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Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Viertes Vierteljahr.

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Weniger intransigent scheint, möglicherweise infolge amerikanischer Einflüsse,
der Standpunkt der französischen Regierung in der Wiedergutmachungsfrage zu sein.
Allerdings sind hier und da (bei Poincarö und im "Temps") Versuche bemerkbar,
die Entschädigungsansprüche der durch den Krieg geschädigten Privatleute möglichst
hinaufzuschrauben (womit leider Hoffnungen erweckt werden, die sich kaum werden
erfüllen lassen). Wenn aber derselbe "Temps" nicht nur eine Summe von 10 Mil¬
liarden Pfund als unrealisierbar ansieht, und erwägt, ob man die Schäden nicht nach
dem Wert der zerstörten Güter zur Zeit der Zerstörung berechnen und Deutschland
eine Erholungssrist zubilligen solle, so ist, sofern nicht die Gewährung einer solchen
Frist als Vorwand einer weiteren Hinausschiebung der endgültigen Fixierung der
Gesamtentschädigungssumme benutzt werden soll, immerhin eine Einstellung aus
reale Möglichkeiten bemerkbar, wenn auch angesichts der durchaus hypothetischen
Form des "Temps"artikels und angesichts der an anderer Stelle vertretenen Forde¬
rung, Deutschland müsse unbedingt sofort den Fehlbetrag des neuen französischen
Budgets von 1921 decken, zu optimistischer Ausfassung keinerlei Anlaß besteht.
Jedenfalls tragen aber Äußerungen, wie die Herrn von Oldenburgs, daß die Entente
sich in der Entwaffnungsfrage als "ohnmächtig" erwiesen habe, Äußerungen, die
von der französischen Presse sofort registriert und zweckentsprechend verwandt werden,
augenblicklich nicht gerade zur Erleichterung der Verhandlungen bei.

Weltpolitisch von weitaus größerer Bedeutung als die griechische und die
deutsch-französische Frage ist die an England gerichtete Note der amerikanischen
Regierung vom 25. November über die mesopotomischen Olfelder, die zum erstenmal
den schon lange latent vorhandenen Gegensatz zwischen England und den Ver¬
einigten Staaten offen zutage treten läßt (vgl. Grenzboten 1920 Heft 14). Dill
sehr lange (in vollem Wortlaut in der "World" vom 26. November veröffentlichte)
Note erörtert in großer Ausführlichkeit den Mandatbegriff, und weist sehr nach¬
drücklich darauf hin, daß Amerika nicht daran denke, sich bei der Ausbeutung der
von England durch das Abkommen von San Remo praktisch zu seinem eigenen
Vorteil mit Beschlag belegten Olfelder ausschalten zu lassen. England meine zwar,
daß die Erörterung des Mandatbegrisfs nur innerhalb des Völkerbundes statthaft
sei, aber Amerika habe nicht den Krieg gewinnen helfen, um bei der Nutzbarmachung
fremder, infolge des Sieges einzelnen Staaten zur Verwaltung übergebenen Ge¬
biete diesen Staaten eine den Weltfrieden gefährdende Sonderberechtigung zu
schaffen. Auch müsse das Mißverständnis, daß Amerika reichlich mit Ol versorgt sei,
aus der Welt geschafft werden, die Vereinigten Staaten verfügten leider nur über
ein Zwölftel der Weltproduktion. Diese Note muß gerade in diesem Augenblick,
da die Franzosen Elemenceaus Nachgeben in der Mossulfrage noch immer schmerzlich
empfinden, da England in Persien die Natifizierung der Verträge der Persian Oil
Compagny durch das Parlament seit Monaten vergeblich zu erzwingen sucht, da die
Vereinigten Staaten durch Duldung von de Valeras Propagandatätigkeit dem
irischen Aufstand mindestens indirekt Vorschub leisten, den Engländern sehr unan¬
genehm sein, um so mehr, da die Vereinigten Staaten jetzt auch mit vollem Nachdruck
dem anderen großen englischen Plan, sich mit Hilfe des Völkerbundes zur Vormacht
eines geeinigten Europas zu machen, entgegenwirken. Denn die Äußerungen Hol¬
dings über eine amerikanische Konkurrenzgründung sind keineswegs nur ein sehr
geschickter und notwendiger innerpolitischer Schachzug, verschiedene Anzeichen deuten
klar darauf hin, daß man in den Vereinigten Staaten sehr ernsthaft daran denkt, den
englischen Bund zu sprengen. Nicht nur verschanzen die Franzosen sich bei jeder
Gelegenheit, wo sie ihre eigenen Ziele Völkerbundszwecken unterordnen oder auch
nur anpassen sollen, hinter eine einstweilen noch aufstehende Stellungnahme
Amerikas, nicht nur übernimmt in der armenischen Frage Wilson eine Rolle, die der
Völkerbund, um seine Ohnmacht nicht allzu deutlich hervortreten zu lassen und mit
den Einzelregierungen nicht in Konflikt zu geraten> ablehnen mußte, auch inner¬
halb des Völkerbundes selbst macht sich schon der Einfluß der Vereinigten Staaten
geltend. Es darf nicht übersehen werden, daß der Vertreter Argentiniens, Puyrredon,
der in Genf für eine wirklich demokratische Entwicklung des Völkerbundes eintrat


