Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Erhöhung des Schulgeldes der höheren Schulen

Schlüsse gefaßt hat, welche sowohl die außerordentlich beträchtliche Schulgelderhöhung
der Staatsschulverwaltungen und vieler Gemeinden bekämpfen (unter Betonung
Bayerns als Vorbild für mäßige Schulgelder), wie auch gegen die Staffelung nach
Einkommensteuer und Schulgeldbefreiungen einzelner sich erklären: solche Ma߬
nahmen "tragen die Ungleichheiten des Lebens in die Schulen und zerstören damit
die Gleichheit an den Stätten der öffentlichen Erziehung".

6. Erwägt man das alles, so wird man zu der Überzeugung kommen, daß eine
Schulgelderhöhung heute nicht zu vermeiden ist, daß aber der gewählte Weg als
zu drückend bezeichnet werden muß. Über die absolute Höhe des jedenfalls erheblich
herabzusetzenden Fixums ist in unserer heutigen Zeit des Hinaufgleitens der Preise
in ineinander greifender Kette schwer zu streiten. Aber unbedingt nötig ist die
Prinzipielle Erkenntnis, daß das Schulgeld als Gebühr im öffentlichen Interesse
erheblich, und zwar erheblicher als bisher, unter dem Niveau des Kostenprinzips
gehalten werden muß. Unbedingt nötig ist insbesondere schon jetzt eine starke.-Ab-
staffclung bei einer größeren Kinderzahl.

Die Hinausdrängung der jetzt als mittlere Einkommengruppen zu betrachtenden
Vevölkerungsteile aus der höheren Schule muß verhängnisvoll wirken. Nur die
Hoffnung auf das Glück ihrer Kinder hält die meisten Eltern dieser Kreise im
harten Lebenskampf noch aufrecht; die Frauen insbesondere opfern im stillen Helden¬
tum vielfach ihr letztes Stück Glück und Gesundheit diesem Ziel. Sollen sie noch
schwerere Opfer bringen, um den Söhnen eine bessere Zukunft zu retten und die
Töchter -- die das erste Opfer der Verdrängung werden würden -- als den
künftigen Müttern die geistige Ausbildung zu sichern? Aber man kann von dieser
persönlichen Seite ganz absehen. Es handelt sich um das Bildungsniveau des
ganzen Volkes. Die mitgeteilten Zahlen beweisen, daß große Kreise des mittleren
Einkommens aus der höheren Bildung herausgedrängt werden oder sie mit steigender
Unterernährung bezahlen müssen. Der höhere, mittlere und Unterbeamte, der kleine
Kaufmann und Gewerbetreibende, der kaufmännische Angestellte und nicht zum
wenigsten auch der gehobene Arbeiter wird von der höheren Bildung für seine Kinder
immer mehr abgeschnitten. Diese aufstrebenden Gruppen haben aber von jeher
besonders wertvolles Material für die Ausbildung gestellt, nur der Böswillige oder
ganz Unwissende kann leugnen, daß die häusliche Umwelt für die Erziehung eine
große Bedeutung hat. Man wird den starken Intelligenzen aus den heute am
höheren Schulwesen weniger beteiligten weiten Kreisen durch Freischule, Dar¬
reichung von Ernährung usw. den Weg zur höheren Bildung in weitesten Maße
offnen müssen, und man tut es auch schon. Aber aus der gleichen Erwägung
heraus muß man vor allem die mittleren Einkommenschichten schonen. Wir können
^ uns heute nicht gestatten, dieses Kapital an kulturellen Gütern zu zertrümmern.
Es ist in einer Generation vernichtet! Im Geistesleben liegt unsere ganze
Zukunft.




Die Erhöhung des Schulgeldes der höheren Schulen

Schlüsse gefaßt hat, welche sowohl die außerordentlich beträchtliche Schulgelderhöhung
der Staatsschulverwaltungen und vieler Gemeinden bekämpfen (unter Betonung
Bayerns als Vorbild für mäßige Schulgelder), wie auch gegen die Staffelung nach
Einkommensteuer und Schulgeldbefreiungen einzelner sich erklären: solche Ma߬
nahmen „tragen die Ungleichheiten des Lebens in die Schulen und zerstören damit
die Gleichheit an den Stätten der öffentlichen Erziehung".

6. Erwägt man das alles, so wird man zu der Überzeugung kommen, daß eine
Schulgelderhöhung heute nicht zu vermeiden ist, daß aber der gewählte Weg als
zu drückend bezeichnet werden muß. Über die absolute Höhe des jedenfalls erheblich
herabzusetzenden Fixums ist in unserer heutigen Zeit des Hinaufgleitens der Preise
in ineinander greifender Kette schwer zu streiten. Aber unbedingt nötig ist die
Prinzipielle Erkenntnis, daß das Schulgeld als Gebühr im öffentlichen Interesse
erheblich, und zwar erheblicher als bisher, unter dem Niveau des Kostenprinzips
gehalten werden muß. Unbedingt nötig ist insbesondere schon jetzt eine starke.-Ab-
staffclung bei einer größeren Kinderzahl.

