Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
General r>. Llausewitz

General v. Clausewitz
l?anptmcinn a. ?. !vale"matt, von

e schwerer die Friedensbedingungen uns bedrücken, um so mehr
muß das Bestreben der gebliebenen Armee dahin gehen, sich an
unserer ruhmreichen militärischen Vergangenheit aufzurichten.
Diese besteht in erster Linie aus den Kriegen Friedrichs
des Großen, den Kriegen und 1870 und dem Weltkriege.
Nicht in Vergessenheit geraten darf aber die Lehre des Schöpfers der Theorie der
modernen Strategie, des Generals v. Clausewitz. Als man nach dem
Siege von Königgrätz es aussprechen hörte, der Schulmeister habe diese Schlacht
gewonnen, verkehrte ein preußischer General diese Torheit in Weisheit durch
den Zusatz: "Jawohl, dieser Schulmeister hieß Clausewitz!" Auf den Grund¬
lagen des Clausewitzschen Werkes "Vom Kriege" hat der preußische und später
deutsche Generalstab weitergearbeitet und den Grund gelegt zu unseren
glänzenden militärischen Erfolgen des vorigen Jahrhunderts. Drei echt
Clausewitzsche Sätze möchte ich nun im folgenden besonders hervorheben und
eingehend betrachten.

1. "Der Krieg ist weiter nichts als die Fortsetzung der Politik mit anderen
Mitteln".

Wir sehen, Clausewitz' Theorie basiert auf breitester Gruudlnge. Nicht in
erster Linie militärisch, sondern politisch will er den Krieg betrachtet wissen. Diese
seine Betrachtungsweise führt ihn von selbst dazu, zwei Arten zu erkennen. 1. Den
Krieg seit Napoleon. Er nennt diesen den absoluten Krieg. 2. Den Krieg
vorher, wie er am ausgeprägtesten zum Ausdruck kommt im 18. Jahrhundert.
Er nennt diesen Krieg den historisch gewordenen, was besagen soll, daß die
Kriegsgeschichte mehr solcher Kriege aufzuweisen hat als absolute Kriege. Diese
Unterscheidung zeugt von feinem historischen Verständnis. Selbst die heutige
Zeit läßt dieses oft vermissen und sieht in den militärischen Begebenheiten des
18. Jahrhunderts nnr Dummheiten und Verschrobenheiten. Wer das tut,
weiß nicht, daß er damit zugleich auch über Friedrich den Großen das Urteil
spricht. Wenn sich dieser auch über seine Zeitgenossen erhebt, so bleibt er doch
durchaus ein Kind seiner Zeit. Diese konnte keine entscheidenden Schläge führen,
wie sie uns heute selbstverständlich vorkommen. Das Kriegsinstrument, die
Armee, war ein viel zu kostbares Ding, als daß man es dreist aufs Spiel gesetzt
hätte. War die Armee vernichtet, so war kein Ersatz da, aus dem man eine neue
hätte bilden können. Und dann die Fesseln, die die Verpflegungsart aus Maga¬
zinen der Strategie auferlegte. Das Nequisitivnssystem war aber noch undenkbar.
Geschlossen war die Truppe beim Marsch und Gefecht. Eine Auflösung, wie
sie das Requisitionssystem mit sich gebracht hätte, konnte man sich bei den da¬
maligen unsicheren Kantonisten nicht leisten. Wir sehen, die Kriegführung war
dem 18. Jahrhundert eine gegebene, bedingt durch allgemeine politische und
militärische Zustände. Welches siud nun aber die Hauptunterschiede der beiden
Kriegsarten? Die alte Strategie kannte als Mittel, die im Kriege den Erfolg
verbürgen, das Manöver und erst in zweiter Linie die Schlacht. Selbst ein


