Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Uleltspiegel

die Wirkung von Mensch zu Mensch in der Versammlung, die in Versailles schon
Graf Brockdorff sich hatte entgehen lassen, und auf die Wirkung auf die Phantasie
der Welt, die begierig auf das lauschte, was die Deutschen zu sagen hatten und
die wieder nur öden Zahlenkram vernahm. Wir hegen Hochachtung vor Simons
Arbeitskraft, die Dinge geistig zu beherrschen und zu meistern. Aber es ist ein
Fehler, alles selbst machen zu wollen. Er erziehe sich zuverlässige und fähige
Helfer und entlaste sich des Kleinkrams. Zugegeben, daß das in Deutschland
seine Schwierigkeiten hat, aber versucht muß es werden.

Aber nicht im Austreten, in der Geste allein lag der Fehler, sondern auch
in der Arbeitsmethode. Man hat in letzter Stunde eine gewaltige Arbeitslast
bewältigt, aber jeder, der bei derartigen Vorbereitungen einmal mitgewirkt hat,
weiß, daß man solche Dinge mit Fixigkeit allein nicht schafft, daß sie der nötigen
Ausreifung bedürfen und überlegt sein wollen wie ein Kunstwerk. Fast alle
neuerdings herausgekommenen deutschen Denkschriften sind schauderhaft stilisiert,
ein Zeichen, daß die Verfasser den Stoff geistig nicht so bewältigt haben, wie es
notwendig ist, wenn die Sache nach außen hin wirken soll. Seit langer Zeit
schon ist an dieser Stelle gefordert worden, daß man sich darüber klar werde,
was man anbieten kann und will, denn einmal mußte man eben doch etwas
anbieten. Statt dessen hat man in aller Hast Sachverständige (die gleichzeitig
vielfach materiell Interessierte und Verantwortliche waren) zusammen getrommelt
und Unterlagen gesammelt, die hastig redigiert und ebenso hastig noch einmal
umredigiert wurden. In diesem Sinne hatte Stinnes durchaus recht, wenn er
von der Planlosigkeit und Zusammenhanglosigkeit der außenpolitischen Aktion sprach.

Trotzdem ist es uns in London beinah gegangen wie Hans dem Träumer
im Märchen. Trotz aller Ungeschicklichkeiten im einzelnen haben wir einen großen
Uberraschungserfolg zu verzeichnen gehabt: die Gegner haben sich in uns getäuscht.
Sie glaubten, wir würden nachgeben und wir sind festgeblieben. Dadurch wurden
die Gegner gezwungen, wider Willen zu handeln. Wider Willen. Denn die
französischen Chauvinisten mögen noch so laut nach der Rheingrenze schreien (und
sie dürfen nicht einmal dies, um nicht Lloyd Georges Mißtrauen zu erwecken),
sehr behaglich ist ihnen bei ihrer Absicht nicht zumute. Auch die Franzosen
wissen recht genau, daß die Besetzung der drei Rheinhafen und die Verlegung
der Zollgrenze ihnen unmittelbar materielle Vorteile nur in sehr geringem Maße
zu schaffen geeignet sind, und müssen ihr Mögliches versuchen, die Arbeiter im
eigenen Lande zu beruhigen, indem sie ihnen begreiflich zu machen suchen, daß die
Aktion nur gegen die böswilligen deutschen Unternehmer und das revanchelustige
Bürgertum 'gerichtet sei. (Als ob ein Schlag gegen die deutschen Unternehmer
nicht auch die deutschen Arbeiter träfe!) Und es ist nicht abzusehen, wie sie sich
durch ihre wirtschaftlichen Spcrrmaßnahmen bei den Rheinländern besonders
beliebt machen wollen. Auch müssen sie sich klar darüber sein, daß ihr Verfahren-
nicht gerade geeignet ist, die Wiederaufnahme der Verhandlungen zu erleichtern.