Meltspiegel

Weniger intransigent scheint, möglicherweise infolge amerikanischer Einflüsse,
der Standpunkt der französischen Regierung in der Wiedergutmachungsfrage zu sein.
Allerdings sind hier und da (bei Poincarö und im „Temps") Versuche bemerkbar,
die Entschädigungsansprüche der durch den Krieg geschädigten Privatleute möglichst
hinaufzuschrauben (womit leider Hoffnungen erweckt werden, die sich kaum werden
erfüllen lassen). Wenn aber derselbe „Temps" nicht nur eine Summe von 10 Mil¬
liarden Pfund als unrealisierbar ansieht, und erwägt, ob man die Schäden nicht nach
dem Wert der zerstörten Güter zur Zeit der Zerstörung berechnen und Deutschland
eine Erholungssrist zubilligen solle, so ist, sofern nicht die Gewährung einer solchen
Frist als Vorwand einer weiteren Hinausschiebung der endgültigen Fixierung der
Gesamtentschädigungssumme benutzt werden soll, immerhin eine Einstellung aus
reale Möglichkeiten bemerkbar, wenn auch angesichts der durchaus hypothetischen
Form des „Temps"artikels und angesichts der an anderer Stelle vertretenen Forde¬
rung, Deutschland müsse unbedingt sofort den Fehlbetrag des neuen französischen
Budgets von 1921 decken, zu optimistischer Ausfassung keinerlei Anlaß besteht.
Jedenfalls tragen aber Äußerungen, wie die Herrn von Oldenburgs, daß die Entente
sich in der Entwaffnungsfrage als „ohnmächtig" erwiesen habe, Äußerungen, die
von der französischen Presse sofort registriert und zweckentsprechend verwandt werden,
augenblicklich nicht gerade zur Erleichterung der Verhandlungen bei.

