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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Erstes Vierteljahr.

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Das Gebot der Stunde

Friede ist von Heiß und Rachsucht diktiert und seine Ausführung muß zu neuen
biegen führen!"

Das Friedensdiktat von Versailles, aus dem die Entente ihre grausamen
Forderungen herleitet, wird trotz allem, was es an menschlicher List und Tücke
enthält, jetzt aber noch überboten. Deutschland wird diesen erneuten Versuch des
Vertragsbruchs der Entente, die mit ihren neuesten Forderungen Hand an ihr
eigenes Versailler Werk legt, nicht vergessen. Auch uns kann ein Friedensvertrag
nicht mehr binden, den unsere Gegner brechen, sobald sie auf diese Weise noch mehr
aus uns herauspressen können.

Wenn wir diese unmenschlichen Pariser Beschlüsse ausführen müssen, so
wird das ganze deutsche Volk unter einen solchen Druck gestellt, daß eine
Katastrophe eines Tages eintreten muß. Ich hoffe, die Entente ist sich klar, was
das für uns und sie bedeutet.

Ein Gutes aber haben die neuesten Pariser Forderungen gehabt: sie haben
das deutsche Volk -- mit Ausnahme einiger verwirrter Köpfe, die das Heil in
allgemeinem Chaos sehen -- von rechts bis links geeint. Ein Schrei geht durch
die ganzen deutsche" Lande, die ganze deutsche Presse: "Nein!"

Jetzt heißt es, den unerbittlichen Ernst unserer Lage erkennen/ jetzt ist die
Zeit für Parteiklüngel und überflüssigen Hader vorbei: Einigkeit ist das Gebot
der Stunde! , , ,

Denken wir daran, daß wir etwas Anderes zu tun haben, als kleinliche
Klasseninteressen zu vertreten, als für dieses oder jenes Parteiprogramm zu streiten.
Vom Deutschnationalen bis zum unabhängigen Sozialdemokraten muß eine
geschlossene Front unseren Gegnern zeigen: Bis hierher und nicht weiter! Der
Augenblick ist gekommen '-- und wehe uns, wenn wir ihn versäumen! -- einig zu
sein. Einig und geschlossen, besonders in der auswärtigen Politik, muß das ganze
deutsche Volk, die ganze deutsche Presse diesen neuen Pariser Erdrosselungsversuch
abwehren. Unsere Gegner müssen verstehen lernen, daß das deutsche Volk nicht
untergehen will und sich nicht erwürgen läßt. Wir haben ein Recht zum Leben
und wir wollen leben! Wir können aber nur leben, wenn wir einig sind/
denken wir daran -- es ist gerade ein Jahr her --, daß wir mit vollem Erfolg
unseren Gegner in Einigkeit entgegengetreten sind: bei dem unerhörten Verlangen
der Auslieferung der sogenannten deutschen Kriegsverbrecher.'

Wenn wir jetzt das Gebot der Stunde erfüllen: Einig zusein!, so werden
unsere Gegner auch heute nachgeben, genau wie sie im Auslieferungsfalle nach¬
gegeben haben. Das deutsche Volk hat sein Geschick in eigner Hand: Möge es
sich seines Lebensrechtes und seiner Lebenskraft bewußt sein!




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Das Gebot der Stunde

Friede ist von Heiß und Rachsucht diktiert und seine Ausführung muß zu neuen
biegen führen!"

Das Friedensdiktat von Versailles, aus dem die Entente ihre grausamen
Forderungen herleitet, wird trotz allem, was es an menschlicher List und Tücke
enthält, jetzt aber noch überboten. Deutschland wird diesen erneuten Versuch des
Vertragsbruchs der Entente, die mit ihren neuesten Forderungen Hand an ihr
eigenes Versailler Werk legt, nicht vergessen. Auch uns kann ein Friedensvertrag
nicht mehr binden, den unsere Gegner brechen, sobald sie auf diese Weise noch mehr
aus uns herauspressen können.

Wenn wir diese unmenschlichen Pariser Beschlüsse ausführen müssen, so
wird das ganze deutsche Volk unter einen solchen Druck gestellt, daß eine
Katastrophe eines Tages eintreten muß. Ich hoffe, die Entente ist sich klar, was
das für uns und sie bedeutet.

Ein Gutes aber haben die neuesten Pariser Forderungen gehabt: sie haben
das deutsche Volk — mit Ausnahme einiger verwirrter Köpfe, die das Heil in
allgemeinem Chaos sehen — von rechts bis links geeint. Ein Schrei geht durch
die ganzen deutsche» Lande, die ganze deutsche Presse: „Nein!"