General r>. Llausewitz

General v. Clausewitz
l?anptmcinn a. ?. !vale«matt, von

e schwerer die Friedensbedingungen uns bedrücken, um so mehr
muß das Bestreben der gebliebenen Armee dahin gehen, sich an
unserer ruhmreichen militärischen Vergangenheit aufzurichten.
Diese besteht in erster Linie aus den Kriegen Friedrichs
des Großen, den Kriegen und 1870 und dem Weltkriege.
Nicht in Vergessenheit geraten darf aber die Lehre des Schöpfers der Theorie der
modernen Strategie, des Generals v. Clausewitz. Als man nach dem
Siege von Königgrätz es aussprechen hörte, der Schulmeister habe diese Schlacht
gewonnen, verkehrte ein preußischer General diese Torheit in Weisheit durch
den Zusatz: „Jawohl, dieser Schulmeister hieß Clausewitz!" Auf den Grund¬
lagen des Clausewitzschen Werkes „Vom Kriege" hat der preußische und später
deutsche Generalstab weitergearbeitet und den Grund gelegt zu unseren
glänzenden militärischen Erfolgen des vorigen Jahrhunderts. Drei echt
Clausewitzsche Sätze möchte ich nun im folgenden besonders hervorheben und
eingehend betrachten.

1. „Der Krieg ist weiter nichts als die Fortsetzung der Politik mit anderen
Mitteln".

Wir sehen, Clausewitz' Theorie basiert auf breitester Gruudlnge. Nicht in
erster Linie militärisch, sondern politisch will er den Krieg betrachtet wissen. Diese
seine Betrachtungsweise führt ihn von selbst dazu, zwei Arten zu erkennen. 1. Den
Krieg seit Napoleon. Er nennt diesen den absoluten Krieg. 2. Den Krieg
vorher, wie er am ausgeprägtesten zum Ausdruck kommt im 18. Jahrhundert.
Er nennt diesen Krieg den historisch gewordenen, was besagen soll, daß die
Kriegsgeschichte mehr solcher Kriege aufzuweisen hat als absolute Kriege. Diese
Unterscheidung zeugt von feinem historischen Verständnis. Selbst die heutige
Zeit läßt dieses oft vermissen und sieht in den militärischen Begebenheiten des
18. Jahrhunderts nnr Dummheiten und Verschrobenheiten. Wer das tut,
weiß nicht, daß er damit zugleich auch über Friedrich den Großen das Urteil
spricht. Wenn sich dieser auch über seine Zeitgenossen erhebt, so bleibt er doch
durchaus ein Kind seiner Zeit. Diese konnte keine entscheidenden Schläge führen,
wie sie uns heute selbstverständlich vorkommen. Das Kriegsinstrument, die
Armee, war ein viel zu kostbares Ding, als daß man es dreist aufs Spiel gesetzt
hätte. War die Armee vernichtet, so war kein Ersatz da, aus dem man eine neue
hätte bilden können. Und dann die Fesseln, die die Verpflegungsart aus Maga¬
zinen der Strategie auferlegte. Das Nequisitivnssystem war aber noch undenkbar.
Geschlossen war die Truppe beim Marsch und Gefecht. Eine Auflösung, wie
sie das Requisitionssystem mit sich gebracht hätte, konnte man sich bei den da¬
maligen unsicheren Kantonisten nicht leisten. Wir sehen, die Kriegführung war
dem 18. Jahrhundert eine gegebene, bedingt durch allgemeine politische und
militärische Zustände. Welches siud nun aber die Hauptunterschiede der beiden
Kriegsarten? Die alte Strategie kannte als Mittel, die im Kriege den Erfolg
verbürgen, das Manöver und erst in zweiter Linie die Schlacht. Selbst ein


