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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Erstes Vierteljahr.

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Offenherzigkeiten

während des japanischen Krieges hat der Zar die unaufrichtig Japan unter¬
stützenden Engländer nur "Jiden" genannt. Wenn Witte den Zaren auf das
Unmögliche der Pogrome hinwies, antwortete ihm der Zar: "Aber die Juden
selbst sind ja zu tadeln." Graf Podgorichani, der einen Pogrom inszeniert hatte,
wurde vom Zaren persönlich der Bestrafung entzogen. Die abenteuerlichen
"Schwarzen Hundert", desperate Patrioten, die mit dem nihilistischen Terror
gegen Juden und liberale Intelligenz vorgingen, hatten großen Einfluß auf den
Herrscher.

Kaum jemals hat ein unterdrückter Bolksstamm blutigere Rache genommen,
als das bolschewistische Judentum an den Zaren und dem Russentum. Aber der
Haß der Ostjudenheit gegen ihre Bedrücker hat schon vor der russischen Revolution
von 1917 Mitrel und Wege gefunden, um dem Zaren zu bekämpfen. Eines dieser
Mittel war ihr Einfluß auf die liberale und sozialistische Presse Deutschlands und
durch diese auf den Reichstag und auf Bethmann Hollweg. Bei den Russen war
doch im Juli 1914 und dann wieder während des ganzen Jahres 1916 ein starkes
Gefühl dafür lebendig, daß Deutschland und Nußland aufeinander angewiesen
seien, und daß ein Kampf aufs Messer beide ruiniere. Aber Bethmann Hollweg
erklärte im Juli 1914 den Russen formell den Krieg, wie er Ballin gesagt hat,
um die deutschen Linksparteien zu begeistern. Im Jahre 1916 hat Bethmann
Hollweg den Friedenswunsch der Stürmer und Protopopow überhört, die im
Geiste Wildes und mit Genehmigung des Zaren an einer Verständigung mit uns
arbeiteten. Der Zarismus mußte untergehen.

Der Kampf zwischen Ostjuden und Russen geht weiter. Auf die Pro¬
skriptionen der Lenin und Trotzki werden in naher Zukunft Pogrome folgen, wie
sie das alte Zarenreich noch nie gesehen hat. Im richtigen Vorgefühl davon
strömen die Ostjuden durch alle Ritzen und Spalten herein in das sichere
L. I. w. Deutschland.


Offenherzigkeiten

während des japanischen Krieges hat der Zar die unaufrichtig Japan unter¬
stützenden Engländer nur „Jiden" genannt. Wenn Witte den Zaren auf das
Unmögliche der Pogrome hinwies, antwortete ihm der Zar: „Aber die Juden
selbst sind ja zu tadeln." Graf Podgorichani, der einen Pogrom inszeniert hatte,
wurde vom Zaren persönlich der Bestrafung entzogen. Die abenteuerlichen
„Schwarzen Hundert", desperate Patrioten, die mit dem nihilistischen Terror
gegen Juden und liberale Intelligenz vorgingen, hatten großen Einfluß auf den
Herrscher.

Kaum jemals hat ein unterdrückter Bolksstamm blutigere Rache genommen,
als das bolschewistische Judentum an den Zaren und dem Russentum. Aber der
Haß der Ostjudenheit gegen ihre Bedrücker hat schon vor der russischen Revolution
von 1917 Mitrel und Wege gefunden, um dem Zaren zu bekämpfen. Eines dieser
Mittel war ihr Einfluß auf die liberale und sozialistische Presse Deutschlands und
durch diese auf den Reichstag und auf Bethmann Hollweg. Bei den Russen war
doch im Juli 1914 und dann wieder während des ganzen Jahres 1916 ein starkes
Gefühl dafür lebendig, daß Deutschland und Nußland aufeinander angewiesen
seien, und daß ein Kampf aufs Messer beide ruiniere. Aber Bethmann Hollweg
erklärte im Juli 1914 den Russen formell den Krieg, wie er Ballin gesagt hat,
um die deutschen Linksparteien zu begeistern. Im Jahre 1916 hat Bethmann
Hollweg den Friedenswunsch der Stürmer und Protopopow überhört, die im
Geiste Wildes und mit Genehmigung des Zaren an einer Verständigung mit uns
arbeiteten. Der Zarismus mußte untergehen.

Der Kampf zwischen Ostjuden und Russen geht weiter. Auf die Pro¬
skriptionen der Lenin und Trotzki werden in naher Zukunft Pogrome folgen, wie
sie das alte Zarenreich noch nie gesehen hat. Im richtigen Vorgefühl davon
strömen die Ostjuden durch alle Ritzen und Spalten herein in das sichere
L. I. w. Deutschland.


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[0252] Offenherzigkeiten während des japanischen Krieges hat der Zar die unaufrichtig Japan unter¬ stützenden Engländer nur „Jiden" genannt. Wenn Witte den Zaren auf das Unmögliche der Pogrome hinwies, antwortete ihm der Zar: „Aber die Juden selbst sind ja zu tadeln." Graf Podgorichani, der einen Pogrom inszeniert hatte, wurde vom Zaren persönlich der Bestrafung entzogen. Die abenteuerlichen „Schwarzen Hundert", desperate Patrioten, die mit dem nihilistischen Terror gegen Juden und liberale Intelligenz vorgingen, hatten großen Einfluß auf den Herrscher. Kaum jemals hat ein unterdrückter Bolksstamm blutigere Rache genommen, als das bolschewistische Judentum an den Zaren und dem Russentum. Aber der Haß der Ostjudenheit gegen ihre Bedrücker hat schon vor der russischen Revolution von 1917 Mitrel und Wege gefunden, um dem Zaren zu bekämpfen. Eines dieser Mittel war ihr Einfluß auf die liberale und sozialistische Presse Deutschlands und durch diese auf den Reichstag und auf Bethmann Hollweg. Bei den Russen war doch im Juli 1914 und dann wieder während des ganzen Jahres 1916 ein starkes Gefühl dafür lebendig, daß Deutschland und Nußland aufeinander angewiesen seien, und daß ein Kampf aufs Messer beide ruiniere. Aber Bethmann Hollweg erklärte im Juli 1914 den Russen formell den Krieg, wie er Ballin gesagt hat, um die deutschen Linksparteien zu begeistern. Im Jahre 1916 hat Bethmann Hollweg den Friedenswunsch der Stürmer und Protopopow überhört, die im Geiste Wildes und mit Genehmigung des Zaren an einer Verständigung mit uns arbeiteten. Der Zarismus mußte untergehen. Der Kampf zwischen Ostjuden und Russen geht weiter. Auf die Pro¬ skriptionen der Lenin und Trotzki werden in naher Zukunft Pogrome folgen, wie sie das alte Zarenreich noch nie gesehen hat. Im richtigen Vorgefühl davon strömen die Ostjuden durch alle Ritzen und Spalten herein in das sichere L. I. w. Deutschland.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_338432/252>, abgerufen am 29.12.2024.