Die Hinausdrängung der jetzt als mittlere Einkommengruppen zu betrachtenden
Vevölkerungsteile aus der höheren Schule muß verhängnisvoll wirken. Nur die
Hoffnung auf das Glück ihrer Kinder hält die meisten Eltern dieser Kreise im
harten Lebenskampf noch aufrecht; die Frauen insbesondere opfern im stillen Helden¬
tum vielfach ihr letztes Stück Glück und Gesundheit diesem Ziel. Sollen sie noch
schwerere Opfer bringen, um den Söhnen eine bessere Zukunft zu retten und die
Töchter — die das erste Opfer der Verdrängung werden würden — als den
künftigen Müttern die geistige Ausbildung zu sichern? Aber man kann von dieser
persönlichen Seite ganz absehen. Es handelt sich um das Bildungsniveau des
ganzen Volkes. Die mitgeteilten Zahlen beweisen, daß große Kreise des mittleren
Einkommens aus der höheren Bildung herausgedrängt werden oder sie mit steigender
Unterernährung bezahlen müssen. Der höhere, mittlere und Unterbeamte, der kleine
Kaufmann und Gewerbetreibende, der kaufmännische Angestellte und nicht zum
wenigsten auch der gehobene Arbeiter wird von der höheren Bildung für seine Kinder
immer mehr abgeschnitten. Diese aufstrebenden Gruppen haben aber von jeher
besonders wertvolles Material für die Ausbildung gestellt, nur der Böswillige oder
ganz Unwissende kann leugnen, daß die häusliche Umwelt für die Erziehung eine
große Bedeutung hat. Man wird den starken Intelligenzen aus den heute am
höheren Schulwesen weniger beteiligten weiten Kreisen durch Freischule, Dar¬
reichung von Ernährung usw. den Weg zur höheren Bildung in weitesten Maße
offnen müssen, und man tut es auch schon. Aber aus der gleichen Erwägung
heraus muß man vor allem die mittleren Einkommenschichten schonen. Wir können
^ uns heute nicht gestatten, dieses Kapital an kulturellen Gütern zu zertrümmern.
Es ist in einer Generation vernichtet! Im Geistesleben liegt unsere ganze
Zukunft.




