Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Erstes Vierteljahr.Die Lage der Sudetendeutschen bcrechtiguugs"-Verheißungen aber noch nicht imstande gewesen, diesen Grundsatz Auf dem Gebiete des Schulwesens ist man von Anfang an recht ersichtlich Dies alles sind nicht etwa gehässige Insinuationen, sondern reine Tatsachen. Wir bleiben in dieser Welt der reinen Tatsachen, wenn wir der ungünstigen Die Lage der Sudetendeutschen bcrechtiguugs"-Verheißungen aber noch nicht imstande gewesen, diesen Grundsatz Auf dem Gebiete des Schulwesens ist man von Anfang an recht ersichtlich Dies alles sind nicht etwa gehässige Insinuationen, sondern reine Tatsachen. Wir bleiben in dieser Welt der reinen Tatsachen, wenn wir der ungünstigen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0231" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/338664"/> <fw type="header" place="top"> Die Lage der Sudetendeutschen</fw><lb/> <p xml:id="ID_783" prev="#ID_782"> bcrechtiguugs"-Verheißungen aber noch nicht imstande gewesen, diesen Grundsatz<lb/> in die Praxis überzuleiten. Im Gegenteil — schon das Sprachengesetz selbst ist<lb/> so gefaßt/ daß zwar jeder Tscheche in der ganzen Republik Recht in seiner eigenen<lb/> Sprache findet, dagegen die deutschen Gebiete mit den Zentralen auf tschechisch<lb/> korrespondieren müssen, und ein Deutscher in einer Gegend, in der weniger als<lb/> 20 Prozent Deutsche wohnen, überhaupt kein Anrecht auf amtlichen Gebrauch<lb/> seiner Muttersprache hat. Ein Grundsatz, der namentlich in Prag zu höchst<lb/> unerfreulichen, auch schon vom national-sozialen „Aste Slovo" scharf gegeißelten<lb/> Zuständen führte. So darf dort z. B. niemand (also auch der Fremde nicht!)<lb/> eine Telephonnummer in der (allgemein verstandenen) deutschen Sprache verlangen,<lb/> kein deutscher Angeklagter die Verlesung einer Klageschrift in seiner Sprache<lb/> fordern, selbst wenn er kein Wort Tschechisch versteht! Niemals hat man in dem<lb/> verrufenen Altösterreich gegen tschechische Minderheiten so vorzugehen versucht.<lb/> Nun ist aber noch damit zu rechnen, daß das zumeist nationalistische Beamtentum<lb/> die an sich vorsichtig formulierten Gesetze entsprechend kräftig auslegt!</p><lb/> <p xml:id="ID_784"> Auf dem Gebiete des Schulwesens ist man von Anfang an recht ersichtlich<lb/> zum Angriff gegen den deutschen Besitzstand vorgegangen. Schon unter dem alten<lb/> Osterreich hatte die Rührigkeit der tschechischen Arbeiterklasse und des tschechischen<lb/> Schulvereius das deutsche Siedlungsgebiet mit Minoritäten und Minoritätsschulen<lb/> durchsetzt. Nun wurden deren erst recht Hunderte nen begründet, tschechische<lb/> Mittelschulen in deutsche Städte wie Saaz und Leipa verlegt, anderseits Nbcr-<lb/> hunderte deutscher Schulklassen als „überflüssig" gesperrt, die Lehrkräfte (ein<lb/> besonders drastischer Fall ereignete sich in Brünn) auf die Straße gesetzt. Und<lb/> die auf Grund ihres angeblich slawischen Charakters von Preußisch-Schlesien und<lb/> Niederösterreich herübergenommenen Gebietsteile werden von vornherein mit<lb/> tschechischen Schulen dotiert — eine Gewaltmaßnahme, auf die die unteren, gut<lb/> deutsch gebliebenen Hultschiuer mit einem Schulstreik antworteten.</p><lb/> <p xml:id="ID_785"> Dies alles sind nicht etwa gehässige Insinuationen, sondern reine Tatsachen.<lb/> Jeder Tscheche wird sie zugeben, freilich mit dem Zusatz: es handle sich da nicht<lb/> um Unterdrückung der Deutschen, sondern um Befreiung der Tschechen von der<lb/> bisherigen deutschen Hegemonie. Diese beliebte Motivation zu erörtern, haben<lb/> Nur hier keinen Anlaß/ um so ausdrücklicher sei sie aber darum herausgehoben,<lb/> weil sie ja den besten Beweis dafür liefert, daß nach eigenem Zugeständnis<lb/> der Gegenseite die Neuordnung der Verhältnisse sehr erhebliche Ver¬<lb/> änderungen zugunsten der Tschechen nach sich gezogen hat!</p><lb/> <p xml:id="ID_786" next="#ID_787"> Wir bleiben in dieser Welt der reinen Tatsachen, wenn wir der ungünstigen<lb/> Beeinflussung der sudetendeutschen Volkswirtschaft durch die neuen Herrschafts¬<lb/> verhältnisse kurz gedenken. Da wir hier nur einwandfrei Feststehendes verzeichnen<lb/> wollen, sei auf die Behauptung einer bewußt schlechten Lebensmittelversorgung der<lb/> dentschen Gebiete nur andeutungsweise verwiesen, vo kaeto hatten ja die deutschen<lb/> Judustricarbeitcr schon oft zu klagen, und ihre Erregung nimmt bisweilen gefähr¬<lb/> liche Formen an. Unbestreitbar aber ist die Schädigung der Sudetendeutschen<lb/> durch brüske Abschnürung der Wiener Kapitalverbindung und die Weigerung einer<lb/> Prinzipiellen Einlösung der österreichischen Kriegsanleihe. Trotzdem dem tschecho¬<lb/> slowakischen Staat hierin von der Friedenskonferenz freie Hand gelassen wurde,<lb/> hätte es die nüchternste Kaufmannsmoral unbedingt erfordert, mit den Aktiven</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0231]
