
Arbeiterklasse" (2,-- M.), "Revolutionärer Volkskrieg oder konterrevolutionärer
Bürgerkrieg? Erste kommunistische Adresse an das deutsche Proletariat" (2,--M.),
"Moskau und die deutsche Revolution. Eine kritische Erledigung der bolschewisti¬
schen Methoden." Einer ihrer Gefolgsleute, Otto Lindemann, der sich als Ober¬
leutnant a. D. bezeichnet, unternimmt es, die Grundlinien für den Aufbau des
revolutionären Heeres zu zeigen. Der nationalbolschewistische Justizrat KrüPN
g antz begründet in einem offenen Brief an Herrn Generalmajor von Lettow-
Vordeck den Kommunismus als eine nationale Notwendigkeit (2,-- M.), und zwar
mit einer Nüchternheit, die wirksamer ist als der Aufruf von Josef Viera, "Natto-


Aus neuen Bücher»

Lichts der Liebe mit der Finsternis des Unwahrhaftigen in unzähligen Schattieruugei?,
und die Auferstehung wird von ihr wesentlich gedeutet als Wiedergeburt der
Seele, die sich in der „Schmerzensfmsternis ihres Grabes" fühlt.

Nachdem Asja gestorben ist, fällt der Held des Buches in das Netz der
irdischen, der vergänglichen Liebe. Sein drängendes Blut, seine Sinne werden
gestillt, der Höhepunkt des Lebens wird erlebt. ' Aber die Kraft dieses Glücks hat
wesentlich in sich die Merkmale der Vergänglichkeit^ sie kommt aus der Erde und
erfüllt sich in ihr. Der Held lehnt sich auf gegen die „trügerische Standhaftigkeit
- des Vergänglichen". Es mag eine Erinnerung an Dante sein, wie der Wanderer
nun, von der irdischen Liebe sich scheidend, in der Nacht am Meeresstrand und
im Wald Pilgert, bis seine Beatrice, die verstorbene ASja, dem Gebrochenen und
Erschöpften als Vision erscheint und ihn aufstehen heißt. An der Formlosigkeit
der Komposition, der gekünstelter Schwere des Gedankens und der gesuchten
Diktion ermessen wir den Abstand solcher spirituellen Kultur zu der echten alten,
ähnlich etwa wie bei einem Vergleich moderner Christusmalerei mit derjenigen
des Mittelalters. Immerhin aber: Leben und Geist, Weltgenuß und Erlösung,
Ode und Wiederauferstehung sind wieder Themen der Modernsten geworden. Es
mag zweifelhaft erscheinen, was mehr dazu beiträgt, heute derartige Bücher zur
Mode zu machen, ihre gezierte Poesie — also der ungebildete Geschmack unserer
Zeitgenossen —, oder das Stammeln einer neuen Weltanschauung, also das
Zarteste und in seiner ganzen Verschwommenheit und Zerfahrenheit vielleicht doch
I. lV. Zukunftskräftigste, was unsere rauhe Zeit aufweist.


Kommunismus.

Das Westeuropäische Sekretariat der Kommunistischen
Internationale erfüllt seine Aufgabe, West- und Mitteleuropa mit der Gedanken¬
welt der Moskaner kommunistischen Cäsaren und ihres internationalen Anhangs
bekannt zu machen, in ausgiebiger Weise. Am meisten interessieren zweifellos
die Schriften Lenins, von denen die eine „Die Wahlen zur Konstituierenden
Versammlung und die Diktatur des Proletariats" (M. 1,20) behandelt, während
eine andere „Die Weltlage und die Aufgaben der Kommunistischen Internationale"
(Rede in der ersten Sitzung des Zweiten Weltkongresses der Kommunistischen
Internationale, Petrograd, 19. Juli 1920 (M. 1,30) wiedergibt. Zahlreich sind
die Schriften Sinowjews, der durch sein Auftreten in Halle im Oktober vorigen
Jahres unmittelbar in die deutschen Verhältnisse eingegriffen hat. Bon ihm
interessieren besonders der „Bericht des Exekutivkomitees der Kommunistischen
Internationale" (M. 3) und seine Programmschrift: „Was die Kommunistische
Internationale bisher war und was sie nun werden muß" (M. 1). Das wort¬
reiche Manifest des II. Kongresses der Kommunistischen Internationale: „Die
kapitalistische Welt und die Kommunistische Internationale" (M. 1) leitet hinüber
zu der besonders für deutsche Propaganda geschriebenen Kampfschrift Karl Nabels:
„Die Entwicklung der Weltrevolution und die Taktik der Kommunistischen Parteien
im Kampfe» um die Diktatur des Proletariats" (M. 3) und zu seinem Dioskuren¬
kampf mit den Unabhängigen „Die Masken sind gefallen. Eine Antwort an
Crispien, Dittmann und Hilferding" (M. 1,50). Der Moskaner Volks¬
beauftragte für Außenpolitik, Tschitscherin, spricht über „Die internationale
Politik zweier Internationalen!" (M. —,75). Von deutschen Parteigängern
schreiben Heinrich Laufenberg und Fritz Wolffheim gemeinsam über „Nation und
Arbeiterklasse" (2,— M.), „Revolutionärer Volkskrieg oder konterrevolutionärer
Bürgerkrieg? Erste kommunistische Adresse an das deutsche Proletariat" (2,—M.),
„Moskau und die deutsche Revolution. Eine kritische Erledigung der bolschewisti¬
schen Methoden." Einer ihrer Gefolgsleute, Otto Lindemann, der sich als Ober¬
leutnant a. D. bezeichnet, unternimmt es, die Grundlinien für den Aufbau des
revolutionären Heeres zu zeigen. Der nationalbolschewistische Justizrat KrüPN
g antz begründet in einem offenen Brief an Herrn Generalmajor von Lettow-
Vordeck den Kommunismus als eine nationale Notwendigkeit (2,— M.), und zwar
mit einer Nüchternheit, die wirksamer ist als der Aufruf von Josef Viera, „Natto-


