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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Erstes Vierteljahr.

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dann wird Deutschland die Zuneigung und allmählich auch die Freundschaft gewinnen, die e"
heute nicht finden kann. Es wird lange dauern, bis es so weit ist, weil es lange dauern
wird, bis wir so weit sind."

Würde also Herr Bernhard Guttmann nächstens, was vielleicht gar nicht
so übel wäre, Außenminister der ohnmächtigen deutschen Republik, so würde er
die Welt uns günstig zu gestalten wissen. Es ist noch immer nicht genug mit der
Entwaffnung, mit der Beraubung, mit der Verarmung. Welche "starken Neste
freiheitsfeindlicher Geistes" Guttmann meint, sagt er freilich nicht klar. Ist eS
die Polizeitruppe, die uns unter dem Namen "Reichswehr" übriggeblieben ist?
Ist es der Umstand, daß die noch übrigen viertausend Offiziere wieder Achsel¬
stücke bekommen haben, worüber die "Frankfurter Zeitung" kürzlich außer sich
geraten ist? Jedenfalls hat sich Frankreich die ehrenhafte Einladung des Herrn
Guttmann, "den Zwang zu verlängern", nicht entgehen lassen. Die gesamte
französische Presse hat vom Quai d'Orsay den Wink bekommen, die neuerlichen
Entwaffnungsforderungen als eine Hilfsaktion des mütterlichen Frankreichs für
die schwerbedrohten demokratischen Parteien Deutschlands gegen die preußischen
Reaktionäre auszugeben. Wiederum wie sooft vor dem Krieg und auch im Krieg
mußte es sich die "Frankfurter Zeitung" gefallen lassen, als Zuträger und Eides¬
helfer des Feindes zu glänzen. Das ist ihr freilich völlig einerlei, rot wird sie
nicht aus Scham, sondern aus Freude, denn "von innen nach außen geht der
Weg", triumphiert Herr Bernhard Guttmann.

Die offizielle Franzosenzeitung in Berlin, ,, Gazette de Voß", läßt ihren
Pariser Korrespondenten am 30. Dezember die französische Auffassung wie folgt
mitteilen:

"In diese-, Fragen ist- zunächst zu beobachten, daß die Auflösung aller bewaffneten
Organisationen nach der in französischen Politischen Kreisen herrschenden Überzeugung auch der
Stärkung deS demokratischen Gedankens entspricht. Das hat der Leitartikler des "Temps"
in den letzten Tagen wiederholt betont, offenbar auf Grund der Eindrücke, die er in den
letzten Wochen persönlich in Deutschland empfangen hat. Die Franzosen sind nach meinen
Eindrücken fest davon überzeugt, daß sie nichts Unmögliches verlangen und dem republika¬
nischen Deutschland sogar einen Dienst erweisen, 'wenn sie auf der Auflösung der
reaktionär gesinnten Wehren bestehen. An dem Willen Frankreichs zur Verständigung kann
nach französischer Überzeugung kein aufrichtiger deutscher Politiker mehr zweifeln."

Es sieht gut aus in deiner republikanischen "deutschen" Presse, deutscher
Michel, nicht wahr? Eigentlich fabelhaft, was dir "Vossische Zeitung" und
"Frankfurter Zeitung" in treuem Verein zumuten, da du es ja geduldig hin¬
nimmst! Deutsche Bürgerwehren gegen den Bolschewismus geben ven Feinden
das Recht, "den Zwang gegen uns zu verlängern". (Guttmann.) Dieser Zwang
ist "ein Dienst für das republikanische Deutschland" und ein "unbezweifelbarer
Verständigungswillen". (Vossische Zeitung.)