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0269" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/338702"/>
          <fw type="header" place="top"> General r&gt;. Llausewitz</fw><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> General v. Clausewitz<lb/><note type="byline"> l?anptmcinn a. ?. !vale«matt,</note> von </head><lb/>
          <p xml:id="ID_941"> e schwerer die Friedensbedingungen uns bedrücken, um so mehr<lb/>
muß das Bestreben der gebliebenen Armee dahin gehen, sich an<lb/>
unserer ruhmreichen militärischen Vergangenheit aufzurichten.<lb/>
Diese besteht in erster Linie aus den Kriegen Friedrichs<lb/>
des Großen, den Kriegen und 1870 und dem Weltkriege.<lb/>
Nicht in Vergessenheit geraten darf aber die Lehre des Schöpfers der Theorie der<lb/>
modernen Strategie, des Generals v. Clausewitz. Als man nach dem<lb/>
Siege von Königgrätz es aussprechen hörte, der Schulmeister habe diese Schlacht<lb/>
gewonnen, verkehrte ein preußischer General diese Torheit in Weisheit durch<lb/>
den Zusatz: &#x201E;Jawohl, dieser Schulmeister hieß Clausewitz!" Auf den Grund¬<lb/>
lagen des Clausewitzschen Werkes &#x201E;Vom Kriege" hat der preußische und später<lb/>
deutsche Generalstab weitergearbeitet und den Grund gelegt zu unseren<lb/>
glänzenden militärischen Erfolgen des vorigen Jahrhunderts. Drei echt<lb/>
Clausewitzsche Sätze möchte ich nun im folgenden besonders hervorheben und<lb/>
eingehend betrachten.</p><lb/>
          <list>
            <item> 1. &#x201E;Der Krieg ist weiter nichts als die Fortsetzung der Politik mit anderen<lb/>
Mitteln".</item>
          </list><lb/>
          <p xml:id="ID_942" next="#ID_943"> Wir sehen, Clausewitz' Theorie basiert auf breitester Gruudlnge. Nicht in<lb/>
erster Linie militärisch, sondern politisch will er den Krieg betrachtet wissen. Diese<lb/>
seine Betrachtungsweise führt ihn von selbst dazu, zwei Arten zu erkennen. 1. Den<lb/>
Krieg seit Napoleon. Er nennt diesen den absoluten Krieg. 2. Den Krieg<lb/>
vorher, wie er am ausgeprägtesten zum Ausdruck kommt im 18. Jahrhundert.<lb/>
Er nennt diesen Krieg den historisch gewordenen, was besagen soll, daß die<lb/>
Kriegsgeschichte mehr solcher Kriege aufzuweisen hat als absolute Kriege. Diese<lb/>
Unterscheidung zeugt von feinem historischen Verständnis. Selbst die heutige<lb/>
Zeit läßt dieses oft vermissen und sieht in den militärischen Begebenheiten des<lb/>
18. Jahrhunderts nnr Dummheiten und Verschrobenheiten. Wer das tut,<lb/>
weiß nicht, daß er damit zugleich auch über Friedrich den Großen das Urteil<lb/>
spricht. Wenn sich dieser auch über seine Zeitgenossen erhebt, so bleibt er doch<lb/>
durchaus ein Kind seiner Zeit. Diese konnte keine entscheidenden Schläge führen,<lb/>
wie sie uns heute selbstverständlich vorkommen. Das Kriegsinstrument, die<lb/>
Armee, war ein viel zu kostbares Ding, als daß man es dreist aufs Spiel gesetzt<lb/>
hätte. War die Armee vernichtet, so war kein Ersatz da, aus dem man eine neue<lb/>
hätte bilden können. Und dann die Fesseln, die die Verpflegungsart aus Maga¬<lb/>
zinen der Strategie auferlegte. Das Nequisitivnssystem war aber noch undenkbar.<lb/>
Geschlossen war die Truppe beim Marsch und Gefecht. Eine Auflösung, wie<lb/>
sie das Requisitionssystem mit sich gebracht hätte, konnte man sich bei den da¬<lb/>
maligen unsicheren Kantonisten nicht leisten. Wir sehen, die Kriegführung war<lb/>
dem 18. Jahrhundert eine gegebene, bedingt durch allgemeine politische und<lb/>
militärische Zustände. Welches siud nun aber die Hauptunterschiede der beiden<lb/>
