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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Erstes Vierteljahr.

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Neisebriefe an den Ruiser

Reisebriefe an den Aaiser*)
Von der letzten Weltreise deutscher Linienschiffe
Adolf v. Trotha von(Fortsetzung)

Rio de Janeiro, den 15. 2. 1914.

Süowcstafrika mit seinen beiden Küstenplätzen Swakopmund und Lüderitz-
bucht liegen hinter uns. Ein ganz verändertes Bild gegen Kamerun. Die sandige,
brandende Küste, ohne eine Spur von Bnumwuchs oder augenfälliges Grün. Kein
tiefblaues, tropenwarmes Mecrwusser, sondern der Einfluß der kühlen Strömung
überall bemerkbar. Im Schiff etwas Abkühlung, die Nacht fast empfindlich kalt,
kein Sonnsegel mehr, blaues Zeug wird gegen Abend wieder Mode.

Ich habe gestaunt, als ich Swakopmund nach 18 Jahren wiedersah. Damals
ein freier Strand, auf den man mit dem Brandungsboot hinaufgeworfen wurde,
nicht wissend, ob man eigentlich mit dem Kopf oder einem Bein zuerst von den
bereitstehenden Schwarzen an Land gezogen war. Im losen Sand einige elende
Bretterbuden, im Hotel zum Fürsten Bismarck hatten die paar Gastzimmer noch
keine Decke; es regnete ja nicht in der Jahreszeit. Ein kleines zerlegbares Holz¬
haus war im Bau; erst ein Zimmer fertig; die Koffer des glücklichen Besitzers
standen im Sande, wollte er Wäsche wechseln, so störte ihn niemand, wenn er dort
im Freien die Toilette zusammensuchte. Der Herr -- er war wohl ein Garten¬
fanatiker -- hatte eine Kartoffel gepflanzt und begoß sie täglich, um etwas Grün,
zu sehen.

Jetzt eine große Landebrücke, deren noch weit stärkerer Ersatz im Bau ist, ein
freundliches Städtchen, die Straßen mit Bäumen bepflanzt, nette Wohnhäuser mit
grünenden und blühenden Gärten, eine hübsche .Kirche mit Pfaxr- und Schulhaus,
die Bahnstation nicht zu vergessen. Krieger- und Flottenverein, Kegelklub und
Turnverein, das Empfangskomitee an der Landebrücke, eine echte deutsche Stadt.

Aber was für eine Summe von Tatkraft und Wagemut, das alles zu schassen
am freien, brandenden Meeresstrand, der geschützten englischen Walfischbai zum
Trotz. Auch das echt deutsch! Es war leider schlechte Brandung/ nachdem
120 Mann an Land waren, mußte der Verkehr aufgehoben werden. Aber die
120 Mann haben es auch genossen, sich einmal verwöhnen zu lassen von ihren
Landsleuten.

Auf dem Marktplatz Schießbuden und Karussells, Negertänze und Erfrischungs¬
hallen, Eselrcnnen und dergleichen mehr, der Jahrmarkt einer heimatlichen Klein¬
stadt. Und abends wie zu Hause an Kaisers Geburtstag. Im festlich geschmückten
Saale herzliche Reden hin und her, patriotische Lieder und donnernde Hochs der
Heimat. Der steife Kommis mit der Gattin des Chefs, der Obermatrose mit dem
festlich geschmückten Hausmädchen, der Leutnant mit jeder, die nett aussah; da¬
zwischen der Genieindediener, der sich verpflichtet fühlt, Ordnung zu halten zwischen
dem bunten Knäuel, ohne selbst noch ganz in Ordnung zu sein: so schob sichs vorbei
vor dem Tisch der Ehrengäste, daß man wirklich sagen konnte, Kolonie und Heimat
haben sich gesunden.



Siehe auch "Grenzboten" Heft 4/5, 6. Weitere Briefe folgen.
Neisebriefe an den Ruiser

Reisebriefe an den Aaiser*)
Von der letzten Weltreise deutscher Linienschiffe
Adolf v. Trotha von(Fortsetzung)

Rio de Janeiro, den 15. 2. 1914.

Süowcstafrika mit seinen beiden Küstenplätzen Swakopmund und Lüderitz-
bucht liegen hinter uns. Ein ganz verändertes Bild gegen Kamerun. Die sandige,
brandende Küste, ohne eine Spur von Bnumwuchs oder augenfälliges Grün. Kein
tiefblaues, tropenwarmes Mecrwusser, sondern der Einfluß der kühlen Strömung
überall bemerkbar. Im Schiff etwas Abkühlung, die Nacht fast empfindlich kalt,
kein Sonnsegel mehr, blaues Zeug wird gegen Abend wieder Mode.

Ich habe gestaunt, als ich Swakopmund nach 18 Jahren wiedersah. Damals
ein freier Strand, auf den man mit dem Brandungsboot hinaufgeworfen wurde,
nicht wissend, ob man eigentlich mit dem Kopf oder einem Bein zuerst von den
bereitstehenden Schwarzen an Land gezogen war. Im losen Sand einige elende
Bretterbuden, im Hotel zum Fürsten Bismarck hatten die paar Gastzimmer noch
keine Decke; es regnete ja nicht in der Jahreszeit. Ein kleines zerlegbares Holz¬
haus war im Bau; erst ein Zimmer fertig; die Koffer des glücklichen Besitzers
standen im Sande, wollte er Wäsche wechseln, so störte ihn niemand, wenn er dort
im Freien die Toilette zusammensuchte. Der Herr — er war wohl ein Garten¬
fanatiker — hatte eine Kartoffel gepflanzt und begoß sie täglich, um etwas Grün,
zu sehen.