Im Unterschied zur "Vossischen Zeitung" hatte Bernhard Guttmann früher
noch seine lichten Augenblicke. So telegraphierte er am 20. September seinem
Blatt folgende Polemik gegen den "Temps":

"Der "Temps" bestreitet, daß Frankreich Deutschland erdrosseln wolle; nur bezahlt
wolle Frankreich sein. "Um zu bezahlen, muß Deutschland arbeiten, um zu arbeiten, muß es
leben. Frankreich wünscht also, daß Deutschland lebe. Alles das ist klar wie der Tag." Ja,
es ist wirklich ganz klar, und so und nicht anders hätte auch der virginische Plantagenbcsttzer
sein Interesse an dem Leben seines schwarzen Sklaven begründen können. Der "Temps"
freilich hat nicht die Absicht, mit seiner Definition des französischen Interesses an Deutsch¬
land die Herzen der Deutschen zu gewinnen. Die französische Politik ist zu stolz und zu auf¬
richtig, um dem besiegten Gegner Zweifel über ihre Absichten zu lassen und nur der Dienst¬
beflissenheit vereinzelter deutscher Politiker und Organe bleibt es vorbehalten, die Meinung
von einer innerlich günstigen Gesinnung Frankreichs für uns zu verbreiten."

Damals polemisierte Guttmann noch gegen die "Vossische Zeitung",- heute
scheint er sich mit ihr auf dem gemeinsamen Boden der übernationalen Ideale,
zu Deutsch des Bauchkriechens vor dem Feind, getroffen zu haben. Guttmann ist
so wenig mit dem Leben einer Nation verknüpft, er hat so wenig Herz für ihre


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dann wird Deutschland die Zuneigung und allmählich auch die Freundschaft gewinnen, die e«
heute nicht finden kann. Es wird lange dauern, bis es so weit ist, weil es lange dauern
wird, bis wir so weit sind."

Würde also Herr Bernhard Guttmann nächstens, was vielleicht gar nicht
so übel wäre, Außenminister der ohnmächtigen deutschen Republik, so würde er
die Welt uns günstig zu gestalten wissen. Es ist noch immer nicht genug mit der
Entwaffnung, mit der Beraubung, mit der Verarmung. Welche „starken Neste
freiheitsfeindlicher Geistes" Guttmann meint, sagt er freilich nicht klar. Ist eS
die Polizeitruppe, die uns unter dem Namen „Reichswehr" übriggeblieben ist?
Ist es der Umstand, daß die noch übrigen viertausend Offiziere wieder Achsel¬
stücke bekommen haben, worüber die „Frankfurter Zeitung" kürzlich außer sich
geraten ist? Jedenfalls hat sich Frankreich die ehrenhafte Einladung des Herrn
Guttmann, „den Zwang zu verlängern", nicht entgehen lassen. Die gesamte
französische Presse hat vom Quai d'Orsay den Wink bekommen, die neuerlichen
Entwaffnungsforderungen als eine Hilfsaktion des mütterlichen Frankreichs für
die schwerbedrohten demokratischen Parteien Deutschlands gegen die preußischen
Reaktionäre auszugeben. Wiederum wie sooft vor dem Krieg und auch im Krieg
mußte es sich die „Frankfurter Zeitung" gefallen lassen, als Zuträger und Eides¬
helfer des Feindes zu glänzen. Das ist ihr freilich völlig einerlei, rot wird sie
nicht aus Scham, sondern aus Freude, denn „von innen nach außen geht der
Weg", triumphiert Herr Bernhard Guttmann.

Die offizielle Franzosenzeitung in Berlin, ,, Gazette de Voß", läßt ihren
Pariser Korrespondenten am 30. Dezember die französische Auffassung wie folgt
mitteilen:

„In diese-, Fragen ist- zunächst zu beobachten, daß die Auflösung aller bewaffneten
Organisationen nach der in französischen Politischen Kreisen herrschenden Überzeugung auch der
Stärkung deS demokratischen Gedankens entspricht. Das hat der Leitartikler des „Temps"
in den letzten Tagen wiederholt betont, offenbar auf Grund der Eindrücke, die er in den
letzten Wochen persönlich in Deutschland empfangen hat. Die Franzosen sind nach meinen
Eindrücken fest davon überzeugt, daß sie nichts Unmögliches verlangen und dem republika¬
nischen Deutschland sogar einen Dienst erweisen, 'wenn sie auf der Auflösung der
reaktionär gesinnten Wehren bestehen. An dem Willen Frankreichs zur Verständigung kann
nach französischer Überzeugung kein aufrichtiger deutscher Politiker mehr zweifeln."