Dennoch werden die Verhandlungen wieder ausgenommen werden müssen.
Sind sich die bürgerlichen Regierungen eigentlich bewußt, welches Schauspiel sie
ihren Völkern, welches Schauspiel sie Amerika bieten? Wissen sie, in welchem
Maße sie den Kommunisten ihre Propaganda erleichtern? Es ist natürlich sehr
die Frage, ob kommunistische Regierungen sich schneller einigen würden, aber da
die Kommunisten in der Opposition stehen, kommt es nicht auf die Beantwortung
dieser Frage an, sondern ob sie mit einem Schein der Berechtigung behaupten
können, daß jedenfalls die Mentalität des Bürgertums unfähig ist, den praktischen
Wiederaufbau des Zerstörten, der ja die Hauptsache ist oder doch sem sollte und
von dem alle künftigen Verhandlungen auszugehen haben werden, zu fordern.
In einem, Augenblick da England mit den Kommunisten Rußlands Fneden Meßt,'
eine Tatsache, die alle Räuberqeschichten über Erschütterung der Sowjetherrschaft
widerlegt, dürfte es nicht überflüssig sein, das gesamte Bürgertum Europas vor
Menenius einem weiteren Scheitern der Verhandlungenüdringend zu warnen.




Uleltspiegel

die Wirkung von Mensch zu Mensch in der Versammlung, die in Versailles schon
Graf Brockdorff sich hatte entgehen lassen, und auf die Wirkung auf die Phantasie
der Welt, die begierig auf das lauschte, was die Deutschen zu sagen hatten und
die wieder nur öden Zahlenkram vernahm. Wir hegen Hochachtung vor Simons
Arbeitskraft, die Dinge geistig zu beherrschen und zu meistern. Aber es ist ein
Fehler, alles selbst machen zu wollen. Er erziehe sich zuverlässige und fähige
Helfer und entlaste sich des Kleinkrams. Zugegeben, daß das in Deutschland
seine Schwierigkeiten hat, aber versucht muß es werden.

Aber nicht im Austreten, in der Geste allein lag der Fehler, sondern auch
in der Arbeitsmethode. Man hat in letzter Stunde eine gewaltige Arbeitslast
bewältigt, aber jeder, der bei derartigen Vorbereitungen einmal mitgewirkt hat,
weiß, daß man solche Dinge mit Fixigkeit allein nicht schafft, daß sie der nötigen
Ausreifung bedürfen und überlegt sein wollen wie ein Kunstwerk. Fast alle
neuerdings herausgekommenen deutschen Denkschriften sind schauderhaft stilisiert,
ein Zeichen, daß die Verfasser den Stoff geistig nicht so bewältigt haben, wie es
notwendig ist, wenn die Sache nach außen hin wirken soll. Seit langer Zeit
schon ist an dieser Stelle gefordert worden, daß man sich darüber klar werde,
was man anbieten kann und will, denn einmal mußte man eben doch etwas
anbieten. Statt dessen hat man in aller Hast Sachverständige (die gleichzeitig
vielfach materiell Interessierte und Verantwortliche waren) zusammen getrommelt
und Unterlagen gesammelt, die hastig redigiert und ebenso hastig noch einmal
umredigiert wurden. In diesem Sinne hatte Stinnes durchaus recht, wenn er
von der Planlosigkeit und Zusammenhanglosigkeit der außenpolitischen Aktion sprach.

Trotzdem ist es uns in London beinah gegangen wie Hans dem Träumer
im Märchen. Trotz aller Ungeschicklichkeiten im einzelnen haben wir einen großen
Uberraschungserfolg zu verzeichnen gehabt: die Gegner haben sich in uns getäuscht.
Sie glaubten, wir würden nachgeben und wir sind festgeblieben. Dadurch wurden
die Gegner gezwungen, wider Willen zu handeln. Wider Willen. Denn die
französischen Chauvinisten mögen noch so laut nach der Rheingrenze schreien (und
sie dürfen nicht einmal dies, um nicht Lloyd Georges Mißtrauen zu erwecken),
sehr behaglich ist ihnen bei ihrer Absicht nicht zumute. Auch die Franzosen
wissen recht genau, daß die Besetzung der drei Rheinhafen und die Verlegung
der Zollgrenze ihnen unmittelbar materielle Vorteile nur in sehr geringem Maße
zu schaffen geeignet sind, und müssen ihr Mögliches versuchen, die Arbeiter im
eigenen Lande zu beruhigen, indem sie ihnen begreiflich zu machen suchen, daß die
Aktion nur gegen die böswilligen deutschen Unternehmer und das revanchelustige
Bürgertum 'gerichtet sei. (Als ob ein Schlag gegen die deutschen Unternehmer
nicht auch die deutschen Arbeiter träfe!) Und es ist nicht abzusehen, wie sie sich
durch ihre wirtschaftlichen Spcrrmaßnahmen bei den Rheinländern besonders
beliebt machen wollen. Auch müssen sie sich klar darüber sein, daß ihr Verfahren-
nicht gerade geeignet ist, die Wiederaufnahme der Verhandlungen zu erleichtern.