Jetzt heißt es, den unerbittlichen Ernst unserer Lage erkennen/ jetzt ist die
Zeit für Parteiklüngel und überflüssigen Hader vorbei: Einigkeit ist das Gebot
der Stunde! , , ,

Denken wir daran, daß wir etwas Anderes zu tun haben, als kleinliche
Klasseninteressen zu vertreten, als für dieses oder jenes Parteiprogramm zu streiten.
Vom Deutschnationalen bis zum unabhängigen Sozialdemokraten muß eine
geschlossene Front unseren Gegnern zeigen: Bis hierher und nicht weiter! Der
Augenblick ist gekommen '— und wehe uns, wenn wir ihn versäumen! — einig zu
sein. Einig und geschlossen, besonders in der auswärtigen Politik, muß das ganze
deutsche Volk, die ganze deutsche Presse diesen neuen Pariser Erdrosselungsversuch
abwehren. Unsere Gegner müssen verstehen lernen, daß das deutsche Volk nicht
untergehen will und sich nicht erwürgen läßt. Wir haben ein Recht zum Leben
und wir wollen leben! Wir können aber nur leben, wenn wir einig sind/
denken wir daran — es ist gerade ein Jahr her —, daß wir mit vollem Erfolg
unseren Gegner in Einigkeit entgegengetreten sind: bei dem unerhörten Verlangen
der Auslieferung der sogenannten deutschen Kriegsverbrecher.'

Wenn wir jetzt das Gebot der Stunde erfüllen: Einig zusein!, so werden
unsere Gegner auch heute nachgeben, genau wie sie im Auslieferungsfalle nach¬
gegeben haben. Das deutsche Volk hat sein Geschick in eigner Hand: Möge es
sich seines Lebensrechtes und seiner Lebenskraft bewußt sein!




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[0177] Das Gebot der Stunde Friede ist von Heiß und Rachsucht diktiert und seine Ausführung muß zu neuen biegen führen!" Das Friedensdiktat von Versailles, aus dem die Entente ihre grausamen Forderungen herleitet, wird trotz allem, was es an menschlicher List und Tücke enthält, jetzt aber noch überboten. Deutschland wird diesen erneuten Versuch des Vertragsbruchs der Entente, die mit ihren neuesten Forderungen Hand an ihr eigenes Versailler Werk legt, nicht vergessen. Auch uns kann ein Friedensvertrag nicht mehr binden, den unsere Gegner brechen, sobald sie auf diese Weise noch mehr aus uns herauspressen können. Wenn wir diese unmenschlichen Pariser Beschlüsse ausführen müssen, so wird das ganze deutsche Volk unter einen solchen Druck gestellt, daß eine Katastrophe eines Tages eintreten muß. Ich hoffe, die Entente ist sich klar, was das für uns und sie bedeutet. Ein Gutes aber haben die neuesten Pariser Forderungen gehabt: sie haben das deutsche Volk — mit Ausnahme einiger verwirrter Köpfe, die das Heil in allgemeinem Chaos sehen — von rechts bis links geeint. Ein Schrei geht durch die ganzen deutsche» Lande, die ganze deutsche Presse: „Nein!" Jetzt heißt es, den unerbittlichen Ernst unserer Lage erkennen/ jetzt ist die Zeit für Parteiklüngel und überflüssigen Hader vorbei: Einigkeit ist das Gebot der Stunde! , , , Denken wir daran, daß wir etwas Anderes zu tun haben, als kleinliche Klasseninteressen zu vertreten, als für dieses oder jenes Parteiprogramm zu streiten. Vom Deutschnationalen bis zum unabhängigen Sozialdemokraten muß eine geschlossene Front unseren Gegnern zeigen: Bis hierher und nicht weiter! Der Augenblick ist gekommen '— und wehe uns, wenn wir ihn versäumen! — einig zu sein. Einig und geschlossen, besonders in der auswärtigen Politik, muß das ganze deutsche Volk, die ganze deutsche Presse diesen neuen Pariser Erdrosselungsversuch abwehren. Unsere Gegner müssen verstehen lernen, daß das deutsche Volk nicht untergehen will und sich nicht erwürgen läßt. Wir haben ein Recht zum Leben und wir wollen leben! Wir können aber nur leben, wenn wir einig sind/ denken wir daran — es ist gerade ein Jahr her —, daß wir mit vollem Erfolg unseren Gegner in Einigkeit entgegengetreten sind: bei dem unerhörten Verlangen der Auslieferung der sogenannten deutschen Kriegsverbrecher.' Wenn wir jetzt das Gebot der Stunde erfüllen: Einig zusein!, so werden unsere Gegner auch heute nachgeben, genau wie sie im Auslieferungsfalle nach¬ gegeben haben. Das deutsche Volk hat sein Geschick in eigner Hand: Möge es sich seines Lebensrechtes und seiner Lebenskraft bewußt sein! 11»

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_338432/177>, abgerufen am 29.12.2024.