Es sieht gut aus in deiner republikanischen „deutschen" Presse, deutscher
Michel, nicht wahr? Eigentlich fabelhaft, was dir „Vossische Zeitung" und
„Frankfurter Zeitung" in treuem Verein zumuten, da du es ja geduldig hin¬
nimmst! Deutsche Bürgerwehren gegen den Bolschewismus geben ven Feinden
das Recht, „den Zwang gegen uns zu verlängern". (Guttmann.) Dieser Zwang
ist „ein Dienst für das republikanische Deutschland" und ein „unbezweifelbarer
Verständigungswillen". (Vossische Zeitung.)

Im Unterschied zur „Vossischen Zeitung" hatte Bernhard Guttmann früher
noch seine lichten Augenblicke. So telegraphierte er am 20. September seinem
Blatt folgende Polemik gegen den „Temps":

„Der „Temps" bestreitet, daß Frankreich Deutschland erdrosseln wolle; nur bezahlt
wolle Frankreich sein. „Um zu bezahlen, muß Deutschland arbeiten, um zu arbeiten, muß es
leben. Frankreich wünscht also, daß Deutschland lebe. Alles das ist klar wie der Tag." Ja,
es ist wirklich ganz klar, und so und nicht anders hätte auch der virginische Plantagenbcsttzer
sein Interesse an dem Leben seines schwarzen Sklaven begründen können. Der „Temps"
freilich hat nicht die Absicht, mit seiner Definition des französischen Interesses an Deutsch¬
land die Herzen der Deutschen zu gewinnen. Die französische Politik ist zu stolz und zu auf¬
richtig, um dem besiegten Gegner Zweifel über ihre Absichten zu lassen und nur der Dienst¬
beflissenheit vereinzelter deutscher Politiker und Organe bleibt es vorbehalten, die Meinung
von einer innerlich günstigen Gesinnung Frankreichs für uns zu verbreiten."

Damals polemisierte Guttmann noch gegen die „Vossische Zeitung",- heute
scheint er sich mit ihr auf dem gemeinsamen Boden der übernationalen Ideale,
zu Deutsch des Bauchkriechens vor dem Feind, getroffen zu haben. Guttmann ist
so wenig mit dem Leben einer Nation verknüpft, er hat so wenig Herz für ihre