Die Lage der Sudetendeutschen
bcrechtiguugs"-Verheißungen aber noch nicht imstande gewesen, diesen Grundsatz
in die Praxis überzuleiten. Im Gegenteil — schon das Sprachengesetz selbst ist
so gefaßt/ daß zwar jeder Tscheche in der ganzen Republik Recht in seiner eigenen
Sprache findet, dagegen die deutschen Gebiete mit den Zentralen auf tschechisch
korrespondieren müssen, und ein Deutscher in einer Gegend, in der weniger als
20 Prozent Deutsche wohnen, überhaupt kein Anrecht auf amtlichen Gebrauch
seiner Muttersprache hat. Ein Grundsatz, der namentlich in Prag zu höchst
unerfreulichen, auch schon vom national-sozialen „Aste Slovo" scharf gegeißelten
Zuständen führte. So darf dort z. B. niemand (also auch der Fremde nicht!)
eine Telephonnummer in der (allgemein verstandenen) deutschen Sprache verlangen,
kein deutscher Angeklagter die Verlesung einer Klageschrift in seiner Sprache
fordern, selbst wenn er kein Wort Tschechisch versteht! Niemals hat man in dem
verrufenen Altösterreich gegen tschechische Minderheiten so vorzugehen versucht.
Nun ist aber noch damit zu rechnen, daß das zumeist nationalistische Beamtentum
die an sich vorsichtig formulierten Gesetze entsprechend kräftig auslegt!
Auf dem Gebiete des Schulwesens ist man von Anfang an recht ersichtlich
zum Angriff gegen den deutschen Besitzstand vorgegangen. Schon unter dem alten
Osterreich hatte die Rührigkeit der tschechischen Arbeiterklasse und des tschechischen
Schulvereius das deutsche Siedlungsgebiet mit Minoritäten und Minoritätsschulen
durchsetzt. Nun wurden deren erst recht Hunderte nen begründet, tschechische
Mittelschulen in deutsche Städte wie Saaz und Leipa verlegt, anderseits Nbcr-
hunderte deutscher Schulklassen als „überflüssig" gesperrt, die Lehrkräfte (ein
besonders drastischer Fall ereignete sich in Brünn) auf die Straße gesetzt. Und
die auf Grund ihres angeblich slawischen Charakters von Preußisch-Schlesien und
Niederösterreich herübergenommenen Gebietsteile werden von vornherein mit
tschechischen Schulen dotiert — eine Gewaltmaßnahme, auf die die unteren, gut
deutsch gebliebenen Hultschiuer mit einem Schulstreik antworteten.
Dies alles sind nicht etwa gehässige Insinuationen, sondern reine Tatsachen.
Jeder Tscheche wird sie zugeben, freilich mit dem Zusatz: es handle sich da nicht
um Unterdrückung der Deutschen, sondern um Befreiung der Tschechen von der
bisherigen deutschen Hegemonie. Diese beliebte Motivation zu erörtern, haben
Nur hier keinen Anlaß/ um so ausdrücklicher sei sie aber darum herausgehoben,
weil sie ja den besten Beweis dafür liefert, daß nach eigenem Zugeständnis
der Gegenseite die Neuordnung der Verhältnisse sehr erhebliche Ver¬
änderungen zugunsten der Tschechen nach sich gezogen hat!
Wir bleiben in dieser Welt der reinen Tatsachen, wenn wir der ungünstigen
Beeinflussung der sudetendeutschen Volkswirtschaft durch die neuen Herrschafts¬
verhältnisse kurz gedenken. Da wir hier nur einwandfrei Feststehendes verzeichnen
wollen, sei auf die Behauptung einer bewußt schlechten Lebensmittelversorgung der
dentschen Gebiete nur andeutungsweise verwiesen, vo kaeto hatten ja die deutschen
Judustricarbeitcr schon oft zu klagen, und ihre Erregung nimmt bisweilen gefähr¬
liche Formen an. Unbestreitbar aber ist die Schädigung der Sudetendeutschen
durch brüske Abschnürung der Wiener Kapitalverbindung und die Weigerung einer
Prinzipiellen Einlösung der österreichischen Kriegsanleihe. Trotzdem dem tschecho¬
slowakischen Staat hierin von der Friedenskonferenz freie Hand gelassen wurde,
hätte es die nüchternste Kaufmannsmoral unbedingt erfordert, mit den Aktiven
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