Dennoch werden die Verhandlungen wieder ausgenommen werden müssen.
Sind sich die bürgerlichen Regierungen eigentlich bewußt, welches Schauspiel sie
ihren Völkern, welches Schauspiel sie Amerika bieten? Wissen sie, in welchem
Maße sie den Kommunisten ihre Propaganda erleichtern? Es ist natürlich sehr
die Frage, ob kommunistische Regierungen sich schneller einigen würden, aber da
die Kommunisten in der Opposition stehen, kommt es nicht auf die Beantwortung
dieser Frage an, sondern ob sie mit einem Schein der Berechtigung behaupten
können, daß jedenfalls die Mentalität des Bürgertums unfähig ist, den praktischen
Wiederaufbau des Zerstörten, der ja die Hauptsache ist oder doch sem sollte und
von dem alle künftigen Verhandlungen auszugehen haben werden, zu fordern.
In einem, Augenblick da England mit den Kommunisten Rußlands Fneden Meßt,'
eine Tatsache, die alle Räuberqeschichten über Erschütterung der Sowjetherrschaft
widerlegt, dürfte es nicht überflüssig sein, das gesamte Bürgertum Europas vor
Menenius einem weiteren Scheitern der Verhandlungenüdringend zu warnen.




<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0361" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/338794"/>
          <fw type="header" place="top"> Uleltspiegel</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1361" prev="#ID_1360"> die Wirkung von Mensch zu Mensch in der Versammlung, die in Versailles schon<lb/>
Graf Brockdorff sich hatte entgehen lassen, und auf die Wirkung auf die Phantasie<lb/>
der Welt, die begierig auf das lauschte, was die Deutschen zu sagen hatten und<lb/>
die wieder nur öden Zahlenkram vernahm. Wir hegen Hochachtung vor Simons<lb/>
Arbeitskraft, die Dinge geistig zu beherrschen und zu meistern. Aber es ist ein<lb/>
Fehler, alles selbst machen zu wollen. Er erziehe sich zuverlässige und fähige<lb/>
Helfer und entlaste sich des Kleinkrams. Zugegeben, daß das in Deutschland<lb/>
seine Schwierigkeiten hat, aber versucht muß es werden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1362"> Aber nicht im Austreten, in der Geste allein lag der Fehler, sondern auch<lb/>
in der Arbeitsmethode. Man hat in letzter Stunde eine gewaltige Arbeitslast<lb/>
bewältigt, aber jeder, der bei derartigen Vorbereitungen einmal mitgewirkt hat,<lb/>
weiß, daß man solche Dinge mit Fixigkeit allein nicht schafft, daß sie der nötigen<lb/>
Ausreifung bedürfen und überlegt sein wollen wie ein Kunstwerk. Fast alle<lb/>
neuerdings herausgekommenen deutschen Denkschriften sind schauderhaft stilisiert,<lb/>
ein Zeichen, daß die Verfasser den Stoff geistig nicht so bewältigt haben, wie es<lb/>
notwendig ist, wenn die Sache nach außen hin wirken soll. Seit langer Zeit<lb/>
schon ist an dieser Stelle gefordert worden, daß man sich darüber klar werde,<lb/>
was man anbieten kann und will, denn einmal mußte man eben doch etwas<lb/>
anbieten. Statt dessen hat man in aller Hast Sachverständige (die gleichzeitig<lb/>
vielfach materiell Interessierte und Verantwortliche waren) zusammen getrommelt<lb/>
und Unterlagen gesammelt, die hastig redigiert und ebenso hastig noch einmal<lb/>
umredigiert wurden. In diesem Sinne hatte Stinnes durchaus recht, wenn er<lb/>
von der Planlosigkeit und Zusammenhanglosigkeit der außenpolitischen Aktion sprach.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1363"> Trotzdem ist es uns in London beinah gegangen wie Hans dem Träumer<lb/>
im Märchen. Trotz aller Ungeschicklichkeiten im einzelnen haben wir einen großen<lb/>
Uberraschungserfolg zu verzeichnen gehabt: die Gegner haben sich in uns getäuscht.<lb/>