Jetzt eine große Landebrücke, deren noch weit stärkerer Ersatz im Bau ist, ein
freundliches Städtchen, die Straßen mit Bäumen bepflanzt, nette Wohnhäuser mit
grünenden und blühenden Gärten, eine hübsche .Kirche mit Pfaxr- und Schulhaus,
die Bahnstation nicht zu vergessen. Krieger- und Flottenverein, Kegelklub und
Turnverein, das Empfangskomitee an der Landebrücke, eine echte deutsche Stadt.

Aber was für eine Summe von Tatkraft und Wagemut, das alles zu schassen
am freien, brandenden Meeresstrand, der geschützten englischen Walfischbai zum
Trotz. Auch das echt deutsch! Es war leider schlechte Brandung/ nachdem
120 Mann an Land waren, mußte der Verkehr aufgehoben werden. Aber die
120 Mann haben es auch genossen, sich einmal verwöhnen zu lassen von ihren
Landsleuten.

Auf dem Marktplatz Schießbuden und Karussells, Negertänze und Erfrischungs¬
hallen, Eselrcnnen und dergleichen mehr, der Jahrmarkt einer heimatlichen Klein¬
stadt. Und abends wie zu Hause an Kaisers Geburtstag. Im festlich geschmückten
Saale herzliche Reden hin und her, patriotische Lieder und donnernde Hochs der
Heimat. Der steife Kommis mit der Gattin des Chefs, der Obermatrose mit dem
festlich geschmückten Hausmädchen, der Leutnant mit jeder, die nett aussah; da¬
zwischen der Genieindediener, der sich verpflichtet fühlt, Ordnung zu halten zwischen
dem bunten Knäuel, ohne selbst noch ganz in Ordnung zu sein: so schob sichs vorbei
vor dem Tisch der Ehrengäste, daß man wirklich sagen konnte, Kolonie und Heimat
haben sich gesunden.



Siehe auch „Grenzboten" Heft 4/5, 6. Weitere Briefe folgen.
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[0192] Neisebriefe an den Ruiser Reisebriefe an den Aaiser*) Von der letzten Weltreise deutscher Linienschiffe Adolf v. Trotha von(Fortsetzung) Rio de Janeiro, den 15. 2. 1914. Süowcstafrika mit seinen beiden Küstenplätzen Swakopmund und Lüderitz- bucht liegen hinter uns. Ein ganz verändertes Bild gegen Kamerun. Die sandige, brandende Küste, ohne eine Spur von Bnumwuchs oder augenfälliges Grün. Kein tiefblaues, tropenwarmes Mecrwusser, sondern der Einfluß der kühlen Strömung überall bemerkbar. Im Schiff etwas Abkühlung, die Nacht fast empfindlich kalt, kein Sonnsegel mehr, blaues Zeug wird gegen Abend wieder Mode. Ich habe gestaunt, als ich Swakopmund nach 18 Jahren wiedersah. Damals ein freier Strand, auf den man mit dem Brandungsboot hinaufgeworfen wurde, nicht wissend, ob man eigentlich mit dem Kopf oder einem Bein zuerst von den bereitstehenden Schwarzen an Land gezogen war. Im losen Sand einige elende Bretterbuden, im Hotel zum Fürsten Bismarck hatten die paar Gastzimmer noch keine Decke; es regnete ja nicht in der Jahreszeit. Ein kleines zerlegbares Holz¬ haus war im Bau; erst ein Zimmer fertig; die Koffer des glücklichen Besitzers standen im Sande, wollte er Wäsche wechseln, so störte ihn niemand, wenn er dort im Freien die Toilette zusammensuchte. Der Herr — er war wohl ein Garten¬ fanatiker — hatte eine Kartoffel gepflanzt und begoß sie täglich, um etwas Grün, zu sehen. Jetzt eine große Landebrücke, deren noch weit stärkerer Ersatz im Bau ist, ein freundliches Städtchen, die Straßen mit Bäumen bepflanzt, nette Wohnhäuser mit grünenden und blühenden Gärten, eine hübsche .Kirche mit Pfaxr- und Schulhaus, die Bahnstation nicht zu vergessen. Krieger- und Flottenverein, Kegelklub und Turnverein, das Empfangskomitee an der Landebrücke, eine echte deutsche Stadt. Aber was für eine Summe von Tatkraft und Wagemut, das alles zu schassen am freien, brandenden Meeresstrand, der geschützten englischen Walfischbai zum Trotz. Auch das echt deutsch! Es war leider schlechte Brandung/ nachdem 120 Mann an Land waren, mußte der Verkehr aufgehoben werden. Aber die 120 Mann haben es auch genossen, sich einmal verwöhnen zu lassen von ihren Landsleuten. Auf dem Marktplatz Schießbuden und Karussells, Negertänze und Erfrischungs¬ hallen, Eselrcnnen und dergleichen mehr, der Jahrmarkt einer heimatlichen Klein¬ stadt. Und abends wie zu Hause an Kaisers Geburtstag. Im festlich geschmückten Saale herzliche Reden hin und her, patriotische Lieder und donnernde Hochs der Heimat. Der steife Kommis mit der Gattin des Chefs, der Obermatrose mit dem festlich geschmückten Hausmädchen, der Leutnant mit jeder, die nett aussah; da¬ zwischen der Genieindediener, der sich verpflichtet fühlt, Ordnung zu halten zwischen dem bunten Knäuel, ohne selbst noch ganz in Ordnung zu sein: so schob sichs vorbei vor dem Tisch der Ehrengäste, daß man wirklich sagen konnte, Kolonie und Heimat haben sich gesunden. Siehe auch „Grenzboten" Heft 4/5, 6. Weitere Briefe folgen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_338432/192>, abgerufen am 29.12.2024.