Kriegsarten? Die alte Strategie kannte als Mittel, die im Kriege den Erfolg<lb/>
verbürgen, das Manöver und erst in zweiter Linie die Schlacht.  Selbst ein</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0269] General r>. Llausewitz General v. Clausewitz l?anptmcinn a. ?. !vale«matt, von e schwerer die Friedensbedingungen uns bedrücken, um so mehr muß das Bestreben der gebliebenen Armee dahin gehen, sich an unserer ruhmreichen militärischen Vergangenheit aufzurichten. Diese besteht in erster Linie aus den Kriegen Friedrichs des Großen, den Kriegen und 1870 und dem Weltkriege. Nicht in Vergessenheit geraten darf aber die Lehre des Schöpfers der Theorie der modernen Strategie, des Generals v. Clausewitz. Als man nach dem Siege von Königgrätz es aussprechen hörte, der Schulmeister habe diese Schlacht gewonnen, verkehrte ein preußischer General diese Torheit in Weisheit durch den Zusatz: „Jawohl, dieser Schulmeister hieß Clausewitz!" Auf den Grund¬ lagen des Clausewitzschen Werkes „Vom Kriege" hat der preußische und später deutsche Generalstab weitergearbeitet und den Grund gelegt zu unseren glänzenden militärischen Erfolgen des vorigen Jahrhunderts. Drei echt Clausewitzsche Sätze möchte ich nun im folgenden besonders hervorheben und eingehend betrachten. 1. „Der Krieg ist weiter nichts als die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln". Wir sehen, Clausewitz' Theorie basiert auf breitester Gruudlnge. Nicht in erster Linie militärisch, sondern politisch will er den Krieg betrachtet wissen. Diese seine Betrachtungsweise führt ihn von selbst dazu, zwei Arten zu erkennen. 1. Den Krieg seit Napoleon. Er nennt diesen den absoluten Krieg. 2. Den Krieg vorher, wie er am ausgeprägtesten zum Ausdruck kommt im 18. Jahrhundert. Er nennt diesen Krieg den historisch gewordenen, was besagen soll, daß die Kriegsgeschichte mehr solcher Kriege aufzuweisen hat als absolute Kriege. Diese Unterscheidung zeugt von feinem historischen Verständnis. Selbst die heutige Zeit läßt dieses oft vermissen und sieht in den militärischen Begebenheiten des 18. Jahrhunderts nnr Dummheiten und Verschrobenheiten. Wer das tut, weiß nicht, daß er damit zugleich auch über Friedrich den Großen das Urteil spricht. Wenn sich dieser auch über seine Zeitgenossen erhebt, so bleibt er doch durchaus ein Kind seiner Zeit. Diese konnte keine entscheidenden Schläge führen, wie sie uns heute selbstverständlich vorkommen. Das Kriegsinstrument, die Armee, war ein viel zu kostbares Ding, als daß man es dreist aufs Spiel gesetzt hätte. War die Armee vernichtet, so war kein Ersatz da, aus dem man eine neue hätte bilden können. Und dann die Fesseln, die die Verpflegungsart aus Maga¬ zinen der Strategie auferlegte. Das Nequisitivnssystem war aber noch undenkbar. Geschlossen war die Truppe beim Marsch und Gefecht. Eine Auflösung, wie sie das Requisitionssystem mit sich gebracht hätte, konnte man sich bei den da¬ maligen unsicheren Kantonisten nicht leisten. Wir sehen, die Kriegführung war dem 18. Jahrhundert eine gegebene, bedingt durch allgemeine politische und militärische Zustände. Welches siud nun aber die Hauptunterschiede der beiden Kriegsarten? Die alte Strategie kannte als Mittel, die im Kriege den Erfolg verbürgen, das Manöver und erst in zweiter Linie die Schlacht. Selbst ein

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_338432
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_338432/269
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_338432/269>, abgerufen am 04.07.2024.