Sie glaubten, wir würden nachgeben und wir sind festgeblieben. Dadurch wurden<lb/>
die Gegner gezwungen, wider Willen zu handeln. Wider Willen. Denn die<lb/>
französischen Chauvinisten mögen noch so laut nach der Rheingrenze schreien (und<lb/>
sie dürfen nicht einmal dies, um nicht Lloyd Georges Mißtrauen zu erwecken),<lb/>
sehr behaglich ist ihnen bei ihrer Absicht nicht zumute. Auch die Franzosen<lb/>
wissen recht genau, daß die Besetzung der drei Rheinhafen und die Verlegung<lb/>
der Zollgrenze ihnen unmittelbar materielle Vorteile nur in sehr geringem Maße<lb/>
zu schaffen geeignet sind, und müssen ihr Mögliches versuchen, die Arbeiter im<lb/>
eigenen Lande zu beruhigen, indem sie ihnen begreiflich zu machen suchen, daß die<lb/>
Aktion nur gegen die böswilligen deutschen Unternehmer und das revanchelustige<lb/>
Bürgertum 'gerichtet sei. (Als ob ein Schlag gegen die deutschen Unternehmer<lb/>
nicht auch die deutschen Arbeiter träfe!) Und es ist nicht abzusehen, wie sie sich<lb/>
durch ihre wirtschaftlichen Spcrrmaßnahmen bei den Rheinländern besonders<lb/>
beliebt machen wollen. Auch müssen sie sich klar darüber sein, daß ihr Verfahren-<lb/>
nicht gerade geeignet ist, die Wiederaufnahme der Verhandlungen zu erleichtern.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1364" next="#ID_1365"> Dennoch werden die Verhandlungen wieder ausgenommen werden müssen.<lb/>
Sind sich die bürgerlichen Regierungen eigentlich bewußt, welches Schauspiel sie<lb/>
ihren Völkern, welches Schauspiel sie Amerika bieten? Wissen sie, in welchem<lb/>
Maße sie den Kommunisten ihre Propaganda erleichtern? Es ist natürlich sehr<lb/>
die Frage, ob kommunistische Regierungen sich schneller einigen würden, aber da<lb/>
die Kommunisten in der Opposition stehen, kommt es nicht auf die Beantwortung<lb/>
dieser Frage an, sondern ob sie mit einem Schein der Berechtigung behaupten<lb/>
können, daß jedenfalls die Mentalität des Bürgertums unfähig ist, den praktischen<lb/>
Wiederaufbau des Zerstörten, der ja die Hauptsache ist oder doch sem sollte und<lb/>
von dem alle künftigen Verhandlungen auszugehen haben werden, zu fordern.<lb/>
In einem, Augenblick da England mit den Kommunisten Rußlands Fneden Meßt,'<lb/>
eine Tatsache, die alle Räuberqeschichten über Erschütterung der Sowjetherrschaft<lb/>
widerlegt, dürfte es nicht überflüssig sein, das gesamte Bürgertum Europas vor<lb/><note type="byline"> Menenius</note> einem weiteren Scheitern der Verhandlungenüdringend zu warnen. </p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0361] Uleltspiegel die Wirkung von Mensch zu Mensch in der Versammlung, die in Versailles schon Graf Brockdorff sich hatte entgehen lassen, und auf die Wirkung auf die Phantasie der Welt, die begierig auf das lauschte, was die Deutschen zu sagen hatten und die wieder nur öden Zahlenkram vernahm. Wir hegen Hochachtung vor Simons Arbeitskraft, die Dinge geistig zu beherrschen und zu meistern. Aber es ist ein Fehler, alles selbst machen zu wollen. Er erziehe sich zuverlässige und fähige Helfer und entlaste sich des Kleinkrams. Zugegeben, daß das in Deutschland seine Schwierigkeiten hat, aber versucht muß es werden. Aber nicht im Austreten, in der Geste allein lag der Fehler, sondern auch in der Arbeitsmethode. Man hat in letzter Stunde eine gewaltige Arbeitslast bewältigt, aber jeder, der bei derartigen Vorbereitungen einmal mitgewirkt hat, weiß, daß man solche Dinge mit Fixigkeit allein nicht schafft, daß sie der nötigen Ausreifung bedürfen