<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0087" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/338110"/>
          <fw type="header" place="top"> Die Erhöhung des Schulgeldes der höheren Schulen</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_292" prev="#ID_291"> Schlüsse gefaßt hat, welche sowohl die außerordentlich beträchtliche Schulgelderhöhung<lb/>
der Staatsschulverwaltungen und vieler Gemeinden bekämpfen (unter Betonung<lb/>
Bayerns als Vorbild für mäßige Schulgelder), wie auch gegen die Staffelung nach<lb/>
Einkommensteuer und Schulgeldbefreiungen einzelner sich erklären: solche Ma߬<lb/>
nahmen &#x201E;tragen die Ungleichheiten des Lebens in die Schulen und zerstören damit<lb/>
die Gleichheit an den Stätten der öffentlichen Erziehung".</p><lb/>
          <p xml:id="ID_293"> 6. Erwägt man das alles, so wird man zu der Überzeugung kommen, daß eine<lb/>
Schulgelderhöhung heute nicht zu vermeiden ist, daß aber der gewählte Weg als<lb/>
zu drückend bezeichnet werden muß. Über die absolute Höhe des jedenfalls erheblich<lb/>
herabzusetzenden Fixums ist in unserer heutigen Zeit des Hinaufgleitens der Preise<lb/>
in ineinander greifender Kette schwer zu streiten. Aber unbedingt nötig ist die<lb/>
Prinzipielle Erkenntnis, daß das Schulgeld als Gebühr im öffentlichen Interesse<lb/>
erheblich, und zwar erheblicher als bisher, unter dem Niveau des Kostenprinzips<lb/>
gehalten werden muß. Unbedingt nötig ist insbesondere schon jetzt eine starke.-Ab-<lb/>
staffclung bei einer größeren Kinderzahl.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_294"> Die Hinausdrängung der jetzt als mittlere Einkommengruppen zu betrachtenden<lb/>
Vevölkerungsteile aus der höheren Schule muß verhängnisvoll wirken. Nur die<lb/>
Hoffnung auf das Glück ihrer Kinder hält die meisten Eltern dieser Kreise im<lb/>
harten Lebenskampf noch aufrecht; die Frauen insbesondere opfern im stillen Helden¬<lb/>
tum vielfach ihr letztes Stück Glück und Gesundheit diesem Ziel. Sollen sie noch<lb/>
schwerere Opfer bringen, um den Söhnen eine bessere Zukunft zu retten und die<lb/>
Töchter &#x2014; die das erste Opfer der Verdrängung werden würden &#x2014; als den<lb/>
künftigen Müttern die geistige Ausbildung zu sichern? Aber man kann von dieser<lb/>
persönlichen Seite ganz absehen. Es handelt sich um das Bildungsniveau des<lb/>
ganzen Volkes. Die mitgeteilten Zahlen beweisen, daß große Kreise des mittleren<lb/>
Einkommens aus der höheren Bildung herausgedrängt werden oder sie mit steigender<lb/>
Unterernährung bezahlen müssen. Der höhere, mittlere und Unterbeamte, der kleine<lb/>
Kaufmann und Gewerbetreibende, der kaufmännische Angestellte und nicht zum<lb/>
wenigsten auch der gehobene Arbeiter wird von der höheren Bildung für seine Kinder<lb/>
immer mehr abgeschnitten. Diese aufstrebenden Gruppen haben aber von jeher<lb/>
besonders wertvolles Material für die Ausbildung gestellt, nur der Böswillige oder<lb/>
ganz Unwissende kann leugnen, daß die häusliche Umwelt für die Erziehung eine<lb/>
große Bedeutung hat. Man wird den starken Intelligenzen aus den heute am<lb/>
höheren Schulwesen weniger beteiligten weiten Kreisen durch Freischule, Dar¬<lb/>
reichung von Ernährung usw. den Weg zur höheren Bildung in weitesten Maße<lb/>
offnen müssen, und man tut es auch schon. Aber aus der gleichen Erwägung<lb/>
heraus muß man vor allem die mittleren Einkommenschichten schonen. Wir können<lb/>
^ uns heute nicht gestatten, dieses Kapital an kulturellen Gütern zu zertrümmern.<lb/>
Es ist in einer Generation vernichtet! Im Geistesleben liegt unsere ganze<lb/>
Zukunft.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0087] Die Erhöhung des Schulgeldes der höheren Schulen Schlüsse gefaßt hat, welche sowohl die außerordentlich beträchtliche Schulgelderhöhung der Staatsschulverwaltungen und vieler Gemeinden bekämpfen (unter Betonung Bayerns als Vorbild für mäßige Schulgelder), wie auch gegen die Staffelung nach Einkommensteuer und Schulgeldbefreiungen einzelner sich erklären: solche Ma߬ nahmen „tragen die Ungleichheiten des Lebens in die Schulen und zerstören damit die Gleichheit an den Stätten der öffentlichen Erziehung". 6. Erwägt man das alles, so wird man zu der Überzeugung kommen, daß eine Schulgelderhöhung heute nicht zu vermeiden ist, daß aber der gewählte Weg als zu drückend bezeichnet werden muß. Über die absolute Höhe des jedenfalls erheblich herabzusetzenden Fixums ist in unserer heutigen Zeit des Hinaufgleitens der Preise in ineinander greifender Kette schwer zu streiten. Aber unbedingt nötig ist die Prinzipielle Erkenntnis, daß das Schulgeld als Gebühr im öffentlichen Interesse erheblich, und zwar erheblicher als bisher, unter dem Niveau des Kostenprinzips gehalten werden muß. Unbedingt nötig ist insbesondere schon jetzt eine starke.-Ab- staffclung bei einer größeren Kinderzahl. Die Hinausdrängung der jetzt als mittlere Einkommengruppen zu betrachtenden Vevölkerungsteile aus der höheren Schule muß verhängnisvoll wirken. Nur die Hoffnung auf das Glück ihrer Kinder hält die meisten Eltern dieser Kreise im harten Lebenskampf noch aufrecht; die Frauen insbesondere opfern im stillen Helden¬ tum vielfach ihr letztes Stück Glück und Gesundheit diesem Ziel. Sollen sie noch schwerere Opfer bringen, um den Söhnen eine bessere Zukunft zu retten und die Töchter — die das erste Opfer der Verdrängung werden würden — als den künftigen Müttern die geistige Ausbildung zu sichern? Aber man kann von dieser persönlichen Seite ganz absehen. Es handelt sich um das Bildungsniveau des ganzen Volkes. Die mitgeteilten Zahlen beweisen, daß große Kreise des mittleren Einkommens aus der höheren Bildung herausgedrängt werden oder sie mit steigender Unterernährung bezahlen müssen. Der höhere, mittlere und Unterbeamte, der kleine Kaufmann und Gewerbetreibende, der kaufmännische Angestellte und nicht zum wenigsten auch der gehobene Arbeiter wird von der höheren Bildung für seine Kinder immer mehr abgeschnitten. Diese aufstrebenden Gruppen haben aber von jeher besonders wertvolles Material für die Ausbildung gestellt, nur der Böswillige oder ganz Unwissende kann leugnen, daß die häusliche Umwelt für die Erziehung eine große Bedeutung hat. Man wird den starken Intelligenzen aus den heute am höheren Schulwesen weniger beteiligten weiten Kreisen durch Freischule, Dar¬ reichung von Ernährung usw. den Weg zur höheren Bildung in weitesten Maße offnen müssen, und man tut es auch schon. Aber aus der gleichen Erwägung heraus muß man vor allem die mittleren Einkommenschichten schonen. Wir können ^ uns heute nicht gestatten, dieses Kapital an kulturellen Gütern zu zertrümmern. Es ist in einer Generation vernichtet! Im Geistesleben liegt unsere ganze Zukunft.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_338022
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_338022/87
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_338022/87>, abgerufen am 22.07.2024.