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[0088] Reichsspiegel dann wird Deutschland die Zuneigung und allmählich auch die Freundschaft gewinnen, die e« heute nicht finden kann. Es wird lange dauern, bis es so weit ist, weil es lange dauern wird, bis wir so weit sind." Würde also Herr Bernhard Guttmann nächstens, was vielleicht gar nicht so übel wäre, Außenminister der ohnmächtigen deutschen Republik, so würde er die Welt uns günstig zu gestalten wissen. Es ist noch immer nicht genug mit der Entwaffnung, mit der Beraubung, mit der Verarmung. Welche „starken Neste freiheitsfeindlicher Geistes" Guttmann meint, sagt er freilich nicht klar. Ist eS die Polizeitruppe, die uns unter dem Namen „Reichswehr" übriggeblieben ist? Ist es der Umstand, daß die noch übrigen viertausend Offiziere wieder Achsel¬ stücke bekommen haben, worüber die „Frankfurter Zeitung" kürzlich außer sich geraten ist? Jedenfalls hat sich Frankreich die ehrenhafte Einladung des Herrn Guttmann, „den Zwang zu verlängern", nicht entgehen lassen. Die gesamte französische Presse hat vom Quai d'Orsay den Wink bekommen, die neuerlichen Entwaffnungsforderungen als eine Hilfsaktion des mütterlichen Frankreichs für die schwerbedrohten demokratischen Parteien Deutschlands gegen die preußischen Reaktionäre auszugeben. Wiederum wie sooft vor dem Krieg und auch im Krieg mußte es sich die „Frankfurter Zeitung" gefallen lassen, als Zuträger und Eides¬ helfer des Feindes zu glänzen. Das ist ihr freilich völlig einerlei, rot wird sie nicht aus Scham, sondern aus Freude, denn „von innen nach außen geht der Weg", triumphiert Herr Bernhard Guttmann. Die offizielle Franzosenzeitung in Berlin, ,, Gazette de Voß", läßt ihren Pariser Korrespondenten am 30. Dezember die französische Auffassung wie folgt mitteilen: „In diese-, Fragen ist- zunächst zu beobachten, daß die Auflösung aller bewaffneten Organisationen nach der in französischen Politischen Kreisen herrschenden Überzeugung auch der Stärkung deS demokratischen Gedankens entspricht. Das hat der Leitartikler des „Temps" in den letzten Tagen wiederholt betont, offenbar auf Grund der Eindrücke, die er in den letzten Wochen persönlich in Deutschland empfangen hat. Die Franzosen sind nach meinen Eindrücken fest davon überzeugt, daß sie nichts Unmögliches verlangen und dem republika¬ nischen Deutschland sogar einen Dienst erweisen, 'wenn sie auf der Auflösung der reaktionär gesinnten Wehren bestehen. An dem Willen Frankreichs zur Verständigung kann nach französischer Überzeugung kein aufrichtiger deutscher Politiker mehr zweifeln." Es sieht gut aus in deiner republikanischen „deutschen" Presse, deutscher Michel, nicht wahr? Eigentlich fabelhaft, was dir „Vossische Zeitung" und „Frankfurter Zeitung" in treuem Verein zumuten, da du es ja geduldig hin¬ nimmst! Deutsche Bürgerwehren gegen den Bolschewismus geben ven Feinden das Recht, „den Zwang gegen uns zu verlängern". (Guttmann.) Dieser Zwang ist „ein Dienst für das republikanische Deutschland" und ein „unbezweifelbarer Verständigungswillen". (Vossische Zeitung.) Im Unterschied zur „Vossischen Zeitung" hatte Bernhard Guttmann früher noch seine lichten Augenblicke. So telegraphierte er am 20. September seinem Blatt folgende Polemik gegen den „Temps": „Der „Temps" bestreitet, daß Frankreich Deutschland erdrosseln wolle; nur bezahlt wolle Frankreich sein. „Um zu bezahlen, muß Deutschland arbeiten, um zu arbeiten, muß es leben. Frankreich wünscht also, daß Deutschland lebe. Alles das ist klar wie der Tag." Ja, es ist wirklich ganz klar, und so und nicht anders hätte auch der virginische Plantagenbcsttzer sein Interesse an dem Leben seines schwarzen Sklaven begründen können. Der „Temps" freilich hat nicht die Absicht, mit seiner Definition des französischen Interesses an Deutsch¬ land die Herzen der Deutschen zu gewinnen. Die französische Politik ist zu stolz und zu auf¬ richtig, um dem besiegten Gegner Zweifel über ihre Absichten zu lassen und nur der Dienst¬ beflissenheit vereinzelter deutscher Politiker und Organe bleibt es vorbehalten, die Meinung von einer innerlich günstigen Gesinnung Frankreichs für uns zu verbreiten." Damals polemisierte Guttmann noch gegen die „Vossische Zeitung",- heute scheint er sich mit ihr auf dem gemeinsamen Boden der übernationalen Ideale, zu Deutsch des Bauchkriechens vor dem Feind, getroffen zu haben. Guttmann ist so wenig mit dem Leben einer Nation verknüpft, er hat so wenig Herz für ihre

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Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_338432/88>, abgerufen am 29.12.2024.