Weltpolitisch von weitaus größerer Bedeutung als die griechische und die
deutsch-französische Frage ist die an England gerichtete Note der amerikanischen
Regierung vom 25. November über die mesopotomischen Olfelder, die zum erstenmal
den schon lange latent vorhandenen Gegensatz zwischen England und den Ver¬
einigten Staaten offen zutage treten läßt (vgl. Grenzboten 1920 Heft 14). Dill
sehr lange (in vollem Wortlaut in der „World" vom 26. November veröffentlichte)
Note erörtert in großer Ausführlichkeit den Mandatbegriff, und weist sehr nach¬
drücklich darauf hin, daß Amerika nicht daran denke, sich bei der Ausbeutung der
von England durch das Abkommen von San Remo praktisch zu seinem eigenen
Vorteil mit Beschlag belegten Olfelder ausschalten zu lassen. England meine zwar,
daß die Erörterung des Mandatbegrisfs nur innerhalb des Völkerbundes statthaft
sei, aber Amerika habe nicht den Krieg gewinnen helfen, um bei der Nutzbarmachung
fremder, infolge des Sieges einzelnen Staaten zur Verwaltung übergebenen Ge¬
biete diesen Staaten eine den Weltfrieden gefährdende Sonderberechtigung zu
schaffen. Auch müsse das Mißverständnis, daß Amerika reichlich mit Ol versorgt sei,
aus der Welt geschafft werden, die Vereinigten Staaten verfügten leider nur über
ein Zwölftel der Weltproduktion. Diese Note muß gerade in diesem Augenblick,
da die Franzosen Elemenceaus Nachgeben in der Mossulfrage noch immer schmerzlich
empfinden, da England in Persien die Natifizierung der Verträge der Persian Oil
Compagny durch das Parlament seit Monaten vergeblich zu erzwingen sucht, da die
Vereinigten Staaten durch Duldung von de Valeras Propagandatätigkeit dem
irischen Aufstand mindestens indirekt Vorschub leisten, den Engländern sehr unan¬
genehm sein, um so mehr, da die Vereinigten Staaten jetzt auch mit vollem Nachdruck
dem anderen großen englischen Plan, sich mit Hilfe des Völkerbundes zur Vormacht
eines geeinigten Europas zu machen, entgegenwirken. Denn die Äußerungen Hol¬
dings über eine amerikanische Konkurrenzgründung sind keineswegs nur ein sehr
geschickter und notwendiger innerpolitischer Schachzug, verschiedene Anzeichen deuten
klar darauf hin, daß man in den Vereinigten Staaten sehr ernsthaft daran denkt, den
englischen Bund zu sprengen. Nicht nur verschanzen die Franzosen sich bei jeder
Gelegenheit, wo sie ihre eigenen Ziele Völkerbundszwecken unterordnen oder auch
nur anpassen sollen, hinter eine einstweilen noch aufstehende Stellungnahme
Amerikas, nicht nur übernimmt in der armenischen Frage Wilson eine Rolle, die der
Völkerbund, um seine Ohnmacht nicht allzu deutlich hervortreten zu lassen und mit
den Einzelregierungen nicht in Konflikt zu geraten> ablehnen mußte, auch inner¬
halb des Völkerbundes selbst macht sich schon der Einfluß der Vereinigten Staaten
geltend. Es darf nicht übersehen werden, daß der Vertreter Argentiniens, Puyrredon,
der in Genf für eine wirklich demokratische Entwicklung des Völkerbundes eintrat