und überlegt sein wollen wie ein Kunstwerk. Fast alle neuerdings herausgekommenen deutschen Denkschriften sind schauderhaft stilisiert, ein Zeichen, daß die Verfasser den Stoff geistig nicht so bewältigt haben, wie es notwendig ist, wenn die Sache nach außen hin wirken soll. Seit langer Zeit schon ist an dieser Stelle gefordert worden, daß man sich darüber klar werde, was man anbieten kann und will, denn einmal mußte man eben doch etwas anbieten. Statt dessen hat man in aller Hast Sachverständige (die gleichzeitig vielfach materiell Interessierte und Verantwortliche waren) zusammen getrommelt und Unterlagen gesammelt, die hastig redigiert und ebenso hastig noch einmal umredigiert wurden. In diesem Sinne hatte Stinnes durchaus recht, wenn er von der Planlosigkeit und Zusammenhanglosigkeit der außenpolitischen Aktion sprach. Trotzdem ist es uns in London beinah gegangen wie Hans dem Träumer im Märchen. Trotz aller Ungeschicklichkeiten im einzelnen haben wir einen großen Uberraschungserfolg zu verzeichnen gehabt: die Gegner haben sich in uns getäuscht. Sie glaubten, wir würden nachgeben und wir sind festgeblieben. Dadurch wurden die Gegner gezwungen, wider Willen zu handeln. Wider Willen. Denn die französischen Chauvinisten mögen noch so laut nach der Rheingrenze schreien (und sie dürfen nicht einmal dies, um nicht Lloyd Georges Mißtrauen zu erwecken), sehr behaglich ist ihnen bei ihrer Absicht nicht zumute. Auch die Franzosen wissen recht genau, daß die Besetzung der drei Rheinhafen und die Verlegung der Zollgrenze ihnen unmittelbar materielle Vorteile nur in sehr geringem Maße zu schaffen geeignet sind, und müssen ihr Mögliches versuchen, die Arbeiter im eigenen Lande zu beruhigen, indem sie ihnen begreiflich zu machen suchen, daß die Aktion nur gegen die böswilligen deutschen Unternehmer und das revanchelustige Bürgertum 'gerichtet sei. (Als ob ein Schlag gegen die deutschen Unternehmer nicht auch die deutschen Arbeiter träfe!) Und es ist nicht abzusehen, wie sie sich durch ihre wirtschaftlichen Spcrrmaßnahmen bei den Rheinländern besonders beliebt machen wollen. Auch müssen sie sich klar darüber sein, daß ihr Verfahren- nicht gerade geeignet ist, die Wiederaufnahme der Verhandlungen zu erleichtern. Dennoch werden die Verhandlungen wieder ausgenommen werden müssen. Sind sich die bürgerlichen Regierungen eigentlich bewußt, welches Schauspiel sie ihren Völkern, welches Schauspiel sie Amerika bieten? Wissen sie, in welchem Maße sie den Kommunisten ihre Propaganda erleichtern? Es ist natürlich sehr die Frage, ob kommunistische Regierungen sich schneller einigen würden, aber da die Kommunisten in der Opposition stehen, kommt es nicht auf die Beantwortung dieser Frage an, sondern ob sie mit einem Schein der Berechtigung behaupten können, daß jedenfalls die Mentalität des Bürgertums unfähig ist, den praktischen Wiederaufbau des Zerstörten, der ja die Hauptsache ist oder doch sem sollte und von dem alle künftigen Verhandlungen auszugehen haben werden, zu fordern. In einem, Augenblick da England mit den Kommunisten Rußlands Fneden Meßt,' eine Tatsache, die alle Räuberqeschichten über Erschütterung der Sowjetherrschaft widerlegt, dürfte es nicht überflüssig sein, das gesamte Bürgertum Europas vor Menenius einem weiteren Scheitern der Verhandlungenüdringend zu warnen.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_338432
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_338432/361
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_338432/361>, abgerufen am 24.07.2024.