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[0130] Aus neuen Bücher» Lichts der Liebe mit der Finsternis des Unwahrhaftigen in unzähligen Schattieruugei?, und die Auferstehung wird von ihr wesentlich gedeutet als Wiedergeburt der Seele, die sich in der „Schmerzensfmsternis ihres Grabes" fühlt. Nachdem Asja gestorben ist, fällt der Held des Buches in das Netz der irdischen, der vergänglichen Liebe. Sein drängendes Blut, seine Sinne werden gestillt, der Höhepunkt des Lebens wird erlebt. ' Aber die Kraft dieses Glücks hat wesentlich in sich die Merkmale der Vergänglichkeit^ sie kommt aus der Erde und erfüllt sich in ihr. Der Held lehnt sich auf gegen die „trügerische Standhaftigkeit - des Vergänglichen". Es mag eine Erinnerung an Dante sein, wie der Wanderer nun, von der irdischen Liebe sich scheidend, in der Nacht am Meeresstrand und im Wald Pilgert, bis seine Beatrice, die verstorbene ASja, dem Gebrochenen und Erschöpften als Vision erscheint und ihn aufstehen heißt. An der Formlosigkeit der Komposition, der gekünstelter Schwere des Gedankens und der gesuchten Diktion ermessen wir den Abstand solcher spirituellen Kultur zu der echten alten, ähnlich etwa wie bei einem Vergleich moderner Christusmalerei mit derjenigen des Mittelalters. Immerhin aber: Leben und Geist, Weltgenuß und Erlösung, Ode und Wiederauferstehung sind wieder Themen der Modernsten geworden. Es mag zweifelhaft erscheinen, was mehr dazu beiträgt, heute derartige Bücher zur Mode zu machen, ihre gezierte Poesie — also der ungebildete Geschmack unserer Zeitgenossen —, oder das Stammeln einer neuen Weltanschauung, also das Zarteste und in seiner ganzen Verschwommenheit und Zerfahrenheit vielleicht doch I. lV. Zukunftskräftigste, was unsere rauhe Zeit aufweist. Kommunismus. Das Westeuropäische Sekretariat der Kommunistischen Internationale erfüllt seine Aufgabe, West- und Mitteleuropa mit der Gedanken¬ welt der Moskaner kommunistischen Cäsaren und ihres internationalen Anhangs bekannt zu machen, in ausgiebiger Weise. Am meisten interessieren zweifellos die Schriften Lenins, von denen die eine „Die Wahlen zur Konstituierenden Versammlung und die Diktatur des Proletariats" (M. 1,20) behandelt, während eine andere „Die Weltlage und die Aufgaben der Kommunistischen Internationale" (Rede in der ersten Sitzung des Zweiten Weltkongresses der Kommunistischen Internationale, Petrograd, 19. Juli 1920 (M. 1,30) wiedergibt. Zahlreich sind die Schriften Sinowjews, der durch sein Auftreten in Halle im Oktober vorigen Jahres unmittelbar in die deutschen Verhältnisse eingegriffen hat. Bon ihm interessieren besonders der „Bericht des Exekutivkomitees der Kommunistischen Internationale" (M. 3) und seine Programmschrift: „Was die Kommunistische Internationale bisher war und was sie nun werden muß" (M. 1). Das wort¬ reiche Manifest des II. Kongresses der Kommunistischen Internationale: „Die kapitalistische Welt und die Kommunistische Internationale" (M. 1) leitet hinüber zu der besonders für deutsche Propaganda geschriebenen Kampfschrift Karl Nabels: „Die Entwicklung der Weltrevolution und die Taktik der Kommunistischen Parteien im Kampfe» um die Diktatur des Proletariats" (M. 3) und zu seinem Dioskuren¬ kampf mit den Unabhängigen „Die Masken sind gefallen. Eine Antwort an Crispien, Dittmann und Hilferding" (M. 1,50). Der Moskaner Volks¬ beauftragte für Außenpolitik, Tschitscherin, spricht über „Die internationale Politik zweier Internationalen!" (M. —,75). Von deutschen Parteigängern schreiben Heinrich Laufenberg und Fritz Wolffheim gemeinsam über „Nation und Arbeiterklasse" (2,— M.), „Revolutionärer Volkskrieg oder konterrevolutionärer Bürgerkrieg? Erste kommunistische Adresse an das deutsche Proletariat" (2,—M.), „Moskau und die deutsche Revolution. Eine kritische Erledigung der bolschewisti¬ schen Methoden." Einer ihrer Gefolgsleute, Otto Lindemann, der sich als Ober¬ leutnant a. D. bezeichnet, unternimmt es, die Grundlinien für den Aufbau des revolutionären Heeres zu zeigen. Der nationalbolschewistische Justizrat KrüPN g antz begründet in einem offenen Brief an Herrn Generalmajor von Lettow- Vordeck den Kommunismus als eine nationale Notwendigkeit (2,— M.), und zwar mit einer Nüchternheit, die wirksamer ist als der Aufruf von Josef Viera, „Natto-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_338800/130>, abgerufen am 23.11.2024.