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[0359] Meltspiegel Weniger intransigent scheint, möglicherweise infolge amerikanischer Einflüsse, der Standpunkt der französischen Regierung in der Wiedergutmachungsfrage zu sein. Allerdings sind hier und da (bei Poincarö und im „Temps") Versuche bemerkbar, die Entschädigungsansprüche der durch den Krieg geschädigten Privatleute möglichst hinaufzuschrauben (womit leider Hoffnungen erweckt werden, die sich kaum werden erfüllen lassen). Wenn aber derselbe „Temps" nicht nur eine Summe von 10 Mil¬ liarden Pfund als unrealisierbar ansieht, und erwägt, ob man die Schäden nicht nach dem Wert der zerstörten Güter zur Zeit der Zerstörung berechnen und Deutschland eine Erholungssrist zubilligen solle, so ist, sofern nicht die Gewährung einer solchen Frist als Vorwand einer weiteren Hinausschiebung der endgültigen Fixierung der Gesamtentschädigungssumme benutzt werden soll, immerhin eine Einstellung aus reale Möglichkeiten bemerkbar, wenn auch angesichts der durchaus hypothetischen Form des „Temps"artikels und angesichts der an anderer Stelle vertretenen Forde¬ rung, Deutschland müsse unbedingt sofort den Fehlbetrag des neuen französischen Budgets von 1921 decken, zu optimistischer Ausfassung keinerlei Anlaß besteht. Jedenfalls tragen aber Äußerungen, wie die Herrn von Oldenburgs, daß die Entente sich in der Entwaffnungsfrage als „ohnmächtig" erwiesen habe, Äußerungen, die von der französischen Presse sofort registriert und zweckentsprechend verwandt werden, augenblicklich nicht gerade zur Erleichterung der Verhandlungen bei. Weltpolitisch von weitaus größerer Bedeutung als die griechische und die deutsch-französische Frage ist die an England gerichtete Note der amerikanischen Regierung vom 25. November über die mesopotomischen Olfelder, die zum erstenmal den schon lange latent vorhandenen Gegensatz zwischen England und den Ver¬ einigten Staaten offen zutage treten läßt (vgl. Grenzboten 1920 Heft 14). Dill sehr lange (in vollem Wortlaut in der „World" vom 26. November veröffentlichte) Note erörtert in großer Ausführlichkeit den Mandatbegriff, und weist sehr nach¬ drücklich darauf hin, daß Amerika nicht daran denke, sich bei der Ausbeutung der von England durch das Abkommen von San Remo praktisch zu seinem eigenen Vorteil mit Beschlag belegten Olfelder ausschalten zu lassen. England meine zwar, daß die Erörterung des Mandatbegrisfs nur innerhalb des Völkerbundes statthaft sei, aber Amerika habe nicht den Krieg gewinnen helfen, um bei der Nutzbarmachung fremder, infolge des Sieges einzelnen Staaten zur Verwaltung übergebenen Ge¬ biete diesen Staaten eine den Weltfrieden gefährdende Sonderberechtigung zu schaffen. Auch müsse das Mißverständnis, daß Amerika reichlich mit Ol versorgt sei, aus der Welt geschafft werden, die Vereinigten Staaten verfügten leider nur über ein Zwölftel der Weltproduktion. Diese Note muß gerade in diesem Augenblick, da die Franzosen Elemenceaus Nachgeben in der Mossulfrage noch immer schmerzlich empfinden, da England in Persien die Natifizierung der Verträge der Persian Oil Compagny durch das Parlament seit Monaten vergeblich zu erzwingen sucht, da die Vereinigten Staaten durch Duldung von de Valeras Propagandatätigkeit dem irischen Aufstand mindestens indirekt Vorschub leisten, den Engländern sehr unan¬ genehm sein, um so mehr, da die Vereinigten Staaten jetzt auch mit vollem Nachdruck dem anderen großen englischen Plan, sich mit Hilfe des Völkerbundes zur Vormacht eines geeinigten Europas zu machen, entgegenwirken. Denn die Äußerungen Hol¬ dings über eine amerikanische Konkurrenzgründung sind keineswegs nur ein sehr geschickter und notwendiger innerpolitischer Schachzug, verschiedene Anzeichen deuten klar darauf hin, daß man in den Vereinigten Staaten sehr ernsthaft daran denkt, den englischen Bund zu sprengen. Nicht nur verschanzen die Franzosen sich bei jeder Gelegenheit, wo sie ihre eigenen Ziele Völkerbundszwecken unterordnen oder auch nur anpassen sollen, hinter eine einstweilen noch aufstehende Stellungnahme Amerikas, nicht nur übernimmt in der armenischen Frage Wilson eine Rolle, die der Völkerbund, um seine Ohnmacht nicht allzu deutlich hervortreten zu lassen und mit den Einzelregierungen nicht in Konflikt zu geraten> ablehnen mußte, auch inner¬ halb des Völkerbundes selbst macht sich schon der Einfluß der Vereinigten Staaten geltend. Es darf nicht übersehen werden, daß der Vertreter Argentiniens, Puyrredon, der in Genf für eine wirklich demokratische Entwicklung des Völkerbundes eintrat

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_338022/359>, abgerufen am 22.07.2024.